<b>von Andreas Schwarz</b><BR /><BR />Marterbauer hat sich zu Wochenbeginn in einem Interview für staatliche Eingriffe bei den Lebensmittelpreisen ausgesprochen. Er verwies auf die in Österreich nach wie vor hohe Inflation im Vergleich zum Euro-Raum (3,5 Prozent, 1,5 Prozentpunkte über dem Schnitt) und nannte Länder wie Spanien, die in die Preise eingriffen: Sie hätten die Teuerungskrise am erfolgreichsten bewältigt. Zuletzt seien die Nahrungsmittelpreise stark gestiegen, „die unteren Einkommensgruppen geben die Hälfte für Wohnen, Haushaltsenergie und Nahrungsmittel aus.<BR /><BR />Und der SPÖ-Minister legte noch eins nach: Viele Frauen arbeiteten in Teilzeitjobs 21 Stunden, Männer oft 42 pro Woche. Eine „gesunde Vollzeit“ für alle gäbe es bei 30, 35 Wochenstunden – eine provokante These in Zeiten der Debatte um zu viel Teilzeitarbeit und eine Hängemattenattitüde der Work-Life-Balance-Generation. Die starke niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte jüngst den Begriff „Lifestyle-Teilzeit“ geprägt.<BR /><BR />Die beiden Minister-Ansagen sind jedenfalls starker Tobak. Die Wirtschaftskammer spricht erzürnt von „Symbolpolitik“ und von „kurzfristigem Aktionismus“ – die Senkung der Inflation in Spanien sei vor allem auf eine Mehrwertsteuersenkung bei Lebensmitteln zurückzuführen, die sei von Marterbauer aber nicht geplant. Auch der Handel tobt. Und Zeitungskommentatoren verweisen darauf, dass der Hauptgrund für die in Österreich seit Jahren höhere Inflation nicht die Lebensmittel seien (ihr Anteil an der Inflation liegt bei 0,6 Prozentpunkten), sondern die Dienstleistungen (mit 2,1 Prozentpunkten). Das heißt, die höheren Arbeitskosten treiben die Inflation, und die lägen an den ungebremsten Lohnsteigerungen.<BR /><BR />Die Koalitionspartner des SPÖ-Ministers geben sich noch moderat: Die Kanzlerpartei ÖVP sprach noch kein direktes „Nein“ aus und versteckte ihre grundsätzliche Ablehnung gegen fiskalen Staatsdirigismus hinter einer Schwurbel-Aussage: „Wenn es aufgrund der aktuellen weltpolitischen Bedrohungslage zu stark ansteigenden Preisen kommt, treffen wir Gegenmaßnahmen“, so die Wirtschaftspartei, die in Corona- und Energiekrisenzeiten Förderungen mit der Gießkanne ausschüttete. Der kleine Koalitionspartner NEOS wurde in seiner Ablehnung deutlicher: Der „wichtigste Eingriff in den Markt“ sei, „endlich für mehr Wettbewerb und Transparenz zu sorgen und den Reformmotor in den nächsten Ganz zu schalten“.<BR /><BR />Marterbauer galt schon vor dem Start der sogenannten „Zuckerlkoalition“ als eine Art Sollbruchstelle der ÖVP/SPÖ/NEOS-Koalition. Die Regierung hätte ja schon zu Jahresende stehen sollen, scheiterte aber am Links- und Vermögenssteuerkurs des SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler – NEOS und ÖVP brachen die Verhandlungen ab. Erst nach einer drohenden FPÖ-ÖVP-Koalition, die dann auch nicht zustande kam, rauften sich die ungleichen Parteien doch noch zusammen: Die links dominierte SPÖ, die bürgerliche, wieder konservativer gewordene Volkspartei und die wirtschaftsliberalen NEOS. Und da brachte die SPÖ ausgerechnet den linken Ökonomen Marterbauer mit ins Team, auch ein glühender Verfechter von Erbschafts- und Vermögenssteuer.<BR /><BR />Marterbauer, der stets wie ein freundlicher Alt-68er wirkt (doch dafür ist der 60-jährige Nationalökonom zu jung) gilt als Anhänger der keynesianischen Schule und plädiert für staatliche Eingriffe in den Markt. Aber er überzeugte auch die Skeptiker in den Regierungsreihen mit einem von Beginn weg pragmatischen Kurs: Kein Wort mehr von Vermögens- oder Erbschaftssteuer (in dieser Legislaturperiode), dafür ein entschlossenes Festzurren eines Sparpakets gemeinsam mit ÖVP und NEOS angesichts des Budgetdebakels, das die Vorgängerregierung aus ÖVP und Grünen hinterlassen hatte.<BR /><BR />Ein geläuterter Linker oder nur ein Wolf im Schafspelz? Viele Beobachter sind der Ansicht, dass Marterbauer geschickt genug ist, sich dem pragmatischen Miteinander der drei Koalitionsparteien zu beugen – um dann im nächsten Wahlkampf die vollen linken Geschütze (Vermögenssteuer, Arbeitszeitreduktion, etc.) loszulassen.<BR /><BR />Der angestrebte Eingriff in die Lebensmittelpreise war vielleicht so ein kleiner Versuchsballon – den er jetzt einmal gemeinsam mit ÖVP und SPÖ, ganz pragmatisch und immer lächelnd, wieder einfangen wird.