Der Medienzar verlor bei den Strichwahlen der Bürgermeisterwahlen in sieben von elf Großstätten. Vor allem der Linksruck in seiner Heimatstadt Mailand schmerzt den Premier besonders. Die Finanzmetropole, in der Berlusconi seinen Erfolg als Bauunternehmer, Medienunternehmer und Politiker aufgebaut hat, kehrt ihm erstmals den Rücken. Seit 17 Jahren hatte kein linker Bürgermeister mehr die 1,5-Millionen Industriestadt regiert. Die Opposition wittert den Beginn einer neuen politischen Ära. „Ist der Berlusconismus zu Ende?“, fragen sich jetzt Analysten.Für Berlusconi ist die Schlappe besonders schmerzhaft, weil er sich persönlich im Wahlkampf engagiert und die Kommunalwahlen zu einem „Referendum“ über seine Politik erklärt hatte. Der Beschluss, dem lokalen Wahltest eine nationale Relevanz beizumessen, hat sich für den skandalerschütterten Medienzaren als Bumerang erwiesen. Die Kommunalwahlen seien zu einem großen Misstrauensvotum für den Premier geworden, analysierten politische Beobachter. Der „Mythos der Unbesiegbarkeit“ Berlusconis sei gebrochen.Sogar langjährige Vertrauensmänner des Premiers geben Berlusconi die Alleinschuld für die Wahlschlappe. Im Wahlkampf habe der TV-Tycoon mit seinen Angriffen auf die Staatsanwälte übertrieben, die gegen ihn ermitteln. Seit Monaten sei die römische Politik von den persönlichen Problemen des Premiers monopolisiert. „Die Leute haben es satt, von Berlusconis Bunga Bunga-Partys zu hören, während das Land wegen der schweren Wirtschaftskonjunktur stöhnt“, schrieb ein Berlusconi-Wähler auf der Facebook-Seite der Berlusconi-Partei PdL.Fraglich ist jetzt, ob der Premier bis Ende der Legislaturperiode im Sattel bleiben wird. Die Allianz mit dem treuen Bündnispartner Lega Nord wackelt unter dem Druck des Debakels im Mitte-Rechts-Lager. Die Partei von Umberto Bossi zahlt einen hohen politischen Preis für die Allianz mit dem skandalgeschüttelten Berlusconi und ist von seinen Stimmenverlusten mitgerissen worden. Die Demütigung für Berlusconi könnte zum Ende einer seit 15 Jahren andauernden Allianz zwischen ihm und der Lega Nord führen.Auch Demoskop Renato Mannheimer diagnostiziert einen „wirklichen Wandel“ in Italien. Erstmals seien moderate Wähler in Norditalien, wie Angestellte und Selbstständige, zum PD übergelaufen. Sogar die einflussreichen Unternehmerkreise hätten in Mailand der von Berlusconi gesponserten Bürgermeisterin Letizia Moratti den Rücken gekehrt und massiv für den Linkskandidaten Giuliano Pisapia gewählt. „Wir erleben einen friedlichen Tsunami, der die Regierungskoalition hart trifft“, kommentierte der Oppositionspolitiker Francesco Rutelli.Berlusconis Partei versinkt im Chaos. Der Parteikoordinator und Ex-Kulturminister Sandro Bondi reagierte mit seinem Rücktritt auf die Wahlschlappe. Künftig soll der junge Justizminister Angelino Alfano die Partei in die Hand nehmen und sie neu strukturieren.In dieser schwierigen Situation versucht der Premier mit Humor zu reagieren: „Ich wollte das Datum meines Begräbnisses bekanntgeben, doch ich habe demnächst zu viele Termine, daher haben wir ihn verschoben“, sagte Berlusconi, der an einem italo-rumänischen Gipfeltreffen in Bukarest teilnimmt. Die Heimkehr nach Rom wird ihn mit der harten Wirklichkeit konfrontieren. Der Premier hat ein Treffen mit den Spitzenpolitikern seiner Koalition einberufen, um die Wahlergebnisse zu analysieren. Nicht ausgeschlossen wird, dass in seiner Partei einige Köpfe rollen werden. Zugleich ist der Premier wieder mit Justizproblemen konfrontiert. In Mailand wurde am Dienstag der Ruby-Prozess fortgesetzt, bei dem Berlusconi wegen Sex mit einer Minderjährigen vor Gericht steht. apa