Wenig Tourismus, kaum Arbeitsplätze, Abwanderung: Die kleinen Minderheiten im Fersental, in Lusern und die Ladiner in Souramont tun sich auch in besseren Zeiten schwer. Die Pandemie macht die Situation noch schwieriger. Aber der zuständige Regionalassessor Manfred Vallazza sieht auch einen positiven Aspekt in der Krise.<BR /><BR /><BR /><i>Interview: Hatto Schmidt</i><BR /><BR /><BR /><b>Haben Ladiner, Fersentaler und Zimbern besondere Probleme durch Covid-19?</b><BR />Manfred Vallazza: Ja. In Lusern und im Fersental sind einige Bewohner Angestellte in Museen und Kulturinstituten. Die haben derzeit aber keine Besucher. Jene Luserner, die in ihrer Heimat geblieben sind, hängen alle in irgendeiner Weise mit Museum und Kulturinstitut zusammen. Ohne die Schulklassen und andere Besuchergruppen von außen, mit denen man ein bisschen verdienen kann, fehlt Einkommen in der Gemeinde.<BR /><BR /><b>Was kann man dagegen unternehmen?</b><BR />Vallazza: Wir versuchen demnächst mit der Provinz Trient Projekte anzugehen, zum Beispiel den Tourismus zu fördern. Auch die Trentiner gehen ja jetzt in Covid-Zeiten mehr in die Berge – und zwar genau in diese Gebiete: nach Lusern und ins Fersental. Sie haben verstanden, dass das da oben eine wunderschöne Landschaft ist mit vielen Möglichkeiten. Deshalb sollen Wanderwege und Mountainbikewege saniert und die Jausenstationen ausgebaut werden, damit ein paar Leute mehr Arbeit haben. Das wären kleine Schritte zum Aufbauen, damit die Leute in ihren Dörfern bleiben. Auch in der Landwirtschaft könnte man etwas tun, denn die ist ziemlich zurückgegangen. Man könnte die Direktvermarktung für Gemüse und Obst ankurbeln. Das sind kleine Projekte, die nicht viel kosten, aber den Leuten direkt etwas bringen.<BR /><BR /><b>Wie schnell lässt sich so etwas umsetzen?</b><BR />Vallazza: Nächste Woche haben die Vertreter der Minderheiten bereits ein Treffen mit den Zuständigen der Provinz Trient. Dabei geht es um das Zugreifen auf einen Fonds für abwanderungsgefährdete Dörfer: Sie hoffen, in die Kriterien hineinzufallen, denn dann könnte man gleich starten. Zu einem späterem Zeitpunkt werden wir ein Treffen haben mit der Abteilung für Minderheiten der Provinz Trient und den Bürgermeistern. Da wollen wir schauen, was wir zum Erhalt der Minderheitensprachen tun können. Viele Junge ziehen zum Beispiel zum Arbeiten nach Pergine. Sie kommen höchstens am Wochenende zurück in ihr Heimatdorf, und dadurch geht langfristig die Sprache verloren. <BR /><BR /><embed id="dtext86-47983729_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was könnte man dagegen tun?</b><BR />Vallazza: Ein Beispiel. In Lusern standen Sozialwohnungen leer. Diese Wohnungen wurden nun für 4 Jahre mietfrei vergeben an Familien von außen. Ihre Kinder besuchen den Kindergarten und die Volksschule und lernen auch Zimbrisch. <BR /><BR /><b>Haben die Minderheiten noch größere Finanzsorgen als andere, weil keine Veranstaltungen möglich sind?</b><BR />Vallazza: Auf alle Fälle. In Lusern gibt es doch einige Restaurants, die von den Besuchern von außen leben. Das fehlt komplett. Erst vor ein paar Jahren hatten Leute aus Lusern wieder solche Lokale übernommen. Die sind jetzt in einer großen Krise. Im Gadertal, in Fassa und Gröden ist der Tourismus doch schon so entwickelt, dass man ein paar Rücklagen bilden konnte, und der Sommer war heuer ja auch halbwegs gut. Nach Lusern kommen aber nur so viele Gäste, dass sie gerade so über die Runden kommen; sie können nichts auf die Seite legen. Jetzt sind sie in Nöten.<BR /><BR /><b>Das gilt wohl auch für die Ladiner in Souramont?</b><BR />Vallazza: Das ist genau die gleiche Situation. <BR /><BR /><b>Wird die Pandemie die Minderheiten längerfristig noch weniger sichtbar werden lassen?</b><BR />Vallazza: Das sehe ich nicht so schlimm. Ich merke, dass sie sich zusammenschweißen. Ich habe in den zweieinhalb Jahren als Regionalassessor bisher noch nie erlebt, dass alle Kulturinstitute – vom Fersental über Lusern, Gröden und Gadertal bis Souramont – um eine gemeinsame Sitzung angefragt haben, um zu schauen, wie man die jeweilige Sprache und Kultur weiterbringt. <BR /><BR /><BR /><b>Ganz schwarz sehen Sie die Zukunft der Minderheiten also nicht?</b><BR />Vallazza: Nein. In Krisenzeiten wächst man zusammen und wird stärker. Man soll die Krise nutzen und positiv etwas draus machen.<BR />