Dort sprachen sie mit mehreren Landtagsabgeordneten über Südtirols Erfahrungen mit Autonomie, Föderalismus und Minderheitenschutz. An dem Treffen nahmen von Südtiroler Seite neben Landtagspräsident Mauro Minniti auch Georg Pardeller, Roland Tinkhauser, Andreas Pöder, Eva Klotz, Pius Leitner, Martha Stocker, Hans Heiss, Maurizio Vezzali, Donato Seppi, Ulli Mair, Sigmar Stocker und Maria Hochgruber Kuenzer teil.In seiner Begrüßungsrede wies Landtagspräsident Minniti darauf hin, dass in Südtirol der Einsatz vieler für ein gemeinsames Ziel zur Überwindung der Spannungen geführt habe.Er erinnerte auch an 30 italienische Soldaten, die bei ihrem Einsatz im Irak ums Leben kamen. Er forderte die Iraker auf, sich nicht von Rückschlägen aufhalten zu lassen und den Dialog weiterhin zu pflegen: „Der Dialog ist das Salz der Demokratie, und wer sich für die Demokratie einsetzt, baut auch am Frieden.“Antonella Caruso, Leiterin des Projekts „Dialog für die nationale Versöhnung im Irak“, das vom italienischen Außenministerium unterstützt wird, gab eine Übersicht über das Projekt und bezeichnete den Südtirol-Besuch als wichtige Etappe, um brauchbare Lösungen für ein Land mit verschiedenen Volksgruppen und Konfessionen zu finden.“Der Irak will sich in der Welt nach den besten Lösungen umsehen“Der Terror Saddams habe niemanden verschont, berichtete Ala Talabani, Vorsitzende des Versöhnungsausschusses.Mit der Demokratie seien alle Volksgruppen und Konfessionen im Parlament vertreten. Es gebe keine Zwei-Klassen-Gesellschaft mehr, und man rede nicht mehr von „Minderheiten“, sondern von „Komponenten“. Talabani wies darauf hin, dass der Irak immer noch vor großen Problemen - Terror und Arbeitslosigkeit - stehe, die man zuerst lösen müsse. In Kurdistan habe sich die Lage sehr gebessert, es gebe Sicherheit und Stabilität, und das ziehe auch Investoren an. Der Ausschuss sei nach Südtirol gekommen, um zu sehen, was man hier lernen könne. Talabani bezeichnete die Südtiroler Erfahrung als wundervoll, hier habe die Versöhnung auch Wohlstand gebracht.Der Irak wolle sich in der Welt nach den besten Lösungen umsehen, und dazu gehöre das Südtiroler Modell, erklärte Amir al-Khuza’i, Minister für Nationale Versöhnung.Er berichtete von den Fortschritten in diesem Prozess. Große Bedeutung messe man in diesem Zusammenhang der Schule bei.Ahmad al Alwani, Vorsitzender des Kulturausschusses, berichtete vom Wunsch nach Demokratie, der alle Teile der Gesellschaft durchziehe. Die wichtigste Voraussetzung für diesen Prozess sei eine Phase der Sicherheit, vor allem vor dem importierten Terrorismus von El Kaida.Stefano Queirolo Palmas, Verantwortlicher für die Golfstaaten in der Generaldirektion „Politische Angelegenheiten“ des römischen Außenministeriums, erläuterte die Zielrichtung und die Maßnahmen des Projekts zum Dialog, das vom Ministerium unterstützt wird.Außenminister Franco Frattini hat die Delegation persönlich in Rom empfangen. Man helfe z.B. bei der Ausbildung von Richtern oder beim Schutz von Kulturgütern. Das Südtiroler Modell sei aus der Sicht des Außenministeriums sehr glaubwürdig und exportfähig. Natürlich wolle man niemandem etwas aufdrängen, aber in Südtirol könne man durchaus Denkanstöße finden.Shorsh Rasul, Fraktionsvorsitzender im kurdischen Parlament, berichtete von den Fortschritten im Prozess der Versöhnung. Leider habe man noch nicht alle von der Notwendigkeit dieses Prozesses überzeugt. Ziel sei es, möglichst alle daran zu beteiligen - alle Volksgruppen, alle Konfessionen. Der Abgeordnete Haydar al Molla merkte an, dass neben dem Saddam-Regime auch die amerikanische Besatzung negative Wirkungen gehabt habe. Nun aber hätten die Iraker den Willen, zusammenzuleben. Natürlich gebe es Divergenzen, aber auch die Bereitschaft, diese im Dialog zu überwinden.“ Südtiroler Modell ist nicht einfach exportierbar“Andreas Pöder (BürgerUnion) bezeichnete die Demokratisierung im Irak als faszinierenden Prozess und fragte, wie weit die irakische Bevölkerung eingebunden werde. Eva Klotz (Südtiroler Freiheit) meinte, das Südtiroler Modell sei nicht einfach exportierbar, es seien auch noch zu viele Fragen ungelöst, um es als Modell zu bezeichnen. Föderalismus gebe es nur, wenn man auf gleicher Augenhöhe entscheiden könne. Pius Leitner (Freiheitliche) zeigte sich erstaunt, wie kurz nach zwei Kriegen eine so große Bereitschaft zur Versöhnung bestehe, in Südtirol habe das viel länger gedauert. Auch er sehe die Autonomie nicht als Endziel, obwohl man sie durchaus verbessern könne. Südtirol sei zu klein, um für ein so komplexes Gebilde wie den Irak als Modell zu dienen, meinte Donato Seppi (Unitalia). Er äußerte die Befürchtung, dass der Irak zur amerikanischen Kolonie werde, wie es in Europa nach dem Krieg passiert sei. Diese Gefahr, unter einer unsichtbaren Herrschaft zu stehen, betreffe die ganze Welt. (Applaus aus der irakischen Delegation, A.d.R.)Hans Heiss (Grüne) fühlte sich vom Begriff “Versöhnung” sehr angesprochen. Dieser sei in Südtirol leider nie in den Mittelpunkt gerückt. Versöhnung setze Gerechtigkeit voraus, einen Ausgleich zwischen Volksgruppen, Konfessionen und Parteien - auch die kleinste Stimme dürfe nicht übergangen werden. Südtirol befinde sich noch mitten in diesem Prozess. Der Südtiroler Wohlstand beruhe wesentlich auf der Autonomie.Martha Stocker (SVP) stellte fest, dass die Aussagen der irakischen Parlamentarier ziemlich deckungsgleich seien, obwohl sie aus verschiedenen Regionen, Volksgruppen und Konfessionen kämen. Das gebe Zuversicht. Der Friedensprozess in Südtirol habe sehr lange gedauert und es habe viele Kämpfe gebraucht. Erst mit dem zweiten Autonomiestatut sei die gegenseitige Akzeptanz gestiegen, allen sei ein Heimatrecht zugestanden worden. Es habe sich auch gezeigt, dass die Gerechtigkeit eine Voraussetzung für den Frieden sei; Proporz oder ethnische Rotation würden für Ausgleich sorgen.Weitere ThemenNach dieser Reihe von Stellungnahmen wurden Einzelfragen erörtert, so etwa die Situation der Kurden in der Türkei und deren feindliche Haltung gegenüber dem irakischen Kurdistan, die Rolle der USA bei der Befreiung von der Saddam-Diktatur und die Notwendigkeit einer irakischen Souveränität, der Wert der Gerechtigkeit und des Ausgleichs für die Befriedung, die Freiheitsbestrebungen in Syrien und anderen Ländern des Nahen Ostens, die Unterstützung terroristischer Gruppen durch Nachbarstaaten wie Syrien und Iran, die Bedeutung des Ölreichtums für das internationale Interesse am Irak, die Koordinierung der eigenen und ausländischen Truppen, die Vergabe der Erdölförderungsrechte, die zentral erfolgt, die Kurden, die mehrheitlich für den Föderalismus anstelle der Eigenständigkeit sind. Die irakische Delegation war vor allem an Details zum Stellenproporz interessiert. Im Irak sei die Feststellung der jeweiligen Volksgruppenstärke schwierig, auch wegen der vielen Deportationen aus der Saddam-Zeit.Abschließend beglückwünschte Präsident Minniti die Gäste aus dem Irak zu ihrem Optimismus.Man könne von ihnen, die in einer ungleich schwierigeren Situation seien, nur lernen. Für das, was er vorhabe, und das, was er bisher geleistet habe, würde sich der Versöhnungsausschuss den Friedensnobelpreis verdienen.