<BR /><i>Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (Midas) wurde 2001 gegründet. 28 Tageszeitungen aus 12 Staaten gehören Midas an. Ziel ist, gemeinsam Strategien zu entwerfen und die Zusammenarbeit beim Austausch von Informationen, bei Druck und Marketing zu fördern. Das folgende Interview stammt von Hatto Schmidt für Midas.<BR /></i><h3> Interview mit Midas-Gründungsmitglied Edit Slezák</h3>Edit Slezák gehört der ungarischen Minderheit in der Slowakei an und war viele Jahre Verlagsleiterin in den Verlagen, die die ungarische Tageszeitung „Új Szó“ und die Wochenbeilage „Vasárnap“ herausgeben. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1190484_image" /></div> <h3> „Es war wie ein Wunderland für mich“</h3><b>Wie sind Sie zu Midas gekommen?</b><BR />Edit Slezák: Da gibt es eine persönliche Schiene und eine von der Seite der Firma. In der fraglichen Zeit wurde „Új Szó“ in einem kleinen Verlagshaus herausgegeben, Besitzer war aber der Verlag der „Rheinischen Post“. Wir bekamen 1998 eine Einladung für eine Konferenz in Triest; sie ging an den Chefredakteur von „Új Szó“. Ein paar Tage vor dem Termin hatte er einen Autounfall. Ihm ist nichts geschehen, aber er konnte nicht nach Triest fahren. Die nächste Person, die in Frage kam, war ich. <BR /><BR /><BR /><b>Sie sind also zu der Konferenz gefahren?</b><BR />Slezák: Ja. Bei der Konferenz waren viele Leute aus verschiedenen Ländern und von unterschiedlichen Minderheiten. Jeder sollte eine kleine Präsentation über seine Zeitung machen. Ich stellte mich vor, indem ich sagte: Auf Slowakisch heiße ich Edita Slezáková, aber auf Ungarisch heiße ich Edit Slezák. Jeder, der schon ein bisschen geschlafen hatte, war nun wach. Ich erzählte über die ungarische Minderheit und dass „Új Szó“ in jenem Jahr den 50. Geburtstag feiern werde. Bojan Brezigar, der immer zu den aktivsten in der Midas gehörte, schlug vor, dass wir über „Új Szó“ etwas zusammenstellen sollen, damit die anderen Zeitungen etwas darüber schreiben können zu diesem Geburtstag. <BR /><BR /><BR /><b>Wie war diese Tagung für Sie?<BR /></b>Slezák: Sie war sehr interessant war für mich. Ich sah das erste Mal in meinem Leben, dass es so viele Minderheiten gibt, und jede kämpft für sich allein, jede hat Probleme, die alle unterschiedlich sind, weil überall die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen unterschiedlich sind. Für mich war die Tagung etwas ganz Besonderes, denn man darf nicht vergessen, dass ich im Sozialismus aufgewachsen war und wir noch kurze Zeit zuvor damit gekämpft hatten, dass es beispielsweise kein Toilettenpapier zu kaufen gab. <BR /><BR />Wir konnten damals nicht einfach öffentlich unsere Meinung sagen, wir konnten unseren eigenen Freunden nicht zu 100 Prozent vertrauen, denn man wusste nicht, wer alles bei der Staatssicherheit war. Für mich persönlich, aber auch als Verlagsleiterin war es absolut etwas Besonderes zu sehen, dass für mich nun die Welt gleich offen war wie für andere, ich sah, was es alles gibt. Es war wie ein Wunderland für mich.<BR /><BR /><b>Wie kamen die anderen ungarischsprachigen Zeitungen zu Midas dazu?</b><BR />Slezák: Dazu muss ich etwas ausholen. Nach der Wende hat mich ein Mann aus Budapest kontaktiert. Er war Chef eines Werbeblattes. Er schlug vor, eine Zusammenarbeit auf die Beine zu stellen mit je einer ungarischen Tageszeitung in Rumänien, in Transkarpatien in der Ukraine, mit „Új Szó“ und mit seiner eigenen Zeitung. Seine Idee war, eine gemeinsame Beilage herausgeben. Das Ziel war, die ungarischen Minderheiten in dieser Region zusammenzubringen. <BR /><BR />Das Projekt dauerte ungefähr zwei Jahre. Dann ging der Mann aus Budapest weg und die Zusammenarbeit war zu Ende. Das war eine erste Zusammenarbeit zwischen ungarischen Zeitungen. Und jetzt zu der Frage. Ich erinnere mich nicht, welche ungarischen Tageszeitungen bei der Tagung in Triest präsent waren. Aber sie waren Mitglied der Midas von Beginn an. Das war nicht mein Erfolg. Trotz der Zusammenarbeit bei diesem Projekt mit der Beilage gab es keine engen Kontakte mit ungarischen Zeitungen. Man muss bedenken: Allein in Rumänien gab es damals zwölf ungarische Zeitungen. Es ist ja ein sehr großes Gebiet, und jede Region hatte eine eigene Zeitung. Dass die anderen ungarischen Zeitungen bei Midas sind, ist ein Erfolg von Bojan. <BR /><BR /><BR /><b>Was waren die schwierigsten Momente in Ihrer Präsidentschaft?</b><BR />Slezák: Zwei große Probleme waren noch vor meiner Zeit als Präsidentin: Das größte war die Schließung von „Egunkaria“ 2003. Dann bekam „Serbske Nowiny“ sehr große finanzielle Schwierigkeiten; die Stiftung für das sorbische Volk hatte der Zeitung das Geld gekürzt. Bjarne Lønborg von „Flensborg Avis“ ist hingefahren und hat alles geprüft, auch die finanziellen Daten aus dem Verkauf etc., damit wir „Serbske Nowiny“ mit Argumenten helfen konnten für ihre Verhandlungen mit der Stiftung. Während meiner eigenen Zeit als Präsidentin begann die große Veränderung von Print zu Online und der Ausbau von Online. <BR /><BR />Interessant ist, dass die Zeitungen so unterschiedliche Probleme haben. Es gibt Tageszeitungen, die eine schöne Förderung bekommen, es gibt aber auch welche, die sehr wenig bekommen. Es gibt Zeitungen, die keine ernsthaften Probleme mit der Innenpolitik in ihrem Land und im Zusammenleben haben, andere schon. Wir sind daher nicht fähig, für jedes Problem eine Lösung anzubieten, aber wir können verschiedene Aktivitäten von Minderheiten in unterschiedlichen Ländern zusammenbringen, damit jeder daraus lernen und gute Ideen, die erfolgreich waren bei einzelnen Zeitungen, adaptieren kann. Deshalb habe ich versucht, Aktivitäten in diese Richtung zu fördern. <BR /><BR /><BR /><b>Haben viele Minderheiten-Tageszeitungen wirtschaftliche Probleme?</b><BR />Slezák: Fast alle. Vielleicht sollten wir in der Midas gemeinsam nachdenken über mögliche Einnahmequellen. Ich möchte nicht sagen, dass wir als eine Medienagentur oder als Werbeagentur fungieren sollen. Aber ohne staatliche oder andere Förderung für die Medien geht es nicht. Meist genügt auch solch eine Förderung nicht. Der Anzeigenmarkt ändert sich, auch in Online.<BR /><BR /> Wenn ich im Vorjahr noch gute Einnahmen z. Bsp. aus Bannern hatte, ist das im Jahr darauf vielleicht nicht mehr der Fall, weil der Anbieter eine eigene Website aufgebaut oder andere Vertriebswege gefunden hat. Dieser Teil des Geschäfts ändert sich so stark, dass diese Einnahmequelle unsicher geworden ist. Wir brauchen daher ein breites Brainstorming, denn wir benötigen Geld, um unsere Publikationen herstellen zu können. Es wäre gut, einen Workshop mit Fachleuten zu dem Thema zu organisieren. <BR /><BR /><BR /><b>Sie haben Probleme im Zusammenleben zwischen Mehrheit und Minderheit und in der Innenpolitik erwähnt. Was meinen Sie damit?</b><BR />Slezák: Ein kleines Beispiel aus der Slowakei. Ich bin überzeugt, dass für eine Minderheit die Vertretung im Parlament absolut wichtig ist. In der Slowakei haben wir Ungarn seit 2020 keine eigenen Parteien mehr im Parlament. Was es gibt, sind ungarische Abgeordnete in den Reihen slowakischer Parteien. Aber mit diesen Leuten erreichen wir gar nichts. Wenn sich jemand für uns interessiert, dann nur alle vier Jahre, wenn gerade wieder Wahlen sind. In der Zwischenzeit können wir als Minderheit nichts erreichen. <BR /><BR /><BR /><b>Sie haben die Entwicklung hin zu Online angesprochen. Welche Herausforderungen sehen Sie kommen für die Zeitungen und für Midas?</b><BR />Slezák: Wir stehen vor sehr großen Veränderungen, und wir sind schon mitten in diesem Prozess. Überall in der Welt wird Print vor allem von der älteren Generation gelesen. Die jungen Leute suchen die Information nicht in Printmedien. Für sie ist das, was wir produzieren, nicht interessant. Was für eine Art von Information suchen sie aber? Es stellt sich auch die Frage, ob die Zugehörigkeit zu einer Minderheit für die jungen Leute so wichtig ist wie für mich, oder ob sie es nicht ist? Meine Söhne leben in England. <BR /><BR />Die politische Lage in der Slowakei ist so schlecht, dass ich als Mutter nicht zu ihnen sagen kann, „kommt zurück“, sondern ich muss zu ihnen sagen, es ist so schwierig hier, dass sie nicht zurückkommen sollen. Welcher Weg ist der beste, der richtige? Die junge Generation ist überall in Europa verstreut. Spielt für sie die starke Zugehörigkeit zur Minderheit eine so große Rolle wie für mich? Die Sozialen Medien, die Technologien verändern sich ständig. Sogar bei Facebook sind junge Leute heute nicht mehr zu finden. Was vor fünf Jahren modern war, ist es heute nicht mehr. <BR /><BR /><b><BR />Wie wichtig sind denn Minderheitenmedien?</b><BR />Slezák: Minderheiten haben eigene Institutionen wie Tageszeitungen, Theater, Organisationen für Pädagogen, Schulen in der Minderheitensprache. Wenn wir uns nicht gut um diese Systeme kümmern und nur eine oder zwei Sachen fallen weg, werden wir statt diesen verloren gegangenen Institutionen niemals neue aufbauen können. Was wir verlieren, das ist für alle Zeit verloren. Deshalb muss jeder von uns, der noch aktiv ist und Ideen hat, kämpfen. <BR /><BR />Die Slowaken verstehen uns Ungarn nicht, sie können nicht mit unseren Köpfen denken. Wenn ein Gesetz auf den Tisch kommt, fühlen die Slowaken nicht, was dieses konkrete Gesetz für uns Ungarn zur Folge haben kann. Nicht weil sie schlechte Leute wären, sondern weil sie nicht denken wie wir. Deshalb haben Minderheiten-Zeitungen eine äußerst wichtige Aufgabe bei der Verteilung von Information. Wenn wir nun zu dieser Lage noch die Künstliche Intelligenz dazunehmen und alles, was damit auf uns zukommt, dann befinden wir uns in einer total verworrenen Situation. <BR /><BR /><BR /><b>Die Herausforderung für Minderheiten-Tageszeitungen ist also die Frage, auf welchen Kanälen man die wichtigen Informationen zu den jungen Leute bringt?</b><BR />Slezák: Ja. Aber das ist nicht leicht. Die jungen Leute lesen nicht, und wer es doch tut, liest keine seriösen Sachen, sondern sucht in der Onlinewelt nach Blödsinn. Im Online erreichen nur solche Artikel gute Klick-Zahlen, die Blödsinn zum Inhalt haben. Das ist eine Katastrophe. Wie soll man wichtige Infos, die die Leute zum Leben brauchen, zu ihnen transportieren? <BR /><BR /><BR /><b>Midas-Mitglieder sind in bisher in erster Linie gedruckte Zeitungen. Sollte sich die Vereinigung mehr gegenüber Online öffnen?</b><BR />Slezák: Ja, absolut. Es bewegt sich auch bereits einiges in diese Richtung. In Rumänien gibt es die beiden ungarischen Tageszeitungen „Njugati Jelen“ und Bihari Napló seit dem 1. Januar nicht mehr in einer Printversion. Ich habe mit Vertretern beider Zeitungen gesprochen: Sie möchten weiterhin Mitglieder von Midas sein. Wir dürfen jetzt nicht sagen, Ihr seid nicht mehr Print, also Auf Wiedersehen. Midas muss sich auch um Zeitungen kümmern, die nicht oder nicht mehr als Print erscheinen. Wir müssen uns gegenüber Online öffnen, auch wegen unseren heutigen Mitgliedszeitungen. Das ist der Weg, auch weitere Online-Zeitungen als Mitglieder zu bekommen. <BR /><BR /><BR /><b>Sie scheiden heuer aller Voraussicht nach aus dem Midas-Vorstand aus. Da ist sicherlich ein wenig Wehmut dabei?</b><BR />Slezák: Absolut. Die Treffen mit Midas waren für mich immer sehr wichtig und sie haben meiner Seele gut getan. Ich musste nichts detailliert erklären, alle verstanden mich. Ich habe mich immer sehr darauf gefreut. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass ich eben in einem sozialistischen System aufgewachsen bin, und das war eine Katastrophe. Es ist auch so, dass die Slowaken uns Ungarn nicht sehr positiv sehen. <BR /><BR />Deshalb waren die Treffen mit Midas immer etwas Besonderes. Was wir zusammen getan haben, hatte immer großen Sinn für mich, das war nie verlorene Zeit. Wenn ich mir nun vorstelle, dass das nun zu Ende ist: Wohin gehe ich dann mit meiner Seele, um Ruhe zu finden und ein bisschen glücklich zu sein? Aber jeder Prozess muss einmal zu einem Ende kommen, ob es mir gefällt oder nicht; ich muss es akzeptieren.