Während die Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen in den Umfragen seit Monaten schwächelt, kann die FPÖ daraus keine Kapital schlagen. Im Gegenteil. Die Partei um Herbert Kickl zerlegt sich derzeit in aller Öffentlichkeit selbst und zeigt wieder einmal, dass ihr größter Gegner gerne sie selbst ist.<BR /><BR /><BR /> Die FPÖ, die zweimal in den letzten 2 Jahrzehnten auch Regierungsverantwortung trug und dabei hoffnungslos abstürzte – zuletzt nach der Ibiza-Affäre -, ist auch in der Opposition ein Zerrbild ihrer früheren Stärke. <BR /><BR /><BR />Fakt ist, in aller Kürze: Der frühere FPÖ-Abgeordnete und Intimus von Parteichef Herbert Kickl, Hans-Jörg Jenewein, hat am Wochenende mutmaßlich einen Suizidversuch verübt (und überlebt). Auf seinem Handy und Computer waren zuvor von Ermittlungsbehörden geheim aufgenommene Telefonate unter Freiheitlichen und ein Text für eine anonyme Anzeige gegen 13 Wiener Parteimitglieder gefunden worden, die später auch eingebracht wurde. <BR /><BR />Parteichef Kickl distanzierte sich umgehend von seinem best buddy („ein Mitarbeiter von vielen“), Jenewein wurde beurlaubt. Aber in den Medien und in Teilen der Partei wird der Verdacht kolportiert, dass das Vorgehen Jeneweins gegen die Wiener Partei-Teilorganisation nicht ohne Wissen Kickls erfolgt sein könne. Hintergrund: Die mächtige Wiener und oberösterreichische FPÖ sind extrem skeptisch gegenüber dem Radikalrabauken-Politkurs, den der frühere Redenschreiber des legendären Parteiübervaters Jörg Haider verfolgt; Kickl habe, so die Vermutung, die Wiener Führung unter Dominik Nepp beseitigen wollen, Jeneweins Schwester Dagmar Berlakovich, eine fanatische Coronamaßnahmen-Gegnerin (und Medizinerin), hätte übernehmen sollen.<BR /><BR />So weit, so kompliziert? Komplizierter ist nur noch der enge Kontakt Jeneweins zu jenem Verfassungsschützer (Egisto Ott), der für Russland spioniert, Staatsgeheimnisse verraten haben und den Wirecard-Betrüger Jan Marsalek mit nicht öffentlichen Informationen versorgt haben soll. Eine dubiose Gruppe um Ott soll auch das bei einem Bootsausflug ins Wasser gefallene Handy eines ÖVP-Kabinettschefs ausgewertet und die Chats verhökert haben, die der Regierungspartei im Korruptions-U-Ausschuss um die Ohren fliegen.<BR /><BR /> Für Parteichef Kickl ist das alles nur „politische Drecksarbeit gegen die FPÖ“, an der die Medien schuld seien: „Es gibt Mutmaßungen, Untersuchungen, Schuldzuweisungen, Unwahrheiten. Das wird als Information untergejubelt“, sagte er in einer Facebook-Botschaft zur Causa. <BR /><BR />Aber einstweilen ungenannte FPÖ-Granden fordern Aufklärung über die Anzeige auf dem Jenewein-Handy (es geht um die Abzweigung von Parteigeldern in der FPÖ Wien) und was Kickl davon wusste oder nicht. Einige Landesobleute verweigerten angeblich eine vom Parteichef geforderte Solidaritätsadresse.<BR /><BR />Seit Juni vergangenen Jahres ist der scharfzüngige ehemalige Innenminister, der seit seinem Ausscheiden eine Rechnung mit der ÖVP offen hat, Parteiobmann. Er stammt, anders als viele Entscheidungsträger bei den Freiheitlichen, nicht aus dem Burschenschafts-Lager. <BR /><BR />Sprüche wie „Daham statt Islam“ (Zuhause statt Islam) machten ihn berühmt und zum Partei-„Intellektuellen“. Aber seine in Corona-Zeiten überzeichnete Radikalopposition ist manchen in der Partei ein Dorn im Auge. Zumal die FPÖ, die einmal in lichten 25-Prozent-Höhen und mehr schwebte, nach ihrem Ibiza-Absturz gerade einmal wieder auf 20 Prozent kletterte.