Daniel Dahlen ist Geschäftsführer der Unternehmensgruppe, welche die Tagszeitung „Ålandstidningen“ herausgibt. Sie ist Mitglied der Europäischen „Vereinigung der Minderheitentageszeitungen“ (Midas).<h3> Immer wieder Opfer russischer Aggressionen</h3>Im Laufe der Geschichte waren die Åland-Inseln wiederholt russischen Angriffen ausgesetzt, waren sich aber auch der russischen Präsenz bewusst. Im 18. Jahrhundert flohen die meisten Inselbewohner nach Schweden – vor den russischen Kosaken, die die Inseln bedrohten. Und im 19. Jahrhundert beherbergten fast 70 Prozent der Haushalte russische Soldaten.<BR /><BR />Der Kontakt mit der russischen Armee setzte sich im 20. Jahrhundert fort, und während des Ersten Weltkriegs errichtete die russische Armee eine Militärpräsenz auf den Inseln, die sich auch während des Zweiten Weltkriegs fortsetzte, als viele åländische Seeleute auf See getötet wurden. Obwohl die Åland-Inseln entmilitarisiert sind und einen neutralen Status haben, waren sie also im Laufe der Geschichte immer wieder Opfer russischer Aggressionen.<BR /><BR />Es war keine Überraschung, dass sich die Menschen auf den Inseln empörten, als Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine angriff. Wenn man mit der Ahnung aufgewachsen ist, dass man sich der russischen Aggression bewusst sein sollte, wird alles surreal, wenn etwas, das der Vergangenheit angehört, plötzlich wieder real wird. Die Geschichten, die von Familien seit Generationen erzählt wurden, fanden plötzlich ihren Weg ins 21. Jahrhundert, und der Krieg war plötzlich nicht mehr nur etwas, das auf Netflix zu sehen war.<BR /><BR />Es besteht kein Zweifel daran, dass sich die Åländer nach wie vor als Bewohner von Inseln des Friedens sehen und stolz darauf sind, dass Åland ein neutrales und entmilitarisiertes Gebiet ist. Daher ist die Meinung, dass Åland diese Politik fortsetzen sollte, sehr stark. Andererseits fühlen sich die Menschen wohl, wenn sie Teil von etwas Größerem sind, und sie wünschen sich, dass Åland und Finnland der NATO beitreten.<h3> Wunsch nach mehr Sicherheit</h3>Aus åländischer Sicht wünschen sich die Menschen mehr Sicherheit, aber ohne re-militarisiert werden zu müssen. Das Hauptziel ist die Beibehaltung der Entmilitarisierung, allerdings unter der Flagge der <?TrVer> NATO, was aufgrund der wichtigsten Abkommen, die eine Entmilitarisierung vorsehen (1856 und im Völkerbund 1921, bestätigt im Pariser Friedensvertrag 1947 und wieder 1992), zulässig ist. Auch die NATO umfasst bereits entmilitarisierte Zonen, wie z. B. Svalbard in Norwegen.<BR /><BR />Aber warum glauben die Åländer, dass eine entmilitarisierte Zone besser ist als eine eigene Armee?<BR /><BR />Der Pariser Friedensvertrag gab Russland die Möglichkeit, die Entmilitarisierung zu überwachen, indem es ein Konsulat auf den Inseln einrichtete. Die Hauptaufgabe des Konsulats besteht nach wie vor darin, die Entmilitarisierung zu überwachen und dafür zu sorgen, dass Finnland oder ein anderes Land die Inseln nicht re-militarisiert.<BR /><BR />Die Arbeit wurde von den Russen ernst genommen. Die örtliche Bevölkerung macht daher geltend, dass Entmilitarisierung die Inselgruppe sicherer macht und dass Russland nicht gezwungen sein wird, Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn Åland Teil der NATO werden würde. Unter der Annahme, dass Åland nicht remilitarisiert wird.<BR /><BR />Die Dinge ändern sich schnell. Die Identität dieses Teils von Skandinavien ist eng mit der Neutralität und im Falle Ålands auch mit der Entmilitarisierung verknüpft. Dies zu ändern, bedeutet auch, einen Teil unserer Identität zu ändern. Es ist viel komplizierter als nur die Frage des NATO-Beitritts. Aber jetzt schauen die Menschen auf die NATO und hoffen, dass ein Beitritt mit Entmilitarisierung kombiniert werden kann und im besten Fall auch nicht dazu führt, dass Russland sich einmischt.<BR /><BR />Aber in einer Welt mit Wladimir Putins Terror und dem Krieg in der Ukraine kann man nichts für selbstverständlich halten, und die Dinge können sich leicht ändern. Deshalb müssen die Åländer wieder einmal aufmerksam und auf der Hut bleiben. Wie schon so oft zuvor. <BR /><BR />