„Der bürokratische Aufwand ist der reinste Wahnsinn geworden“, berichtet Dr. Astrid Marsoner, Hausärztin in Niederdorf. <BR /><BR />Für Südtirol sind insgesamt 352 Hausarztstellen vorgesehen. Davon waren – mit Stand 30. September – 277 Stellen definitiv und weitere 27 Stellen provisorisch vergeben. Provisorisch vergeben bedeutet, dass diese Ärzte nicht zur Gänze die Voraussetzungen erfüllen – und beispielsweise die Zweisprachigkeitsprüfung nicht vorweisen können. 48 Stellen waren Ende September frei.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1109994_image" /></div> <BR /><BR />Aber: „In letzter Zeit haben mehrere Hausärzte, darunter auch junge, die Konvention zurückgelegt“, bestätigt Dr. Adolf Engl, Vorsitzender des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health. Das deute auf Unzufriedenheit und auf Überlastung hin. Der Druck auf die Hausärzte sei gestiegen – vor allem wegen der Bürokratie, aber auch wegen des starken Patientenzulaufs und der sehr langen Wartezeiten für die Patienten bei den Fachärzten in den Krankenhäusern. Dies würden Hausärzte ihm berichten. Die freien Hausarztstellen seien zurzeit nicht auffüllbar.<BR /><BR />In Bozen haben vor kurzem 3 junge Hausärzte aufgegeben – und über 3000 Patienten müssen deshalb einen Basisarzt neu wählen. In Brixen mussten heuer nicht wenige Patienten sogar zweimal innerhalb eines Jahres einen neuen Hausarzt suchen – weil gleich 2 Hausärzte derselben Gemeinschaftspraxis nicht mehr praktizieren bzw. nur noch kurze Zeit zur Verfügung stehen. Und ein weiterer Hausarzt in Brixen wird ebenfalls bald aussteigen – aber nicht, um in Pension zu gehen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1109997_image" /></div> <BR /><BR />Dr. Marsoner betont: „Hausarzt ist zwar ein sehr schöner und vielseitiger Beruf, weil das Verhältnis zum Patienten umfassend ist: Wir begleiten ihn in allen Lebenslagen. Aber über die Rahmenbedingungen müssen wir uns Gedanken machen. Da gibt es Stellschrauben, an denen man drehen muss und drehen kann.“ Die Aufgaben und Herausforderungen für die Hausärzte seien immer größer geworden. Auch der finanzielle Aufwand werde immer größer – für Praxismiete und -einrichtung, Personalkosten, diagnostische Geräte wie EKG und Ultraschall, sowie Kosten für Computer und Software. Mit den steigenden Kosten halte die Bezahlung der Hausärzte aber nicht Schritt. Es gebe zwar Zuwendungen in Form von Projekten, diese würden aber nicht in die Pensionsberechnung einfließen. „Finanziell hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aber nichts getan“, bemängelt Marsoner. Lediglich ein Inflationsausgleich sei heuer erstmals wieder rückwirkend gezahlt worden. Sonderleistungen werden viel zu gering vergütet wie etwa kleinchirurgische Eingriffe – oder gar nicht vergütet wie EKG und Ultraschall. Der bürokratische Aufwand sei inzwischen „verrückt“. Und andere Hausärzte berichten dasselbe: Ständig neue Programme verlangen den Ärzten immer mehr Zeit und viel Ärger und Energie ab. Die eigentliche Patientenversorgung leidet. So mancher angehender Hausarzt wird davon abgeschreckt – und steigt frühzeitig aus. Dr. Marsoner berichtet von mehreren jungen Kollegen, die zwar Hausärzte werden wollten, „dann aber in die Facharztausbildungen abgewandert sind“. <BR />Ein Blick auf die freien Hausarztstellen zeigt: Am meisten Hausärzte gesucht werden im Bezirk Bozen (21), gefolgt von Meran (11), Brixen (9) und Bruneck (6). Landesrat Dr. Hubert Messner weist darauf hin, dass die Landesregierung zuletzt 30 neue Ausbildungsplätze für den Zeitraum 2025-28 freigegeben habe, für die derzeit die Bewerbungen laufen.Um die Attraktivität des Hausarztberufes zu steigern, habe man auch mit einem Stipendium die finanzielle Unterstützung für auszubildende Hausärzte ausgeweitet.