Die Protestmärsche bewegten sich am Samstag in aller Stille von 16 Punkten der Stadt Novi Sad in Richtung des Bahnhofs, wo um 11.52 Uhr, dem Zeitpunkt, an dem im Vorjahr das Unglück passierte, 16 Gedenkminuten für die Opfer abgehalten wurden. Im Gegensatz zu früheren Demonstrationen hörte man an diesem Samstag keine Trillerpfeifen und sah keine Fahnen, nur hie und da schwarze Spruchbänder. „Pamtimo“ (Wir erinnern uns), stand auf einem davon.<BR /><BR />Auch ein Jahr nach dem Unfall wurden noch keine Anklagen gegen Verantwortliche erhoben. Unabhängige Experten und Oppositionelle machen Schlamperei und Korruption unter dem teils autoritär herrschenden Präsidenten Aleksandar Vučić für die Tragödie verantwortlich.<BR /><BR />Seit dem Unfall vor einem Jahr ist Serbien in Aufruhr. Studenten, die landesweit staatliche Universitäten blockierten, und andere Bürger verlangen die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und die Ausschreibung von vorgezogenen Parlamentswahlen. Präsident Vučić hatte die Forderung nach einer vorgezogenen Parlamentswahl lange Zeit vehement abgelehnt, um sie schließlich für Ende des nächsten Jahres anzukündigen.<BR /><BR />Freitagabend hatte sich Vučić erstmals bei den protestierenden Studenten entschuldigt. Er entschuldige sich „für alles, was er über Studenten und Demonstranten sowie andere Leute, mit welchen er nicht einverstanden war, gesagt“ habe, sagte Vučić. Den Familien der Opfer bekundete er sein Beileid.<BR /><BR />Erst kürzlich hatte der Präsident die Studenten beschuldigt, dass sie am Samstag in der nordserbischen Stadt Krawalle und auch Brandschatzungen planten. Seitens der Behörden wurden sie immer wieder als „Blokaderi“, „Terroristen“, „Ustaschas“ auch „Nazis“ bezeichnet. Ihnen wurde wiederholt vorgeworfen, den Staat ruinieren zu wollen. Auch sollten sie im Dienste einer von außen vorbereiteten „bunten Revolution“ stehen.<BR /><BR />Die Organisatoren der Gedenkfeier und auch viele Teilnehmer trauen den Worten ihres Präsidenten jedoch nicht über den Weg. Hätte er es ehrlich gemeint, würde er vorgezogene Parlamentswahlen ausschreiben, so der Tenor. „Wir alle wollen dasselbe: Gerechtigkeit und Freiheit“, meint eine ältere Teilnehmerin der Gedenkfeier gegenüber dem TV-Sender N1.<BR /><BR />Wie schon vor anderen großen Studentenprotesten wurde der Eisenbahnverkehr nach Novi Sad auch dieses Mal eingestellt, wiederum angeblich wegen Bombendrohungen. Das staatliche Eisenbahnunternehmen Srbija putevi hat für die kommenden Tage umfangreiche Reparaturarbeiten an Verkehrswegen nach Novi Sad angekündigt. Am Freitagabend haben auch einzelne Busunternehmen den Verkehr nach Novi Sad eingestellt. Kritiker wollen darin den Versuch der Behörden erkennen, Regierungsgegnern aus anderen Teilen des Landes die Teilnahme an den Protesten zu erschweren.<BR /><BR />SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder forderte Samstagvormittag, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssten, da es sonst keine Gerechtigkeit geben könne. „Seit einem Jahr gehen in Serbien Tag für Tag Menschen auf die Straße, um gegen Korruption und Machtmissbrauch im eigenen Land zu protestieren.“ Doch anstatt zuzuhören, reagiere Präsident Aleksandar Vučić mit Einschüchterung und Gewalt, betonte Schieder, der auch die Verantwortung der EU hervorhob. Diese müsse „endlich Konsequenzen ziehen und gezielte Sanktionen gegen jene verhängen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind“.<BR /><BR />Auch in Wien wurde am Samstag der Opfer gedacht. Wie die Polizei der APA auf Anfrage mitteilte, wurden laut Veranstalter 200 bis 300 Menschen zu einer Gedenkveranstaltung am Heldenplatz erwartet.