In zahlreichen wichtigen Streitfragen wird es Kompromisse aber erst in neuen Spitzenrunden von CDU, CSU und FDP, die heute beginnen und bis Sonntag laufen sollen, geben. Die Koalitionsverhandlungen sollen bis Ende nächster Woche abgeschlossen sein. Gelingt dies, könnte CDU-Kanzlerin Angela Merkel am 28. Oktober im Bundestag zur Regierungschefin einer schwarz-gelben Regierung gewählt werden. Die vergangenen vier Jahre hatten die Unions-Parteien CDU und CSU zusammen mit der SPD regiert.CDU, CSU und FDP einigten sich am Donnerstag in Beratungen der gemeinsamen Arbeitsgruppen auf weitere Punkte eines künftigen Regierungsprogramms. So soll es künftig ein gesetzliches Verbot von sittenwidrig niedrigen Löhnen, aber keine landesweiten gesetzlichen Mindestlöhne geben. Die Unions-Parteien und die FDP verständigten sich prinzipiell auch auf eine Modifizierung des 2002 von einer rot-grünen Regierung gesetzlich festgelegten Atom-Ausstiegs. So sollen Atomkraftwerke, die als sicher gelten, länger Strom produzieren dürfen. Wichtigster Streitpunkt zwischen den künftigen Koalitionspartnern sind nach wie vor die geplanten Steuersenkungen in Milliardenhöhe.In einer Marathonsitzung will die Koalitionsarbeitsgruppe zum wichtigen Thema Gesundheit bis zum Freitag eine Einigung unter anderem in der strittigen Frage der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen erzielen. „Wir haben einen Verhandlungsmarathon vor uns, aber ich bin zuversichtlich, dass wir gut Strecke machen werden", sagte Unions-Verhandlungsführerin Ursula von der Leyen (CDU) am Donnerstagnachmittag zu Beginn der Sitzung. Auch FDP-Verhandlungsführer Philipp Rösler sagte: „Es wird hart und lange werden." Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) rechnete nach eigenen Worten ebenfalls mit „schwierigen" Gesprächen. Nach Angaben von Rösler ist es Ziel der Arbeitsgruppe, ein gemeinsames Papier zum Thema Gesundheit und Pflege zu erarbeiten und der sogenannten großen Koalitionsrunde unter Leitung der drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP vorzulegen. „Das heißt, wir sind verpflichtet dazu, für uns heute zu Ergebnissen zu kommen." Als strittigen Punkt nannten beide Seiten die Frage der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen. Die FDP will den dafür eingerichteten Gesundheitsfonds abschaffen, die Union weitgehend an ihm festhalten, die CSU Änderungen vornehmen.Die künftige Koalition hält zudem „an der Zielsetzung fest, die Lebensverhältnisse in Deutschland bis 2019 bundesweit weitgehend anzugleichen". Dies geht nach einem Bericht der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung" (Freitagsausgabe) aus dem Abschlusspapier der Arbeitsgruppe „Wirtschaft, Energie, Aufbau Ost" hervor, das der Zeitung vorliegt. Darin bekennt sich die Koalition „zur Einhaltung der Mittelzusagen aus dem Solidarpakt II". Sie will für Regionen, die ab 2014 aus der Höchstförderung der Europäischen Union herausfallen, „angemessene Übergangsregelungen" finden. Auch soll es eine „steuerliche Innovationsförderung mit spürbaren Förderpräferenzen für die strukturschwächeren Regionen und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland" geben, wobei diese Förderung auf den Solidarpakt II angerechnet werden soll, heißt es demnach.Nach der Arbeitsgruppe Integration konnte am Donnerstag auch die Arbeitsgruppe Außenpolitik ihren Verhandlungsteil zum Koalitionsvertrag abschließen. Die Unterhändler einigten sich unter anderem auf einen Kompromiss zum Thema Türkei. Demnach soll die Formulierung aus dem „alten" Koalitionsvertrag der Großen Koalition von Union und SPD von 2005 übernommen werden. Im damaligen Koalitionsvertrag hieß es, die Verhandlungen der EU mit der Türkei mit dem Ziel des Beitritts seien „ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt".Zu den weiter strittigen Fragen zählen nach Angaben aus FDP-Kreisen neben der Frage der Wehrpflicht auch einige Rüstungsprojekte, die Stationierung von Atomwaffen, die Zukunft der UN-Mission UNIFIL sowie der Anti-Terror-Einsatz OEF. Dies soll nun in der großen Runde besprochen werden, hieß es weiter.In der Steuer- und Finanzpolitik vertagten sich die Parteien am frühen Donnerstagmorgen ohne Einigung auf Freitag, wie der FDP-Verhandlungschef in der Finanz-Arbeitsgruppe, Hermann Otto Solms, erklärte. Er sprach dennoch von „Licht am Ende des Tunnels". Ein konkretes Entlastungsvolumen werde aber erst die große Koalitionsrunde beschließen.In der Innen- und Sicherheitspolitik gab es noch keine Kompromisse bei den strittigen Punkten BKA-Gesetz, Onlinedurchsuchung und Vorratsdatenspeicherung. Der FDP-Abgeordnete Max Stadler zeigte sich aber zuversichtlich, dass eine Einigung gelingt: „Die Chancen stehen 60 zu 40", sagte er. Die FDP erwarte, dass die Union nicht bei ihrer Ausgangsthese bleibt, dass alles von einer früheren Regierung Beschlossene als gegeben hingenommen werden muss.apa