Der SPÖ-Politiker hat in der Landesregierung auch das Thema Migration/Integration übernommen – ganz bewusst, wie er betont. In der Flüchtlingspolitik dürfe man aber nicht weiterhin falsche Signale senden, meint Dornauer. <BR /><BR /><b>Neben der hohen Inflation ist das Thema leistbares Wohnen ein politisches Dauerthema. Warum ist Wohnen im Bundesland Tirol so teuer?</b><BR />Georg Dornauer: Wir haben in Tirol das Faktum, dass wir nur 12,3 Prozent besiedelbare Flächen haben. Tatsache ist aber auch, dass wir viel gewidmetes Bauland haben, dieses aber nicht bebaut ist. Letztlich gibt es 3 Hauptpreistreiber. Leistbares Wohnen definiert sich, wie günstig ist Grund und Boden, wie sieht es mit tatsächlichen Baukosten aus und drittens wie entwickelt sich die europäische Zinspolitik.<BR /><BR /><b>Welche Schritte kann die Tiroler Landespolitik machen?</b><BR />Dornauer: Für günstigen Grund und Boden braucht es das Zusammenspiel von Gemeinde und Landesregierung. Wir haben jetzt mit der Vertragsraumordnung den richtigen Schritt gesetzt. Wir müssen die Grundeigentümer bewegen, dass sie leistbare Grundstücke zur Verfügung stellen. Nur wenn wir leistbare Grundstücke haben, wird es über den vom Land Tirol geförderten Wohnbau möglich sein, dass wir langfristig für junge Familien leistbares Wohnen umsetzen können. Was nützt uns die schönste Heimat, wenn sich junge Tirolerinnen und Tiroler das Wohnen nicht mehr leisten können. <BR /><BR /><b>Hat die Landespolitik hier in der Vergangenheit Fehler gemacht, dass die Wohnkosten derart explodiert sind?</b><BR />Dornauer: Vor 2, 3 Jahrzehnten haben hauptsächlich die ÖVP-dominierten Gemeinden auf Teufel komm raus Bauland gewidmet. Das hat sicher keinen spekulativen Ansatz gehabt, sondern man hat sich bei der Widmung nach der Marktorientierung gerichtet. Der Zweck vom Bauland wurde aber nicht seiner Widmung zugeführt. Seit 2008, 2009 ist im Zuge der Finanzkrise von unseren Nachbarn im Süden und Norden bei uns in das sogenannte „Betongold“ investiert worden. Da sind die Grundeigentümer hellhörig geworden, und die Nachfrage ist nochmals gestiegen. Zudem sind private Bauträger auf den Markt getreten und haben sich überboten und Grundeigentümer haben gesagt: Ich verkaufe nicht, weil ich das Geld derzeit nicht brauche. Dadurch wurde Grund und Boden zum Spekulationsobjekt. Dieser Spekulation ist mit allen verfassungsrechtlich legitimierten Mitteln Einhalt zu bieten. Es darf moralisch nicht mehr opportun sein, mit Grund und Spekulation zu betreiben.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="901184_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wie kommt man aus dieser Preisspirale heraus?</b><BR />Dornauer: Wir denken, dass sich die privaten Bauträger selbst überdrippelt haben, weil sie sich auf diese Preistreiberei eingelassen haben. Wenn die Leistbarkeit nicht mehr gegeben ist, dann finden sich keine Käufer mehr und dann regelt sich der Markt. Es bedarf zudem eines Zusammenspiels der Gemeinden und von restriktiven Landesregelungen, dann bekommen wir das in den Griff. Wir brauchen zudem neue Wohnformen. Wir müssen bestehende Bausubstanzen verdichten, vorhandene Leerstände aktivieren und ältere Gebäude revitalisieren. Wir müssen aber auch darüber nachdenken, wie können wir generationenübergreifenden Wohnraum schaffen.<BR /><BR /><b>Der Frust bei der jungen Generation ist sehr groß. Wie sehen Sie das?</b><BR />Dornauer: Bei meinen Veranstaltungen werde ich immer auf dieses Problem der Leistbarkeit des Wohnen angesprochen. Das Problem beschäftigt auch Eltern und Großeltern, hat also eine gesellschaftspolitische Dimension erreicht. Wenn das Eigentum in weite Ferne rückt, dann geht das mit einer endenwollenden Leistungsbereitschaft einher. Junge Menschen arrangieren sich mit einer 30 Stunden Arbeitswoche, weil sie das Eigenheim ohnedies nicht schaffen. Das ist eine gefährliche Spirale.<BR /><BR /><b>Im Bezirk Kitzbühel wandern viele junge Familien aus, weil sie keine leistbare Wohnung finden. Wie wollen Sie dieser Entwicklung begegnen?</b><BR />Dornauer: Dem können wir nur durch Bewusstseinsbildung begegnen. Grundeigentümer, Bauträger und alle politisch Verantwortlichen müssen erkennen, dass dieses Thema eine gesellschaftspolitische Dimension erreicht hat und nochmals: Es darf nicht mehr mit diesen Gütern spekuliert werden. Es schadet unserem Land und unserer Volkswirtschaft, wenn uns junge Leute abhanden kommen und sie in Lebensräume flüchten, die offenkundig leistbarer als Tirol sind.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59748839_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Muss das Land Tirol auch seine Form der Förderungen anpassen?</b><BR />Dornauer: Wir haben im Rahmen der Wohnbauförderung einen Teuerungsrat eingesetzt, wo wir alles daran setzen, dass Familien, Betriebe und Gemeinden sicher durch die Teuerungswelle kommen. Unter anderem haben wir im Wohnbauressort ein Förderpaket von 56 Millionen Euro geschnürt. Wir haben auch die Subjektförderung angepasst und gehen nunmehr individuell und nicht nach dem Gießkannenprinzip vor. Ziel ist es, die Treffsicherheit zu erhöhen. Wir wollen die Wohnbauförderung langfristig so aufstellen, dass wir die fördern, die es brauchen.<BR /><BR /><b>Steht der Koalitionspartner ÖVP hinter Ihren Plänen?</b><BR />Dornauer: Ich habe diese neue Regierungskonstellation von ÖVP und SPÖ schon vor der Wahl forciert, ja propagiert, weil ich überzeugt bin, dass beide etablierten Parteien – Sozialdemokratie und Volkspartei – diese Herausforderung meistern können. Ich bin auch froh über die handelnden Akteure und dass ich mit Toni Mattle das Land führen darf: Wir waren beide Bürgermeister und haben das notwendige G'spür für Krisensituationen. In herausfordernden Zeiten braucht es eine Unaufgeregtheit, gepaart mit Pragmatismus und Engagement und Zukunftsvisionen.<BR /><BR /><b>Das Wohnen beschäftigte Sie vom ersten Tag als Regierungsmitglied auch in einem anderen Ressort, sprich Unterbringung von Flüchtlingen. Wird Tirol die vorgeschriebenen Zahlen erfüllen?</b><BR />Dornauer: Ich habe bewusst das Ressort Integration–Migration aus zweierlei Gründen übernommen. Ich wusste, wie dieses Phänomen emotionalisiert, polarisiert und die Gesellschaft beschäftigt. Zweitens wollte ich meiner Partei beweisen und vorzeigen, dass wir uns diesem Thema stellen müssen und zwar in aller Deutlichkeit, Offenheit und mit Pragmatismus. Wir werden die Unterbringungsquote erfüllen. Dazu haben wir uns verpflichtet. Wenn wir geflüchtete Menschen unterbringen müssen, dann leiste ich diesem Auftrag Folge, aber werde immer das gesamtgesellschaftliche Gefüge im Auge behalten.<BR /><BR /><b>Wie ist das zu verstehen?</b><BR />Dornauer: Mir wurde von Bürgermeistern signalisiert, dass die bestehende Solidarität in der Bevölkerung endenwollend ist und es Ressentiments und Ängste gibt. Dies betrifft vor allem Wirtschaftsflüchtlinge. Wir dürfen nicht weiterhin falsche Signale senden. Wir dürfen auch nicht die arbeitsmarktpolitische Situation vermischen und wenig differenziert eine Diskussion führen über fehlende Arbeitskräfte und Facharbeiter bzw. über Integration und Zuzug am Arbeitsmarkt, den wir brauchen. Wir haben hier klare Kante zu zeigen, welche Kräfte wir brauchen und was es bedeutet, dass im Rahmen der UNO-Konvention Menschen, die sich mit einem Fluchtgrund auf den Weg zu uns gemacht haben, unterzubringen. Wenn sich junge Leute aus mir nachvollziehbaren Gründen auf die Reise zu uns machen, dann haben wir Schwierigkeiten bei Sprache, Qualifikation, Wohnen oder stehen vor kulturellen Herausforderungen. Das ist offen anzusprechen. Das ist mein Zugang.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="901187_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wünschen Sie sich also eine offenere Diskussion?</b><BR />Dornauer: Man muss die Differenziertheit bei dieser Problematik ansprechen, dann wissen die Tirolerinnen und Tiroler, dass man unterscheiden muss. Das Phänomen Migration wird uns ja unser Leben lang begleiten. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Die Gesellschaft muss das Gefühl haben, dass die Politik damit umgeht und entsprechend handelt.<BR /><BR /><b>Ist es nicht ein Problem, dass der Prozess der Anträge, Verfahren usw. für die Flüchtlingen zu lange dauert?</b><BR />Dornauer: Ja, das ist schrecklich bis inakzeptabel. Ich werde nicht müde – auch wenn es nicht in meiner Kompetenz ist – zu fordern, dass Asylverfahren, die eingeleitet werden, raschestmöglich, maximal in 6 Monaten, abzuklären sind, ob der Asylgrund berechtigt ist oder eben nicht. Es ist mir klar, dass es schwierig ist, aber wir müssen auch alles daran setzen, bilateral mit Staaten, aus denen die Flüchtlinge kommen, Rückführungsabkommen einzuleiten. Das ist unerlässlich. Eine weitere Forderung ist auch, dass außerhalb Europas die Situation abzuklären ist, ob ein Asylgrund besteht oder nicht. <BR /><BR /><b>Was halten Sie davon, dass Flüchtlinge bereits während der Verfahren arbeiten können?</b><BR />Dornauer: Nach Maßgabe der Möglichkeiten sollen wir diese Menschen beschäftigen, wo es notwendig ist. Es bringt nichts, wenn sie wochenlang in einem Container ausharren und Fußball spielen. Die öffentliche Hand ist hier gefordert, diese Leute sinnstiftend zu beschäftigen, was nicht immer einfach ist. Was ich nicht tue, ist Signale zu senden, dass jeder Asylwerber ab Tag 1 wird arbeiten können. Das ist ein falsches Zeichen.<BR /><BR /><b>Die Freiheitliche Partei hat als Oppositionspartei hier sehr stark politisch punkten können. Wie wollen Sie diese Debatte wieder auf eine sachliche Ebene bringen?</b><BR />Dornauer: Die FPÖ hat in den letzten Jahren diese Situation ausgenutzt und dieses Thema zu einem Alleinstellungsmerkmal für sich – gepaart mit Nationalismus und Populismus – gemacht. Diese Rechnung ist aufgegangen. Ich kann der Hetze nur Einhalt gebieten, wenn man Sachlichkeit, Offenheit und Ehrlichkeit an den Tag legt. Es nützen keine salbungsvollen Worte, sondern es braucht Politiker, die zu ihrem Wort stehen und das Gesagte dann auch umsetzen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="901190_image" /></div> <BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />Georg Dornauer ist am 4. März 1983 geboren und in Sellrain wohnhaft. Von 2002 bis 2009 absolvierte er das Studium der Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck. Seine politische Laufbahn begann er 2013 als Vizebürgermeister von Sellrain, von 2016 bis 2022 war er dort Bürgermeister. <BR />Seit 2018 ist er Abgeordneter zum Tiroler Landtag, seit 25. Oktober 2022 Mitglied der Tiroler Landesregierung und dort für die Bereiche Wohnbauförderung, Sport und Integration sowie die Liegenschaften des Landes zuständig. Seit 2019 ist Dornauer Landesparteiobmann der Tiroler SPÖ. <BR /> Dornauer ist nicht verheiratet; er liebt die Jagd und Musizieren mit seiner Ziehharmonika. <BR /><BR /><BR />