<BR /><i>Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (Midas) wurde 2001 gegründet. 28 Tageszeitungen aus 12 Staaten gehören Midas an. Ziel ist, gemeinsam Strategien zu entwerfen und die Zusammenarbeit beim Austausch von Informationen, bei Druck und Marketing zu fördern. Das folgende Interview stammt von Hatto Schmidt für Midas.<BR /></i><h3> Interview mit Midas-Gründungsmitglied Toni Ebner</h3><b>Das drohende Verbot öffentlicher Beiträge für private Unternehmen, das die Europäische Union Mitte der 1990-er Jahre diskutierte und das auch Minderheiten-Tageszeitungen betroffen hätte, war Anlass zur Gründung der Midas. Waren Sie damals schon dabei?</b><BR />Toni Ebner: Ja. Die Idee, dass man sich treffen solle, ging von Bojan Brezigar aus. Er hat 1998 in Triest eine Tagung organisiert, bei der Vertreter einiger Medien zusammentrafen und über die Probleme von Minderheiten-Tageszeitungen diskutiert wurde, auch über die Förderung in Italien. Dort hat man gesagt, eigentlich würde es Sinn machen, wenn wir uns öfters treffen, weil wir gemeinsam etwas erreichen können. In Triest wurde damals die Idee geboren.<BR /><BR /><BR /><b>Ziele der Midas waren Lobbying in Brüssel, Ideenaustausch, Zusammenarbeit und auch das Bemühen, die Anerkennung von Minderheitenanliegen und Medien bei internationalen Organisationen zu fördern. War Midas dabei erfolgreich?</b><BR />Ebner: Ganz wichtig war auch die gegenseitige Hilfe. Ja, Midas war sehr erfolgreich. Wenn eine Tageszeitung ein Problem hat, das sie vorbringt, dann hat das schon ein gewisses Gewicht. Wenn aber alle gemeinsam in einer Vereinigung das Problem vorbringen, dann sind das Millionen Stimmen, die da zusammenkommen, denn die Minderheiten-Tageszeitungen miteinander haben ein Millionenpublikum. Das hat auf europäischer Ebene große Bedeutung. Wir wurden in Brüssel gehört, wurden aber, wenn es Probleme gegeben hat bei einzelnen Minderheiten, auch im jeweiligen Nationalstaat gehört. <BR /><BR /><BR /><b>Ein Beispiel ist der Skandal von 2003 mit der Schließung von „Egunkaria“ im Baskenland.</b><BR />Ebner: „Egunkaria“ alleine hätte sicher nichts gegen die Beschlagnahme der Zeitung, das Einsperren und das Foltern der Mitarbeiter tun können. Den Mehrheits-Zeitungen war das alles – wenn überhaupt – eine Randnotiz wert. Aber dann haben wir das aufgegriffen. Jede Midas-Mitgliedszeitung hat dem spanischen Botschafter im jeweiligen Staat ein Protestschreiben geschickt. Die „Dolomiten“ haben auch die spanischen Botschafter in Wien und in Berlin angeschrieben. <BR /><BR />Jeder hat die Presseagenturen informiert, wir haben die italienische ANSA informiert, die österreichische APA und die deutsche dpa. Dadurch ist eine kritische Masse entstanden und der Skandal wurde zu einem Ereignis. Alle Medien haben dann berichtet, denn wir haben auch allen Chefredakteuren der großen überregionalen Zeitungen geschrieben. Ich habe die italienischen, österreichischen und deutschen Chefredakteure angeschrieben. So ist auf einmal die ganze Geschichte explodiert und es wurde Druck auf Spanien ausgeübt. <BR /><BR />Das hat sicherlich bewirkt, dass das Vorgehen der spanischen Behörden letztendlich ein Schlag ins Wasser war. Die Gerichtsverfahren sind alle im Sand verlaufen. Aber geblieben ist, dass die Leute, die den Chefredakteur gefoltert haben, die den Verwaltungsleiter gefoltert haben, die die Mitarbeiter geschlagen haben, nie belangt wurden, und ich glaube, die Beschlagnahmung der Zeitung ist immer noch nicht aufgehoben. Das ist in Europa passiert; da kann man sich vorstellen, was in anderen Ländern geschieht.<BR /><BR /><BR /><b>Es gab noch weitere Beispiele, als etwa „La Voce del Popolo“, die italienische Tageszeitung in Kroatien, in Schwierigkeiten geriet.</b><BR />Ebner: Ja, da war Midas imstande, das drohende Aus verhindern. Da hat der damalige Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder sehr stark geholfen. Bei der Privatisierung von „La Voce del Popolo“ waren große wirtschaftliche Probleme zutage getreten. Sie waren nicht gewohnt, als Verlag wirtschaftlich zu arbeiten, weil sie zuvor von Beiträgen des Staates gelebt hatten. Als die Privatisierung kam, war die Krise groß.<BR /><BR /> Wir haben uns bemüht, beim italienischen Minister für die Auslandsitaliener zu intervenieren und zu schauen, ob er helfen kann. Da haben wir wir aber folgende Antwort bekommen: „Den Italiener in Istrien gebe ich nichts, denn die Guten sind nach dem Krieg geflohen und jene, die dort geblieben sind, sind Kommunisten.“ Ich bin dann zu Durnwalder gegangen und habe ihn gefragt: „Luis, was würdest du sagen, wenn die deutsche Minderheit auf italienischem Staatsgebiet der italienischen Minderheit in Kroatien helfen würde?“ „Machen wir sofort“, hat er geantwortet und unbürokratisch einen ansehnlichen Betrag freigeschaufelt. Dadurch ist „La Voce del Popolo“ gerettet worden.<BR /><BR /><BR /><b>Die Idee zum Otto-von-Habsburg-Preis hatten Sie. Hat er Midas mehr Sichtbarkeit gebracht?</b><BR />Ebner: Ja, auf alle Fälle, denn Otto Habsburg ist ein Synonym für Europa. Er hat sich schon für die Einigung Europas eingesetzt, als in Europa noch der Zweite Weltkrieg tobte. Da hat er schon die ersten Papiere verfasst und Vorschläge ausgearbeitet. Otto Habsburg ist ein Testimonial für die europäische Idee, wie es wahrscheinlich außer Robert Schuman nur wenige andere gibt. Und Otto Habsburg war ja nicht nur Europäer, sondern auch zeitlebens Journalist.<BR /><BR /> Er hat nicht nur Bücher geschrieben, sondern auch Zeitungsartikel, Kommentare und Essays. Er war ein ausgezeichneter Schreiber. Da sind genau die beiden Elemente zusammengekommen, die für Midas Sinn machen. Und für viele Europäer – egal welcher politischer Couleur – ist Otto Habsburg ein Vorbild: Er hat Anhänger von den Konservativen bis hin zu den Grünen. Deswegen war er die ideale Persönlichkeit. Er selbst war begeistert von diesem Preis. Er ist auch nicht nur zum Repräsentieren gekommen, sondern jedes Mal, wenn er an einem Kongress teilnahm, hat er nicht nur den Preis übergeben, sondern sich auch eingebracht.<BR /><BR /> Er war der Auffassung, dass die Vereinigung der Europäischen Minderheitentageszeitungen eine ganz wichtige Aufgabe hat, denn sie erreichen die Menschen und können als Multiplikatoren viel für die europäische Idee bewegen.<BR /><BR /><b><BR />Otto von Habsburg war sehr beliebt; er wurde beim Midas-Kongress 2007 in Kolozsvar/Klausenburg von Menschen umlagert und hielt praktisch Hof.</b><BR />Ebner: Und wie er von den einfachen Leuten verehrt wurde! Ich kann mich erinnern, wie er mit einer Kutsche durch ein Dorf gefahren wurde. Die Frauen haben einen Knicks gemacht und die Männer zogen den Hut. Es war schon beeindruckend, welche Stellenwert er noch gehabt hat, obwohl er nie ein Amt bekleidet hat, das seiner Geburt gerecht geworden wäre. <BR /><BR /><BR /><b>Ist Ihnen noch anderes in Erinnerung geblieben?</b><BR />Ebner: Zum Beispiel die Kontakte zur EU-Kommission. Ich erinnere mich, dass einer, von dem man immer gesagt hat, er wäre gegen die Minderheiten, von allen, die wir getroffen haben von der EU-Kommission, jener war, der sich am meisten für uns eingesetzt hat. Das war Franco Frattini, der vorherige italienische Außenminister. Ihm hat man immer nachgesagt, er sei ein Nationalist, er habe etwas gegen die Südtiroler und so weiter. Aber de facto war er der einzige, der sich massiv für Midas eingesetzt und uns viele Türen und Tore geöffnet hat.<BR /><BR /><b><BR />Die Leser klassischer Printmedien werden immer älter, die Jüngeren lesen keine klassischen Medien, die Kosten steigen, vom Papier bis zum Personal, die Zustellung wird immer schwieriger, Online wird immer stärker, weshalb die „Dolomiten“ vor einem Jahr den Grundsatz „Online first“ verkündet haben. Aber wie man mit Online-Journalismus das nötige Geld verdient, das hat noch niemand herausgefunden. Gibt es überhaupt eine Zukunft für seriösen Journalismus?</b><BR />Ebner: Die gibt es schon. Und dass die jungen Leute nicht Print lesen, stelle ich in Abrede. Wir können es am Beispiel der „Dolomiten“ feststellen: Bei der letzten Medienanalyse im Jahr 2024 hatten wir 90.000 tägliche Leser unter 25 Jahren. Es gibt diese jungen Leser. Man muss nur ihnen das bieten, was sie interessiert. <BR /><BR /><BR /><b>Das wäre?</b><BR />Ebner: Bei den „Dolomiten“ ist es sehr wahrscheinlich die Sportberichterstattung. Wir haben sehr viele Sportvereine in Südtirol, sehr viele Sportbegeisterte und Sport Treibende. Die wollen sich in der Zeitung wiederfinden, in Form von Ergebnissen, von Spielberichten, von Fotos und allem, was dazugehört. Und der zweite Punkt, der eine große Rolle spielt, ist das Ehrenamt.<BR /><BR /> Die „Dolomiten“ haben immer ganz massiv den Feuerwehren, Musikkapellen, Theatergruppen, den Schützen und den Chören breiten Raum gegeben. Auch da sind die jungen Leute dabei, da finden sie sich wieder. Und wenn sich der Leser in der Zeitung wiederfindet, dann schaut er hinein und liest sie. Wir haben natürlich eine starke Konkurrenz durch Online, aber Online muss man nutzen. Ich traue mich zu behaupten, dass unsere Artikel noch nie so viele Leser hatten wie jetzt, weil wir einmal in Print, einmal im E-Paper und einmal in Online editieren. <BR /><BR /><BR /><b>Und wie verdient man mit Journalismus Geld?</b><BR />Ebner: Wir haben im skandinavischen Modell eine Lösung gefunden. Es besagt, dass man nichts anderes tun muss, als guten Journalismus zu betreiben, bei dem der Mensch und das, was den Menschen interessiert, im Mittelpunkt steht. Das ist ja die Ur-Aufgabe des Journalismus: Das zu schreiben, was den Leser interessiert, nicht was uns selbst oder die Kollegen interessiert. Dafür ist der Leser bereit, Geld auszugeben.<BR /><BR /> Und da sind viele Bereiche dabei, die man berücksichtigen muss: Man muss die jungen Familien berücksichtigen, und man muss berücksichtigen, dass sich die Gesellschaft geändert hat: Wir haben sehr viele Einzelhaushalte. Wir haben eine ältere Generation, die man berücksichtigen muss. Es gibt viele Patchwork-Familien und alles, was dazugehört. All dem muss man Rechnung tragen. Wenn man das tut, das beweisen die skandinavischen Medien, dann hat man Erfolg. In Print und in Online. Aber wenn man das nicht sofort umsetzt und investiert, um das umzusetzen, dann besteht die Gefahr, dass man den Zug versäumt, und wenn der einmal abgefahren ist, dann ist es aus.<BR /><BR /><BR /><b>Der Weg weist in Richtung Online, gerade bei Minderheitentageszeitungen, die ja meist in entlegenen Gebieten liegen. Der „Nordschleswiger“ hat vor gut zwei Jahren von Print auf Online umgestellt, und Anfang dieses Jahres haben das auch zwei ungarische Zeitungen in Siebenbürgen getan. Sollte oder muss Midas in Zukunft mehr auf Online-Medien setzen?</b><BR />Ebner: Midas muss mit der Zeit gehen. Die Zeiten haben sich geändert, es gibt nicht mehr nur die klassische Print-Tageszeitung, sondern auch andere Möglichkeiten, zu editieren. Dem muss man Rechnung tragen, da sollte man flexibel sein. Man muss aber eine klare Richtlinie h. Warum haben wir eine Vereinigung der Europäischen Tageszeitungen gegründet und nicht Wochenzeitungen mit aufgenommen?<BR /><BR /> Aus einem einfachen Grund: Wenn eine Minderheit imstande ist, eine Tageszeitung auf die Beine zu stellen, dann hat sie eine gewisse Größe und eine Organisationsstruktur auf einem gewissen Niveau, die beständig ist und garantiert, dass die jeweilige Minderheit sich täglich mit der eigenen Sprache und mit der eigenen Kultur auseinandersetzt. Das ist das Ausschlaggebende. Welche Art Medium das ist, das ist im Prinzip unwichtig. Das kann Radio sein, Fernsehen oder Print, das kann aber auch Online sein.