<b>STOL: Die Umfragen vor den „midterm elections“ prognostizierten einen Wahlerfolg der Republikaner im Repräsentantenhaus und im Senat. Im Senat haben aber die Demokraten die Oberhand behalten. Trotz dieser unerwarteten Niederlage hat Donald Trump verkündet, dass er sich erneut um die Präsidentschaft im Jahr 2024 bewerben will. Hat dich diese Ankündigung überrascht?</b><BR />Alexandra Hawlin: Trump hat in den vergangenen Wochen immer wieder anklingen lassen, dass er ins Rennen um die Präsidentschaft 2024 einsteigen will. Und wenn wir in den vergangenen Jahren eines gelernt haben, dann das, dass Trump selten blufft, wenn er etwas sagt. Wenn er etwas ankündigt, dann zieht er es durch. Das Timing seiner Ankündigung ist aber bemerkenswert. Wie du gesagt hast, haben die Republikaner bei den „midterm elections“ eine unerwartete Niederlage einfahren müssen, und dass Trump nur ein paar Tage danach diese Ankündigung macht, ist alles andere als ideal für die Republikaner. Aber dadurch, dass er schon vor den „midterm elections“ ein „Big announcement“ angekündigt hatte, hat er sich selbst unter Druck gesetzt und musste etwas sagen. Trump ist aber nach wie vor überzeugt, dass er gewinnen kann.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57028159_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Wie reagiert die Republikanische Partei auf die Kandidatur von Donald Trump?</b><BR />Hawlin: Zunächst relativ zurückhaltend. Unmittelbar nach den Zwischenwahlen haben sich unerwartet viele republikanische Politiker kritisch zu Trump geäußert. Man hatte das Gefühl, dass sich ein Teil der Partei von ihm distanzieren will, auch weil gerade viele von Trump unterstützten Kandidaten bei den „Midterms“ nicht punkten konnten. <BR /><BR /><b>STOL: Warum war das so?</b><BR />Hawlin: Die republikanischen Kandidaten waren den Wählern teilweise zu extrem. Das haben die Demokraten auch geschickt in ihrer Wahlkampagne betont. Ob sich die Republikaner nun aber klar von Trump distanzieren werden, das muss sich erst zeigen, denn ein Teil der Partei hat sicherlich Angst vor den Reaktionen seiner Basis. <BR /><BR /><b>STOL: Der Einfluss Trumps auf die Republikanische Partei ist also nach wie vor beträchtlich?</b><BR />Hawlin: Ja. Trump hat immer noch eine große Basis. Und die Partei befürchtet, dass sich diese abwendet, wenn sie sich von Trump distanziert. Es ist auch schon etwas zu spät, sich von ihm abzuwenden.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57028270_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Wann hätte das deiner Meinung nach passieren müssen?</b><BR />Hawlin: Die Republikaner hätten die Chance beim zweiten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gehabt. Jetzt könnte der Schuss für die Partei nach hinten losgehen, wenn sie sich von Trump distanziert. <BR /><BR /><b>STOL: Haben die Republikaner eigentlich Kandidaten, die Trump bei den Vorwahlen für die Präsidentschaft gefährlich werden könnten?</b><BR />Hawlin: Es ist noch früh 2 Jahre vor der Wahl. Aber derzeit hätte wohl, der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, sehr gute Chancen. Er hat bei den „Midterms“ einen überragenden Sieg eingefahren, zudem wird er sowohl vom Partei-Establishment als auch von der Basis sehr geschätzt. Seine Art und sein Ton kommen gut an, auch wenn er ähnlich erzkonservativ wie Donald Trump ist. Aber wenn man sich anschaut, von wem Ron DeSantis gewählt wurde, auch von vielen Latinos, dann ist er ein Kandidat, der viele Wählerschichten erreicht. Trump weiß, dass Ron DeSantis eine gefährliche Konkurrenz für ihn werden kann, daher attackiert er ihn, droht ihm sogar, dass er Geheimnisse über seine Frau verraten könnte. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="834068_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Die Demokraten konnten bei den „midterm elections“ unerwartete Erfolge einfahren: Liegt der Grund darin, dass sich viele von der Trump-Politik distanzieren wollten, oder kommt Joe Bidens Politik so gut an?</b><BR />Hawlin: Es ist sicher so, dass die Wähler ein Zeichen setzen und signalisieren wollten, dass viele von Trump unterstützte Kandidaten zu extrem sind. Sie wenden sich von der Ära Trump ab. Das ist zum Ausdruck gekommen. Aber es war nicht der Trump-Effekt alleine, der den Republikanern ein enttäuschendes Ergebnis beschert hat, es war auch die Diskussion um das Abtreibungsrecht. <BR /><BR /><b>STOL: Die Republikaner haben angekündigt, dass sie einen Untersuchungsausschuss gegen Hunter Biden einrichten wollen, die Demokratin Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, wird nicht mehr um den Vorsitz antreten: Was bedeutet es für die Demokraten für die verbleibenden 2 Jahre, dass die Republikaner im Repräsentantenhaus nun die Mehrheit halten?</b><BR />Hawlin: Es werden schwierige 2 Jahre für US-Präsident Joe Biden und die Demokraten, da die Republikaner Untersuchungen gegen Joe Biden anstrengen werden und auch Gesetzesinitiativen blockieren können. Zudem entscheidet das Repräsentantenhaus über den Haushalt. Joe Biden bleibt zwar immer noch das Veto-Recht bei Gesetzesinitiativen, aber das Regieren wird für ihn deutlich schwieriger werden. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="834071_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Vor den „midterm elections“ waren die Befürchtungen groß, dass es zu Unruhen kommen könnte <a href="https://www.stol.it/artikel/politik/einige-personen-bereiten-sich-auf-einen-buergerkrieg-vor" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">(Hier lesen Sie mehr dazu).</a> Sind diese ausgeblieben?</b><BR />Hawlin: Ich war im Vorfeld der Wahlen in Arizona, dort gab es vor allem um Phoenix rechte Gruppierungen, die bewaffnet vor Wahllokalen standen und Wähler einschüchterten. Die Anspannung war groß und die Sicherheitsvorkehrungen enorm. Es gab richterliche Beschlüsse gegen diese Gruppen und am Wahltag selbst durfte sich niemand, auch nicht die Pressevertreter, näher als 75 Fuß (knapp 23 Meter, Anm. d. Red.) einem Wahllokal nähern – außer zur Stimmabgabe. Der Sheriff hat mir gesagt, dass er sich nie gedacht hätte, dass er einmal Absperrungszäune und Barrikaden vor Wahllokalen aufstellen müsste. Wenn man sich all das vor Augen führt, dann merkt man erst, wie krass das ist, dass in einem Land wie den USA, solche Vorkehrungen bei einer Wahl getroffen werden müssen. Ich habe mit Wahlhelfern gesprochen, die seitdem Donald Trump seine Lüge von der gestohlenen Präsidentschaftswahl 2020 erzählt, Morddrohungen erhalten. Vielleicht haben all diese Vorkehrungen abschreckend gewirkt und schlussendlich ist es nicht zu den befürchteten Unruhen gekommen. <BR />