Christoph Perathoner: Sie werden in den letzten 20 Jahren keine Pressemitteilung, kein Medieninterview und keine öffentliche Stellungnahme finden, in denen ich auch nur ein schlechtes Wort über meine Partei gesagt habe und ich werde auch heute sicher nicht damit beginnen. Ich sage nur so viel dazu: Unser Parteiobmann ist mit diesem Wunsch an mich herangetreten, um den widerstreitenden Strömungen in der SVP zu begegnen. Es sollte ein Deal zur Befriedung werden.
STOL: Was ist unter Deal zu verstehen?
STOL: Sie haben sich demnach nie etwas zuschulden kommen lassen? Es gab also keinen konkreten Grund für die Rücktrittsforderung?
Perathoner: Doch, es gibt einen konkreten Grund: Meine immer ausschließlich parteiintern geäußerte Kritik an der Gruppe um den Landeshauptmann und teilweise an ihm selbst hat die Gegenseite sehr aufgebracht; man wollte eine kritische Stimme einfach weghaben. Wie die „ff“ vor 5 Jahren berichtete, wollte man mich schon bei meiner Wiederwahl 2017, also lange vor dem Abhörskandal, hinausdrängen.
Ich habe mir jedenfalls nie etwas zuschulden kommen lassen. Auch die Vorwürfe in dem sogenannten „Enthüllungsbuch“, die öffentlich gemacht wurden, beschränken sich darauf, dass ich, und das darf ich an dieser Stelle betonen, in privaten Gesprächen Kritik geübt hätte. Für die unangebrachten verbalen Äußerungen in meinen privaten Gesprächen habe ich mich öffentlich entschuldigt. Ich war nie Beschuldigter, nicht einmal Zeuge in den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Vergabe von Buslinien, auf deren Abhörprotokollen das Buch beruht. Wie Sie wissen, läuft das Gerichtsverfahren im sogenannten SAD-Skandal gegen andere.
STOL: Werden Sie gerichtlich gegen diejenigen vorgehen, die öffentlich direkt oder indirekt immer wieder das Gegenteil behaupten?
Perathoner: Ja, das werde ich sicher tun.
STOL: Mit welchen Gefühlen verlassen Sie das Amt?
Perathoner: Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Der SVP-Bezirk Bozen ist in den letzten 20 Jahren zu einem Vorzeigebezirk geworden. Wir konnten gemeinsam einen sehr heterogenen Bezirk, der die Stadt- und Landbevölkerung ausgewogen vertritt, zusammenschweißen und vor allem die konstruktive Kooperation zwischen der deutschen, italienischen und ladinischen Sprachgruppe fördern, die nirgends so ausgeprägt ist wie bei uns. Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land verbessert.
Es ist uns auch gelungen – sogar in der Corona-Zeit – wichtige politische Themen zu bearbeiten und auch für die einfachen Mitglieder Informationsmöglichkeiten zu schaffen. Der sich daraus ergebende Rückhalt hat den Bezirk Bozen Stadt und Land zu einer soliden Stütze der SVP bei mehr oder minder allen Wahlen gemacht. Das über viele Jahre zu erreichen und zu halten, hat mir zwar viel Einsatz abverlangt, war aber zugleich eine großartige und bereichernde Erfahrung, die ich vermissen werde.
STOL: …und was ist mit dem weinenden Auge?
Perathoner: Die tägliche Parteiarbeit als Bezirksobmann und die vielen liebgewonnenen Menschen werden mir sicher fehlen. Auf der anderen Seite bin ich beruflich als Wirtschaftsanwalt sehr eingespannt. Die Kanzlei hat mehrere Standorte, die ich als Leading-Partner zu betreuen habe. Ich bin froh, etwas mehr Zeit für meine berufliche Tätigkeit, meine wissenschaftlichen Publikationen und private Dinge zu haben.
STOL: Werden Sie auch aus der SVP austreten?
Perathoner: Niemals! Die SVP ist meine politische Heimat und ich glaube an diese Partei, ganz gleich, ob Politiker das Sagen haben, mit denen ich nicht immer einverstanden bin. Ich werde immer ein politischer Mensch bleiben und mich weiterhin für Südtirol, die deutsche und ladinische Minderheit einsetzen, wo immer ich kann.
Alle Berichte zur Abhör-Affäre lesen Sie hier.