Am Montag wurde Gänswein (66) von Papst Franziskus (86) zu einer Privataudienz empfangen. Der Inhalt des Gesprächs wurde nicht kommuniziert, gut informierte römische Medien berichteten jedoch, dass Franziskus den deutschen Erzbischof zu „Diskretion“ aufgerufen habe. „Jetzt muss ich schweigen“, heißt es in einem Zitat des „Corriere della Sera“, der sich auf Quellen aus dem engen Umfeld von Gänswein beruft. <BR /><BR />Franziskus sei wegen Auszügen aus einem morgen (Donnerstag) erscheinenden Buch mit dem Titel „Nient'altro che la verita“ (Nichts anderes als die Wahrheit) „verbittert“, in dem Gänswein seine Wahrheit über die Manöver darlegt, die während des Pontifikats gegen Benedikt XVI. in Gang gesetzt wurden. <BR /><BR />Gänswein scheut sich nicht davor, seine Wahrheit in einem Buch zu enthüllen, das bereits vor der Veröffentlichung für erhebliches Aufsehen sorgte. Denn Gänsweins Stellungnahmen könnten zu weiteren Konflikten mit Franziskus führen. In dem im italienischen Verlag Piemme am 12. Jänner erscheinenden Buch, das Gänswein mit dem Vatikan-Experten Salvatore Gaeta verfasst hat, erklärt er sich etwa „schockiert und sprachlos“ über den vom amtierenden Papst Franziskus 2020 ergriffenen Beschluss, ihn vom Posten des Leiters der Präfektur des Päpstlichen Hauses zu entlassen.<BR /><BR />Gänswein war in Ungnade gefallen, als Mitte Jänner 2020 ein Buch des traditionalistischen Kardinals Robert Sarah aus Guinea veröffentlicht wurde, das als gemeinsames Werk mit Benedikt gedruckt wurde. Darin verwarfen beide die Forderungen der Amazonassynode und forderten ein standhaftes Festhalten am Zölibat. Es hatte den Anschein Gänswein, als wolle Benedikt kurz vor einer Schlüsselentscheidung im Pontifikat von Franziskus über das Buch Druck auf seinen Nachfolger ausüben. Nach heftiger Kritik entzog Gänswein Kardinal Sarah die Erlaubnis, das Buch mit dem Namen Benedikts zu verbreiten.<h3>Nun brodelt die Gerüchteküche</h3>Deutlich wurde, dass Franziskus sich ziemlich geärgert haben musste - er beurlaubte Gänswein kurz danach als Präfekten des Päpstlichen Hauses und gab ihm die Anweisung, sich künftig ausschließlich um Benedikt zu kümmern. Die Beurlaubung gilt nach wie vor, die Stelle wurde aber bisher nicht nachbesetzt. Im Buch berichtet Gänswein laut vorab veröffentlichter Passagen auch über den „Schmerz“, den Benedikt wegen Franziskus´ Beschluss empfunden hatte, seinen Erlass zur Latein-Messe rückgängig zu machen. Er berichtet ebenfalls über angebliche Divergenzen zwischen dem Emeritus und seinem Nachfolger über die heikle Gender-Frage. Nun brodelt die Gerüchteküche. Laut Insidern könnten Gänsweins Tage im Vatikan gezählt sein. Er könnte Rom verlassen und ein Leben außerhalb der Vatikan-Mauern verbringen. So könnte er sich in die mittelitalienische Stadt Urbisaglia zurückziehen, wo er sein Titularbistum hat. Gänswein trägt wie alle Bischöfe an der römischen Kurie den Bischofstitel, ohne eine Diözese als Ortsbischof zu leiten. Er ist seit 2012 Titularerzbischof der untergegangenen antiken Stadt Urbs Salvia, dem heutigen Urbisaglia in der Adria-Region Marche.<h3>Vatikan oder Ausland?</h3>Auch über eine Rückkehr nach Deutschland, wo noch einige Mitglieder seiner Familie leben, wird spekuliert. In Bamberg und Paderborn werden derzeit noch Bischöfe gesucht. Rein dienstrechtlich ist Gänswein übrigens nach wie vor Priester der deutschen Erzdiözese Freiburg, wo er 1984 geweiht wurde. Andere Stimmen aus dem Vatikan halten es dagegen für möglich, dass er in Rom bleiben und an der Kurie eine andere Stelle bekommen könnte. In den Augen mancher wäre das eine bessere Besetzung für den theologieaffinen Kurienerzbischof als ein Bischofsamt in Deutschland.<BR /><BR />Franziskus könnte Gänswein aber auch im Vatikan behalten, um nicht zusätzliche Spannungen mit den Konservativen zu nähren, die mit Benedikt und seinem Privatsekretär eng verbunden waren. Eine Rückkehr zum noch vakanten Posten des Präfekten des Päpstlichen Hauses wird ausgeschlossen, da Gänswein als vatikanischer Protokollchef Franziskus zu nahe stehen würde. Dass der in Riedern am Wald geborene Gänswein in den frühen Ruhestand gehen könnte, gilt ebenfalls als sehr unwahrscheinlich. Mit 66 Jahren wäre er zu jung für den erzbischöflichen Ruhestand, der in der Regel erst mit 75 Jahren eintritt. Eine passende Lösung für Gänswein könnte aber auch eine Zukunft als Apostolischer Nuntius sein. Er würde somit weiterhin im Dienst des Vatikans stehen, ohne jedoch in Rom zu verweilen. Für den polyglotten Gänswein wäre ein Posten in Europa oder auf dem amerikanischen Kontinent die ideale Lösung, versichern Vatikan-Experten. <BR /><BR />