<b>von Franz Niedermaier</b><BR /><BR />Es war einmal, da galt die bedingungslose Solidarität mit Israel als deutsche Staatsräson, als unumstößliche Konstante der Union. Doch dann kam Friedrich Merz und es begann eine neue Zeitrechnung, als der noch recht frisch gewählte Kanzler ohne Rücksprache mit wichtigen Teilen seiner Koalition ein partielles Waffenembargo gegen Israel aussprach - jenen Staat also, der ohne die unseligen Jahre in Deutschland wohl gar nicht existieren würde.<BR /><BR />Die aufsehenerregende Wende des Kanzlers hat nicht nur in den eigenen Reihen blankes Entsetzen ausgelöst. Der Salto rückwärts offenbart auch die mangelnde Sensibilität eines Parteivorsitzenden, der das Gefühl für die Seele seiner eigenen Partei verloren zu haben scheint.<BR /><BR />Die Argumente gegen Merz’ Entscheidung sind Legion und hallen quer durch die politische Landschaft, von Jerusalem bis in die hintersten Reihen der Union. Wie kann man einen Verbündeten im Kampf gegen den Terror einschränken, wenn dieser Verbündete – so Merz„ eigene Worte einst – die „Drecksarbeit“ für uns erledigt? Nun muss Israel diese „Drecksarbeit“ eben ohne deutsche Waffen machen. <BR /><BR />Kritiker sehen in dem Schritt eine schwere strategische Fehlentscheidung, die Israels Sicherheit untergräbt und obendrein ein fatales Signal an die Hamas sendet – quasi ein „Fest für Hamas“. Die Befürchtung: Deutschland belohne den Terror, anstatt Israel zu stärken. Israels Botschafter Ron Prosor brachte es auf den Punkt: Die Beziehungen seien „echt strapaziert“ und die Entscheidung könnte ein Präzedenzfall für andere Länder sein, Israel weiter zu isolieren.<BR /><BR />Doch die wahren Verwundungen, die Kanzler Merz mit diesem außenpolitischen Husarenstück schlägt, sind nicht allein im Nahen Osten zu verorten, sondern tief in den Fluren der Konrad-Adenauer-Stiftung und den Herzen der Unionsmitglieder. <BR /><BR />Die CDU-eigene „DNA“, die jahrzehntelang bedingungslose Solidarität mit Israel als Kernbestandteil ihrer Identität pflegte, wurde von Merz kurzerhand zertrümmert. Aus den eigenen Reihen, von der Jungen Union bis zu gestandenen Sicherheitspolitikern, hagelte es Kritik: ein „schwerer politischer und strategischer Fehler“, der Deutschland einem „antisemitischen Mob der Straße“ beuge, hieß es aus den Reihen der Unionsabgeordneten.<BR /><BR />Der Unmut in der Union „brodelt“. Man fragt sich, ob Merz überhaupt noch den Kompass der eigenen Partei im Blick hat oder ob er sich stattdessen von Umfragen, dem Druck des Koalitionspartners oder - schlimmer noch - von israelfeindlichen, vorwiegend in Berlin zu findenden Demonstrationen treiben lässt. <BR /><BR />Die Rede ist von einer „Kette von Kehrtwenden“ in Merz' Politikstil, die das Vertrauen untergräbt und seine Führung innerhalb der Partei in Frage stellt. Die Rolle des Kanzlers in den endlich in Gang gekommenen diplomatischen Bemühungen um einen Frieden in der Ukraine macht das Ganze bei Lichte betrachtet nur noch schlimmer und offenbart einen Mann, der außenpolitisch zwar glänzen will, dessen Gewicht aber auf der Waage der Diplomatie auch bei genauestem Hinsehen nicht auffällt.<BR /><BR />Wer Giorgia Meloni bei dem Besuch der EU-Führungsriege im Weißen Haus beobachtet hat, dem offenbart sich alles über die Stellung der Länderchefs auf dem internationalem Parkett: Meloni neben Trump, Merz nur dabei als besserwisserisches fünftes Rad am Wagen, bei dessen Ausführungen die anderen die Augen verdreht haben. Getoppt wurde Merz nur noch von Ursula von der Leyen: Die seit Jahren diplomatische Friedensinitiativen abwehrende EU-Kommissionspräsidentin stand beim „Familienfoto“ wie ein Unbeteiligter lediglich am Rand.<BR /><BR />Zurück zu Merz und dem bitteren Nachgeschmack in der Angelegenheit: Ein Kanzler trifft ohne Not eine außenpolitische Richtungsentscheidung, die sowohl international als auch innerparteilich massiv kritisiert wird. Friedrich Merz mag versuchen, Solidarität mit Israel neu zu definieren, indem er „nicht jede Entscheidung“ der einzigen Demokratie im Nahen Osten unterstützen will. Doch Führung bedeutet eben auch, die Befindlichkeiten der eigenen Mannschaft zu kennen und zu respektieren, statt sie vor den Kopf zu stoßen. Sonst könnte die nächste Kehrtwende nicht nur die Staatsräson betreffen, sondern auch die eigene Kanzlerkandidatur.