Nicht ohne hinzuzufügen, dass er sich die Entscheidung „nicht leicht gemacht“ habe. <b>von Andreas Schwarz</b><BR /><BR />Denn seit dem Wochenende ist in Österreich alles anders. Fast 100 Tage nach der Parlamentswahl, bei der die FPÖ Erster wurde und die anderen Parteien jede Zusammenarbeit mit dem Wahlsieger verweigerten, platzten die Koalitionsgespräche zur „Zuckerl-Koalition“ aus ÖVP (türkis), SPÖ (rot) und NEOS (pink). Als Erstes warfen die liberalen Pinken unter Beate Meinl-Reisinger (46) hin, einen Tag später auch Kanzler und Türkisen-Chef Karl Nehammer (52): Sie waren an den roten Sozialdemokraten des Altmarxisten Andreas Babler (51) und dessen Reformunwilligkeit (Pensionen, Einsparungen) zerschellt, mit ihm sei kein Staat zu machen. <BR /><BR />Auch wenn Babler nun versucht, die Schuld am Scheitern den beiden anderen Parteien zuzuschieben und vor einem „rechtsextremen Kanzler“ warnt – den SPÖ-Chef, der seine Partei auf ihren historischen Tiefstand geführt hat und der nun auch die Regierungsverhandlungen vergeigt hat, nimmt wahrscheinlich nicht einmal in seiner Partei noch irgendjemand wirklich ernst<BR /><BR />Nehammer zog die Konsequenz aus dem Scheitern und kündigte seinen Rücktritt als Kanzler und ÖVP-Parteichef an. Eine bewundernswerte Geradlinigkeit, denn der Kanzler hatte immer eine Zusammenarbeit mit dem politischen Brunnenvergifter und Politrabauken Herbert Kickl ausgeschlossen; nun, da die Stimmen in seiner Partei immer lauter wurden, es doch als Juniorpartner mit den Freiheitlichen zu versuchen, blieb Nehammer bei seinem „Nicht mit mir“.<h3> Schnellverfahren: Stocker wird Interimsparteichef</h3>Im Schnellverfahren machte die Volkspartei am Sonntag ihren Generalsekretär Christian Stocker (64) zum Interimsparteichef – aber der bullige Niederösterreicher machte gleich klar, gekommen zu sein, um zu bleiben. Und sprach: „Ich begrüße die Entscheidung des Bundespräsidenten, den Obmann der FPÖ am Montag in der Hofburg zu treffen. Ich erwarte mir, dass er als Obmann der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung betraut wird.“ Und er fügte hinzu: „Wenn wir zu Gesprächen eingeladen werden, werden wir dieser Einladung folgen.“ Das sei nämlich im Parteivorstand so beschlossen worden. <BR /><BR />Diese Ansage des neuen ÖVP-Chefs ist insofern bemerkenswert, als Stocker als Generalsekretär einer der schärfsten Kritiker von FPÖ-Parteichef Herbert Kickl war: „Herr Kickl, es will Sie niemand in diesem Haus. Auch in dieser Republik braucht Sie keiner“, sagte Stocker erst kürzlich im Parlament. Aber nun sei die Situation eben eine andere.<BR /><BR />Auch für den Bundespräsidenten ist die Situation eine andere: Mit dem Argument, dass niemand mit Kickl wolle, hatte der ehemalige Grüne Van der Bellen nach der Wahl im September ja den Regierungsbildungsauftrag an seinen politischen Intimfeind Kickl verweigert und ihn dem Zweiten, der ÖVP Karl Nehammers, erteilt. Für viele Beobachter ein kapitaler Fehler: Selbst die ÖVP und die SPÖ hatten dafür plädiert, Kickl zu beauftragen (wissend, dass er ohnehin keine Regierung zustande bringen würde); so aber konnte sich der FPÖ-Chef als Märtyrer stilisieren, der übergangen wurde – und nun in Umfragen schon bei 38 Prozent liegt (Wahl September: 28 Prozent).<BR /><BR />Mithin will nun niemand Neuwahlen – außer vielleicht dem FPÖ-Chef, der nun einmal schauen wird, wie weit er in Gesprächen mit der Volkspartei kommt. In einer ersten Stellungnahme am Sonntag hielt Kickl sich noch bedeckt: „Uns trifft keine Verantwortung für verlorene Zeit, für chaotische Zustände und den enormen Vertrauensschaden, der entstanden ist.“ Die FPÖ halte er für den „einzig stabilen Faktor der österreichischen Innenpolitik“.<BR /><BR />In der ÖVP haben schon nach der Wahl vor allem Vertreter der Wirtschaft und Industrie gemeint, die Schnittmengen mit den Freiheitlichen seien deutlich größer als die mit den Sozialdemokraten. In Fragen Wirtschaft, Sparkurs (notwendig durchs Budgetdefizit von mehr als 4 Prozent und das drohende Defizitverfahren der EU), keine neue Steuern, eingeschränkte Sozialleistungen für Zuwanderer und überhaupt Asyl sind die Programme der Parteien stellungsweise deckungsgleich. In 5 Bundesländern regiert die ÖVP mit der FPÖ. Nur mit Herbert Kickl konnten sich die Regierenden in der ÖVP nie anfreunden.<h3> Kurz-Rückkehr ist nur Spekulation</h3>Interessant ist auch die Spekulation (einiger) Medien seit Tagen, Sebastian Kurz, (38) ÖVP-Wunderwuzzi und mit kurzer Unterbrechung Kanzler von 2017 bis 2021, würde zurückkehren und die ÖVP aus ihrem Dilemma befreien – entweder als Parteichef und Vizekanzler in einer Blau-türkisen Koalition, oder als ÖVP-Chef, der seine Partei in Neuwahlen und zu einem neuerlichen Sieg führt. Kurz hat diesen Spekulationen am Wochenende – erwartungsgemäß – eine Absage erteilt. Er würde nicht unter jenem Herbert Kickl den Vizekanzler abgeben, den er 2019 als Innenminister nach der Ibiza-Affäre schasste (und der seither Rachegelüste hegt); und weil er inzwischen als Unternehmer mit einer Cyber-Security-Firma und anderer Firmen Millionengewinne macht.