Ab 1. Juli übernimmt der am Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen gescheiterte Ministerpräsident Yves Leterme als Chef der geschäftsführenden Regierung den EU-Vorsitz von Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero. In Brüssel gibt es dennoch kaum Sorgen vor politischer Instabilität in dem Königreich. Mit dem Lissabon-Vertrag ist der EU-Vorsitz ohnehin schon weitgehend zur Aufgabe des ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy geworden, der früher selbst in Belgien an der Spitze der Regierung stand.König Albert II. hat indes den Sieger der Parlamentswahlen vom 13. Juni, den Chef nationalistisch-separatistischen Neuen Flämische Allianz (N-VA), Bart de Wever, mit Sondierungsgesprächen beauftragt. Als wahrscheinlicher künftiger Premierminister gilt der Chef der frankophonen Sozialisten, Elio Di Rupo. De Wever will bis September eine Regierung bilden, doch bezweifeln viele Beobachter, ob dies angesichts der großen Differenzen zwischen den Volksgruppen über eine Staatsreform möglich ist.Van Rompuy zeigte sich überzeugt, dass Belgien gut für die Präsidentschaft im Europäischen Rat für die zweite Jahreshälfte 2010 vorbereitet ist: „Ich hätte auch lieber eine stabile Regierung in Belgien, aber ich glaube, dass die Präsidentschaft mit einer sehr soliden Infrastruktur beginnen wird.“ Die Vorbereitungen würden ja schon länger laufen und hätten bereits unter seiner Zeit als belgischer Premierminister begonnen, sagte Rompuy nach dem EU-Gipfel am Donnerstag.Er hoffe, dass die neue belgische Regierung „im September“ steht. Van Rompuy verwies auch darauf, dass ja „im Sommer meistens sehr viel Ruhe ist, wir haben da auch keinen Europäischen Rat mehr. Und wenn wir im September die belgische Regierung haben, dann kann die die Dinge auffangen und den belgischen Vorsitz sicher zu Ende führen.“ Es gebe ja in Belgien auch Regionalregierungen und dies sei eine „Nuancierung“. Die Volksgruppen würden jedenfalls eine wichtige Aufgabe im Rahmen der belgischen Präsidentschaft haben.Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat Belgien trotz der Staatskrise „volles Vertrauen“ in die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft ausgesprochen. „Belgien ist eines der am meisten überzeugten europäischen Länder“, verwies er auf die lange Geschichte des Gründungsmitglieds in der Gemeinschaft. Auch Diplomaten betonen, die politische Elite, die Verwaltung und die Diplomatie des Landes würden bestens auf die Aufgaben der EU-Präsidentschaft vorbereitet sein. Leterme selbst relativierte die Bedeutung der wechselnden EU-Ratspräsidentschaft und betonte, man müsse nunmehr den EU-Institutionen politischen Raum lassen.Belgien ist nicht das erste Land, das während seiner EU-Ratspräsidentschaft Probleme mit der eigenen Regierung hat. Auch als Dänemark 1993, Italien 1996 und Tschechien 2009 im Chefsessel der Gemeinschaft saßen, mussten Regierungschefs oder das ganze Kabinett zurücktreten. Außenminister Steven Vanackere hat bereits angekündigt, dass Belgien während der kommenden sechs Monate die Szene weitgehend der neuen EU-Doppelspitze von Ratspräsident Van Rompuy und Außenministerin Catherine Ashton überlassen will. Die belgische Regierung will so den Lissabon-Vertrag umsetzen, der die neuen Ämter geschaffen hatte.Hauptaufgabe während des EU-Vorsitzes sei das Management der staatlichen Schuldenkrise in der EU, die wirtschaftlichen Reformen und die EU-Finanzmarktaufsicht, die 2011 in Kraft treten soll, sagte Belgiens EU-Botschafter Jean De Ruyt. Die Regierung in Madrid hat zuletzt Gerüchte über ein mögliches Rettungspaket von EU und IWF für Spanien zurückgewiesen. Für allfällige Pleitekandidaten nach Griechenland haben EU und Weltwährungsfonds ein 750-Milliarden-Euro-Rettungspaket geschnürt.Ein eigener Sondergipfel am 16. September vor der UNO-Generalversammlung ist der Außenpolitik gewidmet, die EU will etwa ihre Beziehungen zu den aufstrebenden Wirtschaftsnationen China und Indien auf eine neue Grundlage stellen. Bis zum Herbst soll zudem der neue Europäische Auswärtige Dienst (EAD) stehen. Eine „Taskforce“ der EU-Finanzminister unter Van Rompuy soll bis Ende Oktober erste Konsequenzen aus der Griechenland-Krise durch Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes ziehen.Auch die Verhandlungen mit Kroatien sollen bis Jahresende in die Endphase kommen, sodass ein Termin für die Unterzeichnung des Beitrittsvertrages feststeht. Der EU-Gipfel im Dezember soll planmäßig der Innovation gewidmet sein. Gerade die Krise hat allerdings gezeigt, dass die Planungen von EU-Ratspräsidentschaften oft binnen kurzer Zeit neu geschrieben werden müssen.apa