Das Land ohne Volk gab es nicht. Dort lebten etwa 500.000 Araber. Das führte zur alles entscheidenden Frage: Wem gehörte dieses Land? Die Araber glaubten, es sei ihr Land, weil sie es jahrhundertelang bewohnt hatten. Die Zionisten reklamierten es für sich, weil es ihnen immer gehört habe, auch wenn es ihnen gestohlen worden sei. Sie würden es wieder in Besitz nehmen.<BR /><BR /><BR />Ein Meilenstein auf dem Weg zum jüdischen Staat war die sogenannte Balfour-Deklaration, jenes Schreiben des britischen Außenministers James Balfour vom 2. November 1917 an den Präsidenten der Zionistischen Föderation in Großbritannien, Lord Rothschild. Darin hieß es, die britische Regierung betrachte „die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen“ und werde „keine Mühe scheuen, um die Erreichung dieses Ziels zu erleichtern“. Mit nationaler Heimstätte war ein jüdischer Staat gemeint. <BR /><BR />Die Gründe auf britischer Seite für dieses Schreiben waren vielfältig, wobei es primär um die Kontrolle Palästinas zur Absicherung des Suezkanals ging. Wichtig war auch, die amerikanischen Juden mit dieser Zusage zu gewinnen. Man hoffte, dass jene Juden, die Einfluss auf Präsident Woodrow Wilson hatten, ihn davon überzeugen konnten, die britische Besatzung Palästinas nach dem Ende des Krieges zu akzeptieren. <BR /><BR /><BR />Als der Völkerbund Großbritannien 1922 das Mandat über Palästina übertrug, wurde im Mandatstext explizit auf diese Deklaration Bezug genommen und Großbritannien damit völkerrechtlich verpflichtet, die Juden beim Aufbau ihrer Heimstätte, sprich Staat, zu unterstützen.<h3> Die ersten Zusammenstöße und Konflikte</h3> Zusammenstöße zwischen Arabern und den eingewanderten Juden blieben in der Folgezeit nicht aus. Schon 1920 waren 8 Juden, 1921 bei Unruhen in Jaffa 47 Juden und 48 Araber getötet worden.<BR />1929 brachen die Konflikte offen aus. Anstifter der antijüdischen Aktionen war der geistliche Führer der Moslems, Haj Amin al-Husseini, den die Briten zum Mufti von Palästina ernannt hatten. Husseini sprach vom Heiligen Krieg, der in Jaffa, Hebron und Safed, aber auch in anderen Orten, geführt wurde. Insgesamt verloren 133 Juden und 116 Araber ihr Leben.<BR /><BR />Wie üblich in solchen Situationen setzte die britische Regierung eine Untersuchungskommission ein. In dem abschließenden Bericht wurden zwar die Araber für die Massaker verantwortlich gemacht, aber gleichzeitig auch Verständnis für sie geäußert. Deren Reaktion sei die Folge enttäuschter nationaler Aspirationen und Befürchtungen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Zukunft wegen Landkäufen und Verlust ihrer Existenzgrundlage. Für neue Siedler stehe kein Land mehr zur Verfügung, mit Ausnahme jener Gebiete, die sich bereits in ihrem Besitz befänden. In einem Weißbuch wurde der britischen Regierung erstmals eine drastische Begrenzung der Einwanderung und des Landerwerbs durch Zionisten empfohlen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="786314_image" /></div> <BR /><BR />Die Zionisten waren empört. Entsprechend lautete ihre Reaktion: „Gott schütze mich vor Kommissionen – vor Pogromen kann ich mich selbst schützen.“ Für den führenden Zionisten Chaim Weizmann war klar: „Das Weißbuch zielt darauf ab, unsere Arbeit in Palästina unmöglich zu machen.“ Es herrschte der allgemeine Eindruck vor, als ob die Errichtung der zugesagten jüdischen Heimstätte mit Blick auf Großbritannien mehr oder weniger abgeschlossen sei oder als ob jede weitere Entwicklung von der Zustimmung der Araber abhinge. Nach massiven Interventionen der Zionisten wurde die Weißbuch-Empfehlung in einem Brief des britischen Premierministers Ramsay MacDonald an Weizmann im Februar 1931 dann allerdings relativiert. <BR /><BR />MacDonald bestätigte im Prinzip das, was im Völkerbundmandat festgeschrieben worden war. Die Araber nannten dieses Schreiben nicht zu Unrecht den „schwarzen Brief“. Weizmann und seine Kollegen hatten ihn entworfen, MacDonald nur noch unterschrieben. Unabhängig davon verschärften sich die Gegensätze zwischen Juden und Arabern von Tag zu Tag, trotz der durch Englands Militär- und Polizeimacht künstlich aufrechterhaltenen äußeren Ruhe und Ordnung.<BR /><BR />Seit der Machtübernahme der Nazis in Deutschland 1933 verließen immer mehr Juden das Land in Richtung Palästina. Der spätere Ministerpräsident Israels, Ben Gurion, der 1906 nach Palästina eingewandert war, kommentierte das 1934 so: „Die Einwanderungswelle hat dem Zionismus Segen gebracht. Wir wissen, wenn den Massen das Wasser nicht bis zum Halse gestiegen wäre, so wären sie nicht ins Land gekommen.“ In den folgenden Jahren verschärften sich die Spannungen im Zusammenhang mit der zunehmenden Einwanderung von Juden aus Deutschland (und nach dem „Anschluss“ 1938 auch aus Österreich). <BR /><BR />Die Araber selbst begrüßten die Entwicklung in Nazi-Deutschland. Dass die starke jüdische Einwanderung mit der Politik Nazideutschlands zusammenhing, schien ihnen nicht einzuleuchten, wie der deutsche Generalkonsul in Jerusalem notierte: „In ihrer Bewunderung für Deutschland und seinen Führer kommen die Araber gar nicht auf den für ein in politischen Dingen noch vielfach primitives Volk nahe liegenden Gedanken, Deutschland für die verstärkte jüdische Einwanderung nach Palästina gewissermaßen verantwortlich zu machen.“<BR /><BR />Die Araber sahen sich mehr und mehr als Verlierer. Der Großteil von ihnen lebte zwar auf dem Land, aber in den Städten sah es zum Teil erschreckend aus; dort waren viele von ihnen zu Proletariern geworden. In einem Bericht aus Haifa heißt es, 11.160 von ihnen lebten in 2500 Hütten aus Benzinkanistern. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="786317_image" /></div> Die Zionisten hielten sich oftmals in völliger Verkennung der realen Verhältnisse für die Beglücker des Landes, während die Araber für die Verbesserung der Bodenbearbeitung und für industrielle Betätigung wenig Verständnis hatten und die europäischen Kulturerrungenschaften im Grunde ihres Herzens verachteten. <BR /><BR />Anfang 1936 rief das neugewählte arabische Hochkomitee unter Führung von al-Husseini zum Generalstreik bis zum nationalen Sieg auf. Es war zunächst ein Aufstand gegen die Juden. Es kam erneut zu Massakern in Jaffa, bei denen 15 Juden ermordet, Orangenhaine abgeholzt, Läden und Fabriken zerstört wurden. Am 1. Mai 1936 wurde der Aufstand auch gegen die Briten erweitert; es war jetzt ein „Heiliger Krieg für das Heilige Land.“ London schickte 20.000 Soldaten, sorgte für „Ruhe und Ordnung“ und setzte wieder eine Untersuchungskommission, diesmal unter Leitung von Lord William Peel.<h3> 7. Juli 1937: Vorschlag zur Teilung Palästinas</h3>Dessen Bericht lag am 7. Juli 1937 vor. Das Ergebnis war eindeutig: Erstmals wurde die Teilung Palästinas in 2 Staaten vorgeschlagen, da das Palästina-Mandat nicht durchführbar sei. Der Bericht sprach von einem unüberwindlichen Konflikt zwischen Juden und Arabern; sie könnten möglicherweise lernen, in Palästina zusammenzuleben und zu arbeiten, wenn sie eine echte Anstrengung machen wollten, ihre nationalen Ideale miteinander zu versöhnen und zu verbinden und so mit der Zeit ein gemeinsames, zweigestaltetes Staatsvolkstum aufzubauen, „aber“, so Lord Peel, „hierzu sind sie nicht imstande. Die trennende Macht der Umstände in Palästina wächst von Jahr zu Jahr. Da jede Gemeinschaft überdies anwächst, vertieft sich die Rivalität zwischen beiden. Jeder intelligente Araber und Jude ist gezwungen zu fragen: Wer wird schließlich in Palästina regieren? Es ist ein Fall Recht gegen Recht, eine Situation, die nur durch die Teilung Palästinas in zwei unabhängige Staaten, einen arabischen und einen jüdischen, gelöst werden kann.“ <BR />Er schlug einen relativ kleinen Staat für die Juden und einen größeren für die Araber vor; Großbritannien sollte allerdings weiter als Mandatsmacht strategisch wichtige Plätze und die heiligen Stätten in Jerusalem kontrollieren. Allgemein war vom „Dreiteilungsplan“ die Rede.<BR /><BR />Der jüdische Staat würde demnach etwa 20 Prozent von Palästina ausmachen und den nördlichen Bereich Galiläas bis südlich von Nazareth und die Gebiete von der libanesischen Grenze bis südlich von Jaffa erhalten (Jaffa sollte allerdings Arabisch bleiben). Für die Araber war der Rest des Gebietes vorgesehen. Als Entschädigung für den Verlust jenes Territoriums, das von den Arabern als das ihre angesehen wurde, sollte der arabische Staat eine jährliche Subvention vom jüdischen Staat bekommen. Für Peel war klar: „Eine drastische Operation ist notwendig. Kein ehrlicher Arzt kann hier bloß Aspirin und eine Wärmflasche empfehlen.“<h3> Reaktionen der Zionisten und der Araber</h3>Die Zionisten reagierten zunächst zurückhaltend. Auf dem 20. Zionistenkongress in Zürich im August 1937 sprach sich dann aber eine Mehrheit für die Annahme des Plans aus, nachdem Ben Gurion klargemacht hatte, dass kein Stück Land aufgegeben werde, der Plan aber möglicherweise der beste Weg sei, um das angestrebte Ziel – einen größeren Judenstaat – zu erreichen. Das Wichtigste aber sei, dass man einen unabhängigen Staat bekommen würde, der unbeschränkt Juden aufnehmen könne, was angesichts der Entwicklung in Deutschland immer wichtiger werde.<BR /><BR />Die Araber lehnten den Plan sofort ab. Der für sie vorgesehene Staat würde zwar 80 Prozent von Palästina umfassen, aber den fruchtbarsten Teil sollten die Juden erhalten. Bei dem vorgesehenen Bevölkerungstransfer hätten 250.000 Araber, die in Galiläa wohnten, das Land verlassen müssen, umgekehrt nur etwa 2000 Juden. Man könne nicht leugnen, so der deutsche Generalkonsul in Jerusalem, Walter Döhle, dass der Plan „zugunsten der Juden ausgefallen ist, und muss feststellen, dass der jüdische Einfluss in London sich als sehr stark erwiesen hat“.<BR /><BR />Ein arabischer Kongress im September 1937 in Bludan in Syrien rief die Araber zu vereintem Widerstand gegen das sogenannte Weltjudentum und dessen Absichten auf, einen Staat in Palästina zu errichten. Von nun an war Palästina nicht mehr nur eine Angelegenheit der Araber in Palästina, sondern eine Angelegenheit aller Araber. Die Teilung Palästinas blieb aber von nun an eine Option.<BR /><BR /><BR />Zur Person: <BR />Rolf Steininger war langjähriger Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.<BR />Buchtipp: <BR />Rolf Steininger, „Der Nahostkonflikt“, Fischer Taschenbuch, Frankfurt 2005/2020<BR />Bestellen: www.athesiabuch.it<BR />