Die Pandemie und im Besonderen die Corona-Maßnahmen haben auch in Südtirol eine Protestbewegung hervorgebracht, die durchaus in einer Partei münden könnten. Oder etablierte Parteien in der Regierung oder in der Opposition in diesem Teich ihre Stimmen holen?<BR /><BR /><BR /><BR />Der Politikwissenschaftler und emeritierte Universitätsprofessor Günther Pallaver aus Branzoll beobachtet seit Jahren die politische Szene in Südtirol und ist einer der Herausgeber von „Politika“, des Jahrbuchs der Politik. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="742628_image" /></div> <BR /><b>Herr Professor Pallaver, es gibt Gerüchte und Hinweise darauf, dass sich auch in Südtirol eine Impfgegner-Partei bilden könnte. Welche Chancen geben sie ihr?</b><BR />Günther Pallaver: Parteien entstehen vornehmlich, wenn es Bruchlinien in der Gesellschaft gibt. Zum Beispiel die Bruchlinie zwischen Kapital und Arbeit mit den Arbeiterlparteien; oder jene zwischen Ökonomie und Ökologie, die zur Gründung der Grünen geführt hat. Die gesellschaftliche Bruchlinie „impfen – nicht impfen“ ist derzeit sehr stark präsent, es könnte daher auch hier eine neue Partei entstehen. <BR /><BR /><b>Im Hinblick auf die Landtagswahl 2023.</b><BR />Pallaver: Durchaus, nur besteht das Problem darin, dass sich bis dahin die Pandemie verflüchtigen könnte und daher diese Bruchlinie nicht mehr so stark spürbar ist. Somit würde einer solchen Partei die Grundlage fehlen. Sie wäre eine Art „Flash Party“, die schnell aufblitzt und dann wieder weg ist. Die Frage ist, ob sie – neben dem Thema Impfung und Corona-Maßnahmen – andere Inhalte anbieten kann. <BR /><BR /><embed id="dtext86-53156689_quote" /><BR /><BR /><b>Diese Frage dürfen sie bitte jetzt auch beantworten...</b><BR />Pallaver: Die Impfgegner und -skeptiker sind stark von einer antipolitischen Haltung geprägt. Sie legen sich mit den „Systemparteien“ an, sind eine Art Protestbewegung. In dieser Hinsicht ist manches möglich, auch wenn etwa 30.000 Impfverweigerer nicht automatisch eine Impfgegner-Partei wählen müssen. Wir hatten bereits Protestparteien, etwa die Freiheitlichen, die sich als Alternative zur „etablierten“ Politik angeboten haben und damit Erfolge einfahren konnten. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass reine Protestparteien rasch an Glanz verlieren. Aus dieser Kombination aus Impfverweigerung, Protest und frustrierten Wählern könnte schon etwas entstehen, aber ich bin überzeugt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Bei einer solchen Partei fehlt die Nachhaltigkeit. <BR /><BR /><b>So aus dem Bauch heraus: Wäre der Sprung in den Landtag möglich?</b><BR />Pallaver: Das hängt von vielen Faktoren ab. Wie es Modernisierungsverlierer gibt, gibt es auch Pandemieverlierer. Ein Mandat, vielleicht auch 2, sind möglich. Natürlich nur, wenn sich das Produkt „Impfgegnerschaft“ verbunden mit anderen Angeboten eine Marktnische sichern kann. Aber wie gesagt: Es ist ein kurzlebiges Produkt, weil die Pandemie hoffentlich bald zu Ende ist. <BR /><BR /><b>Es ist auch deutlich zu sehen, dass andere Parteien aus diesem Teich der Impfgegner ihre Stimmen herausfischen wollen. Wem könnte das gelingen?</b><BR />Pallaver: Es war vor allem bei der Süd-Tiroler Freiheit zu beobachten, dass sie eine gewisse Nähe zu dieser Bewegung sucht. Aber sie hat sich in den vergangenen Jahren stark auf ein einziges Thema, auf die Selbstbestimmung konzentriert; man nimmt der Süd-Tiroler Freiheit jetzt nicht von heute auf morgen ab, dass sie da eine neue Kompetenz entwickelt hat. Zudem wird nicht jeder Impfskeptiker und -gegner gleich eine neue Partei wählen. Ich denke zum Beispiel an einen Unternehmer, der mit dieser Bewegung sympathisiert. Wenn es dann aber zur Wahl kommt, könnte er aus Eigeninteresse z.B. die Volkspartei wählen, die Regierungsmacht ausübt und Subventionen verteil.