von Bernd Posselt <BR /><BR />Nach der Französischen Revolution wäre dies unmöglich gewesen, denn die zentralistischen Jakobiner entrissen sogar elsässische Kinder ihren Eltern und steckten sie in innerfranzösische Familien, damit sie in der „republikanischen Sprache“, also Französisch, aufwuchsen. <BR /><BR />Heute noch tut sich die „eine und unteilbare Republik“ extrem schwer mit der sprachlichen Vielfalt. Als unter Präsident Nicolas Sarkozy die Regionalsprachen mit vollen Rechten in die Verfassung aufgenommen werden sollten, legte sich zuerst das reaktionärste Organ dieses EU-Staates, nämlich der aus sehr jakobinisch orientierten Politikern und Juristen bestehende Staatsrat, quer. Immerhin blieb die Formel übrig, wonach die Regionalsprachen Teil des kulturellen Erbes seien. Immer mehr zweisprachige Ortsschilder und positive kulturelle Maßnahmen waren die erfreuliche Folge. <BR /><BR />Jetzt ist ein ähnlicher Streit entbrannt: Korsika soll eine gewisse Autonomie erhalten – und schon wieder protestiert der Staatsrat heftig. Er wird dabei von starken Kräften in Regierung und Opposition unterstützt, obwohl Präsident Emmanuel Macron sich für die entsprechende Verfassungsänderung offen zeigte.<BR /><BR />Die Kritiker des Vorschlages berufen sich allerdings auf das in Frankreich heilige Gleichheitsprinzip und zudem ausgerechnet auf das Diskriminierungsverbot in Artikel 18 des EU-Vertrages. Nicht die Unterdrückung der korsischen Kultur ist dieser egalitären Strömung zufolge Diskriminierung, sondern deren Pflege. <BR /><BR />Dabei spricht der Lissabon-Vertrag von 2007 sowohl von „Rechten der Personen, die Minderheiten angehören“, als auch davon, daß die EU „den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt“ wahrt, indem sie „für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas“ sorgt.