Die mehr als 800 Rekruten haben ihre Ausbildung im nordwestpakistanischen Distrikt Charsadda mit einer feierlichen Parade abgeschlossen. Am Freitag freuen sich die jungen Männer auf einen kurzen Heimaturlaub vor ihrem Dienstantritt in der paramilitärischen Polizeieinheit Frontier Constabulary (FC). Dutzende von ihnen werden ihr Zuhause nie erreichen: Sie sterben als Opfer eines Doppelanschlags, mit dem die Taliban nach eigenen Worten den Tod von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan rächen wollen.Heimtückischer Angriff Der Angriff auf die Rekruten ist nach Darstellung von Polizei und Augenzeugen besonders heimtückisch. Die Busse, die die Urlauber wegbringen sollen, warten außerhalb des gesicherten Camps. Als die Rekruten gerade ihr Gepäck einladen, fährt ein Motorrad mit zwei Männern vor. Einer der Attentäter steigt ab, versteckt sich und wartet. Der zweite sprengt sich an den Bussen in die Luft.„Ich stand etwas entfernt, als die erste Bombe explodierte“, sagt ein Augenzeuge dem Sender Duniya TV. „Ein paar Minuten später, als Paramilitärs und Menschen aus den umliegenden Häusern sich an dem Ort versammelten, explodierte eine zweite Bombe.“ Der zweite Attentäter sprengt sich inmitten den Menschen in die Luft, die den Opfern der ersten Explosion zur Hilfe kommen wollen. „Es war so viel Rauch in der Luft, dass für einige Minuten Dunkelheit herrschte.“Der Anschlag mit mindestens 80 Toten und weit über 100 Verletzten ist der schwerste in Pakistan seit mehr als zehn Monaten. Im vergangenen Juli waren über 100 Menschen getötet worden, als Aufständische ein Treffen einer regierungstreuen Miliz in den Stammesgebieten an der afghanischen Grenze angriffen. Seitdem starben Tausende weitere Menschen bei Anschlägen in dem Land, in dem Regierung und Armee den Terror nicht in den Griff bekommen.„Rache für das Märtyrertum von Osama bin Laden“ Am Freitag dauert es nur wenige Stunden, bis sich ein Sprecher der pakistanischen Taliban (TTP) telefonisch bei Medienvertretern meldete, um die Verantwortung für das Massaker zu übernehmen. „Dieser Angriff wurde ausgeführt, um Rache für das Märtyrertum von Osama bin Laden und für die Grausamkeiten der pakistanischen Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten zu üben“, sagt TTP-Sprecher Ehsanullah Ehsan. Dass viele der jungen Männer, die durch die Taliban-Bomben am Freitag gestorben sind, selber aus den Stammesgebieten gestammt haben dürften, erwähnt er nicht.Stattdessen warnt der TTP-Sprecher die Pakistaner davor, „ihren Kindern zu erlauben, zur pakistanischen Armee oder den paramilitärischen Truppen zu gehen“ – denen er mit weiteren, noch blutigeren Anschlägen droht. Zur Begründung sagt er: „Unsere Sicherheitskräfte haben sich mit den Amerikanern verbündet.“Das Misstrauen sitzt tief Dabei dürften gerade die Amerikaner auf mehr Bündnistreue bei den pakistanischen Sicherheitskräften hoffen. Das Klima zwischen Islamabad und Washington ist nach der US-Mission zur Tötung Bin Ladens Anfang vergangener Woche vergiftet. Das Misstrauen sitzt tief, seit die Amerikaner die Pakistaner bei der Operation in deren eigenem Land einfach außen vor ließen – und seit klar ist, dass Bin Laden jahrelang unbehelligt in Pakistan leben konnte.Zu beiden Punkten fordert auch die pakistanische Opposition Aufklärung. Am Freitag sollte die Armeeführung Parlamentariern hinter verschlossenen Türen Rede und Antwort stehen – wenige Stunden nach dem Angriff auf die Rekruten. Zwar hat niemand erwartet, dass nach dem Tod Bin Ladens der Terror in Pakistan aufhören würde. Dennoch erhöht der Anschlag vom Freitag den schon jetzt gewaltigen Druck auf Regierung und Armee noch weiter – zeigt er doch deutlich, dass es ihnen nicht gelingt, solche Angriffe zu verhindern.dpa