Für den Jahresrückblick hatte sich Südtirols Landeshauptmann ein neues Format überlegt. Keine Pressekonferenz, sondern ein Mediengespräch sollte es werden, eine Auseinandersetzung über die - vorwiegend politischen - Schlagzeilen des vergangenen Jahres sowie die Wunschschlagzeilen 2017.Dauerthema: Flüchtlinge und Brennergrenze„2016 war ein besonderes Jahr“, eröffnete Arno Kompatscher den Rückblicksreigen. Der Syrienkrieg, die Wahl Trumps und der Brexit, der Landeshauptmann begann seine politische Jahresbetrachtung aus internationaler Perspektive - wobei er immer wieder darauf verwies, dass Südtirol in globale Dynamiken eingebettet sei.Das Flüchtlingsthema - bzw. prinzipiell die Migration - sei dafür das beste Beispiel. Flüchtlinge und die drohende, allerdings nie schlagend gewordene Schließung der Brennergrenze waren schließlich auch zwei der Themen, denen Kompatscher und Journalisten am meisten Raum gaben.Kritik und Lob Der Landeshauptmann unterstrich, dass das Land in der Flüchtlingsfrage alles andere als untätig sei, sondern sehr wohl agiere. Dabei folge die Landesregierung zwei Grundprinzipien, einerseits humanitären-moralischen Werten, andererseits gelte es bei der Aufnahme klare Regeln zu befolgen.Kompatscher nutzte die Gelegenheit und dankte allen Freiwilligen, die sich für die Flüchtlinge engagieren. Mit Blick auf die Verteilung kritisierte der Landeshauptmann, dass „anscheinend manche Akteure dem St.-Floriani-Prinzip folgen“, also hofften, dass hauptsächlich nicht ihre Gemeinde Flüchtlinge aufnehmen müsse.„Betrachtet man die jeweilige Situation, so kann man allerdings feststellen, dass die Aufnahme funktioniert“, hielt Kompatscher fest, und räumte aber ein, dass auch in Südtirol Populismus und Fremdenhass zunehmen.Kompatscher: „Es gibt auch ein Denk- und Informationsgebot“Die Politik müsse sich diesen Phänomenen stellen, denn es herrsche Verunsicherung in Teilen der Bevölkerung, weswegen verstärkt informiert und kommuniziert werden müsse. Es gebe - auch bei der Flüchtlingsfrage - freilich auch ein Denk- und Informationsgebot, Südtirol sei immerhin kein Notstandsgebiet, meinte Kompatscher und fand klare Worte: „So viel Blödsinn sagen zu können, ohne dafür bestraft zu werden, das hat es noch nie gegeben.“Kompatscher lobte in diesem Zusammenhang aber auch die Bemühungen der italienischen Behörden und entgegnete einem Journalisten, der Brennerzaun sei nicht „viel Lärm um nichts gewesen“, sondern die Schließung ein realistisches Szenario, allerdings würden mittlerweile auch Österreich und die EU die italienischen Anstrengungen anerkennen. „Südtirols Verhandlungsposition in Rom ist gestärkt“Was die Zusammenarbeit mit der neuen italienischen Regierung anbelange, so setze man auf Kontinuität. Den Ausgang des Verfassungsreferendums interpretiere er sowohl national, als auch auf Landesebene als Stärkung der regierenden Parteien: „Südtirols Verhandlungsposition in Rom ist dadurch gestärkt“, zeigte sich Kompatscher zuversichtlich. Flughafen: „Entscheidung gilt es zu akzeptieren“Weniger gefreut habe er sich über den Ausgang des Flughafenreferendums, aber: „Diese Entscheidung gilt es zu akzeptieren, wir arbeiten an der entsprechenden Ausschreibung, die im Mai veröffentlicht wird“, erläutert Kompatscher.Streitthema GeburtenabteilungenFür großen Wirbel habe auch die Gesundheitsreform gesorgt, vor allem die Schließung der Geburtenabteilungen an den Krankenhäusern Innichen und Sterzing. „Seit Jahren soll die Sanität reformiert werden, wir packen es an“, erinnerte Arno Kompatscher und hob die positiven Entwicklungen wie etwa die Digitalisierung hervor.„Ende des Kirchturmdenkens“Es sei an der Zeit, sich vom - aus der jeweiligen Perspektive verständlichen - Kirchturmdenken zu verabschieden. Die Strategie des „Ein Krankenhaus - zwei Standorte“, müsse weiter verfolgt werden, es gereiche den Bürgern zum Vorteil, so werde Sterzing letztendlich über mehr Ärzte, Pflegepersonal und Dienste verfügen, als dies früher der Fall gewesen sei.„Haben Klarheit vermissen lassen“Der Landeshauptmann gab sich aber auch nachdenklich: „Wir haben Klarheit vermissen lassen, auch bei schlechten Botschaften müssen wir uns zukünftig klarer äußern.“„Aufschwung weiter fördern“Arno Kompatscher ging in seinem Jahresrückblick auch immer wieder auf ökonomische Entwicklungen ein. Südtirol stehe im Vergleich zu anderen europäischen Regionen wirtschaftlich sehr gut da, der Export sei gestiegen, die Arbeitslosigkeit gesunken. Auch zukünftig wolle man besonderes Augenmerk auf die wirtschaftliche Entwicklung legen, so Kompatscher - der auch für das Wirtschaftsressort in der Landesregierung verantwortlich zeichnet. Der Aufschwung müsse weiter gefördert werden.Dies sei auch mit Blick auf die Bildungs- und Sozialpolitik von Bedeutung: „Wirtschaft, Bildung und Soziales wirken wechselseitig aufeinander ein“, konstatierte Kompatscher.Autonomiekonvent, Landwirtschaft und PolitikerkostenStreiflichter warf der Landeshauptmann in seiner Ist-Analyse auch auf den Autonomiekonvent, der holprig und mit lauter Begleitmusik gestartet sei, sich nun aber in voller Fahrt befinde.Auch die Bereiche Berglandwirtschaft (Fördergelder), Verkehrspolitik (Dolomitenpässe) und Familienpolitik fanden Eingang in seine Ausführungen - und, wenig überraschend, das Thema der Politik(er)kosten.Die Kosten der Landesregierung seien um die Hälfte gesunken, die Gesamtkosten der Politik um 26 Prozent, die Leibrenten habe man abgeschafft, fasste Kompatscher knapp zusammen und wunderte sich, dass dies öffentlich kaum beachtet würde.„Mehr Gelassenheit und Mut sowie Zuversicht“„2016 war ein gutes Jahr, wenngleich es noch zu viele Menschen gibt, die Hilfe brauchen“, meinte Kompatscher zum Abschluss und ging auf einige - von den Medien formulierte Wunschschlagzeilen für 2017 ein, von denen „Zugverbindung fürs Überetsch genehmigt“, „Statt Ärztemangel Ärzteschwämme“ und „Graffiti-Workshop am Piffraderfries einstimmig genehmigt“ hervorstachen.Den Südtirolern, so der Landeshauptmann abschließend, wünsche er etwas mehr Gelassenheit und Mut sowie Zuversicht für 2017.„Wir haben jeden Anlass zuversichtlich zu sein, wir sind ein kleines, feines Land“, so Kompatscher. Auch er sei etwas gelassener geworden - und habe sich mittlerweile an seinen Job gewöhnt.stol/aw