Es war der Aufreger der Woche – und was für einer. Werden die Empörungskaskaden im Internet üblicherweise als Shitstorm bezeichnet, dann war das im Vergleich dazu ein ausgewachsener Tornado, der da über die arme Katharina Zeller hereingebrochen ist. <BR /><BR />Zugegeben, ich habe auch kurz geschluckt, als ich die Videosequenz gesehen habe, wie die neue Meraner Bürgermeisterin bei der Amtsübergabe die Schärpe in den italienischen Farben widerwillig an- und dann sofort wieder abgelegt hat. Es war klar, dass das Ärger geben würde. Aber eine kollektive Hysterie dieses Ausmaßes, die es sogar in italienische Leitmedien und die hohe römische Politik geschafft hat? <BR /><BR /><embed id="dtext86-69993739_quote" /><BR /><BR />Es ist müßig, über die Gründe für Zellers Geste zu spekulieren. Vielleicht war es der Versuch, sich einer paternalistischen Machtdemonstration ihres Vorgängers zu entziehen, wie sie es erklärte, vielleicht eine bewusste Provokation des unterlegenen Mitbewerbers, vielleicht aber auch nur ein Missverständnis. Fakt ist, dass sich Zeller sofort bei ihren Mitbürgern italienischer Zunge entschuldigt und die Dinge zurechtgerückt hat. Das sollte eigentlich genügen. Aber nicht in Italien, nicht bei diesem Thema und nicht, wenn Südtiroler die Hauptrolle spielen. <BR /><BR />Das Meraner „Schleifen-Gate“ wurde in den großen italienischen Medien in seiner Dimension auf eine Stufe gestellt mit dem Eklat in den Nullerjahren um Lega-Nord-Gründer Umberto Bossi, der die Trikolore mit einem Verwendungszweck beim täglichen Toilettengang in Verbindung gebracht hatte. <BR /><BR /><embed id="dtext86-69995620_quote" /><BR /><BR />Dass die italienische Öffentlichkeit wenig bis gar nichts über Südtirol und seine Geschichte weiß, wurde in dieser jüngsten Debatte augenscheinlich. Ein Grund, weshalb sich Südtirols Bürgermeister in der Regel lieber die Amtskette umhängen als die grün-weiß-rote Schleife, liegt eben darin, dass die Trikolore nicht ganz unverkrampft als Symbol für die Werte der Verfassung wahrgenommen wird wie im restlichen Staatsgebiet. Denn es ist noch gar nicht so lange her, dass diese Farben für die Unterdrückung der deutschsprachigen Minderheit standen, für die repressiven Italienisierungsversuche während des Faschismus und weit darüber hinaus. <BR /><BR />Wenn selbst ein hoch geschätzter Intellektueller wie Corrado Augias sich darüber mokiert, dass in Jannik Sinners Familie Deutsch gesprochen wird, wie dieser dem Papst erzählte, Janniks Vater Italienisch angeblich nur lückenhaft beherrscht und sich dort oben sowieso alle als Österreicher fühlen, der Tennis-Superstar also ein „Italiener wider Willen“ sei, dann erübrigt sich jeder Kommentar über das Verständnis des Staatsvolkes für die kleine Provinz im äußersten Norden. <BR /><BR />Wer es besser wissen müsste, sind unsere italienischsprachigen Mitbürger in Südtirol. Aber da wurde statt aufgeklärt und beschwichtigt überwiegend Öl ins Feuer gegossen, im Fall Zeller vor allem, teilweise aber auch bei Sinner. Das ist sehr schade und beweist eines: Wir mögen uns der besten Autonomie der Welt rühmen, aber es ist ein mehr oder weniger friedliches Nebeneinander, ganz selten ein Miteinander.<BR /><BR /> <a href="mailto:klaus.innerhofer@athesia.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">klaus.innerhofer@athesia.it</a>