von Bernd Posselt<BR /><BR />Dies gilt erst recht für den Zusammenschluss von 27 Ländern, die trotz teils sehr unterschiedlicher Geschichte bis vor kurzem allesamt von der Idee beseelt waren, dass Frieden, Freiheit und Wohlstand nur durch eine starke juristische Basis mit stabilem menschenrechtlichen Unterbau gesichert werden können. <BR /><BR />Recht hat einen unverzichtbaren sozialen Charakter, denn es macht den Schwachen stärker und den Starken schwächer – was sowohl für Menschen und gesellschaftliche Gruppen als auch für Staaten gilt, die auf vernünftige Weise in eine gute Balance gebracht werden müssen. <h3> Nur noch „Sekundärrecht“?</h3>Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Ordnung des freien Europa durch heftige Stöße von außen und von innen ins Wanken zu geraten droht, tendieren sogar Gründungsmitglieder der früheren Sechsergemeinschaft EWG dazu, den Pfad des Gemeinschaftsrechts zu verlassen: Dies kam zum Ausdruck, als Anfang des Jahrhunderts das deutsche Bundesverfassungsgericht begann, den Vorrang europäischen Rechts vor nationalem auch bei eindeutigen EU-Zuständigkeiten in Frage zu stellen und sich mit dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzulegen. Andere Länder nahmen sich dies zum Vorbild, und heute gibt es Politiker, die davon sprechen, europäisches Recht sei nur „Sekundärrecht“. <BR /><BR />Die mühsam erkämpfte Schengen-Freiheit wird – angeblich provisorisch, aber mit einem sich verfestigenden Charakter – von mehreren Nationalstaaten unterminiert. Polens Premier Donald Tusk (67) verkündete gar, das international kodifizierte Asylrecht einfach aussetzen zu wollen. <BR /><BR />Schwierige politische Probleme brauchen angemessene politische Lösungen. Aber ohne klares Festhalten an der Idee einer verbindlichen europäischen Rechtsgemeinschaft wird das politische wie das wirtschaftliche Europa zunehmend unter einer Art Immunschwäche zu leiden haben.