Die bipolare Weltordnung der Nachkriegszeit zerbröselt vor unseren Augen. China, Indien, Brasilien und Saudi Arabien sind nur einige der neuen Kräfte, die auf der internationalen Bühne ihre Interessen vertreten und oft auch durchsetzen. Für die EU ist das eine der großen Herausforderungen.<BR /><BR />Sie repräsentieren große, äußerst bevölkerungsstarke Schwellenländer, sodass die Überlegung, sie in westliche Strategien gegen Moskau und für eine wirksame Klimapolitik zumindest teilweise einzubinden, durchaus einen Versuch wert ist. Allerdings fördert das derzeitige brasilianische Regime einige der übelsten Regierungen in Lateinamerika nachhaltig, und Indien steuert, seit dort der Hindu-Nationalist Modi die Führung übernommen hat, mit immer größerem Tempo auf eine illiberale und gegen die Religionsfreiheit insbesondere von Christen gerichtete, ideologische Herrschaft zu.<BR /><BR /><BR />Die Welt einfach in Tyranneien und freiheitliche Demokratien einzuteilen, ist jedoch eine zu schlichte Sichtweise. So schwarz-weiß war nicht einmal die bipolare Welt nach der Konferenz von Jalta, auf der sich die Sowjetunion und die USA die globale Herrschaft mehr oder weniger geteilt hatten. <BR /><BR /><BR />Der freie Westen musste auch damals aus wirtschaftlichen und sicherheitsstrategischen Gründen mit manchem Staat paktieren, der nicht den demokratischen Idealen entsprach - allen voran mit den Ölproduzenten rings um den persisch-arabischen Golf. Auf der anderen Seite gelang es Moskau, manches eher liberale staatliche Gebilde in seinen Bann zu ziehen, indem es dessen spezifische historische, kulturelle und geopolitische Interessen aufgriff.<BR /><BR /><BR />In der multipolaren Welt von heute muss Europa kenntnisreich und behutsam den schmalen Grat zwischen unveräußerbaren Grundsätzen und pragmatischen Nützlichkeitserwägungen gehen. Ohne den eigenen freiheitlichen Charakter zu verwässern, gilt es mit klugem Taktieren zu verhindern, dass sich über die Kontinente und Ideologien hinweg eine Einheitsfront der autoritären Regierungen bildet. Realismus und klare demokratische Prinzipien sind nicht Gegensätze, müssen aber in einer gefährlichen Welt immer wieder neu austariert werden.<BR /><BR />