Für die Südtiroler Uni-Studenten ist das Außenamt der Provinz Bozen in Brüssel DIE Anlaufstelle. Was es konkret bedeutet, ein dreimonatiges Praktikum beim Außenamt Brüssel zu absolvieren, beschreibt Kathrin Oberrauch, die von September bis Dezember 2009 dort wichtige Erfahrungen sammeln durfte, in einem Bericht, den STOL hier vollinhaltlich veröffentlicht:„Praktikum in Brüssel oder: Kopieren und Kaffee kochen? Nicht in Brüssel!Ein Praktikum im Außenamt Brüssel ist vor allem eines nicht: Kaffee kochen und fotokopieren. Das wird dem angehenden Praktikanten spätestens dann klar, wenn er am ersten Arbeitstag ins sprichwörtliche ‚kalte Wasser‘ geworfen wird. Aber die erste Hürde gilt es bereits vor Praktikumsbeginn zu überwinden: Für eine erfolgreiche Aufnahme in die Rangliste der Praktikanten der Landesverwaltung, Außenamt Brüssel, ist ein positives Eignungsgespräch nötig. Einige Monate nach dem konkreten Ruf nach Brüssel müssen meist sehr kurzfristig Flug und Unterkunft organisiert werden. In Brüssel angekommen, gibt es zunächst kleinere Hürden bürokratischer Natur: die Organisation von Zugangsausweisen zum Ausschuss der Regionen und zum Europäischen Parlament etwa. Doch wenn nach dem fünften Vorsprechen die Zugangsberechtigungen für das Europäische Parlament und den Ausschuss der Regionen zumindest in Aussicht stehen, hat man sie überwunden. Es wird einem schnell bewusst, dass auch die EU ein Verwaltungsapparat ist – und dass die Belgier an sich ein sehr ruhiges und gelassenes Volk sind. Das Außenamt Brüssel liegt zentral im Europaviertel und teilt seine Büroräume mit der Autonomen Provinz Trient und dem Land Tirol. Gemeinsam bilden sie die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino. Die Zusammenarbeit mit den Praktikanten aus Trient und Tirol und eine gemeinsame Küche und Garten sorgen dort für ein angenehmes Arbeitsklima. Die Aufgaben des Praktikanten sind vielfältig, alles andere als monoton und meistens dringend. Sie betreffen, wie die des Außenamtes im Allgemeinen, vor allem das Filtern von Südtirol-relevanten Informationen, die Beantwortung von Anfragen zu EU-Themen, sowie Mithilfe bei der Organisation von Veranstaltungen oder Besuchen im Außenamt. Konkret bedeutet das, zwei bis dreimal wöchentlich, eine Presserundschau zu erstellen, um einen Überblick über die wichtigsten Neuigkeiten in der ‚Welt Europa‘ zu liefern. Beim Besuch von Konferenzen zu den verschiedensten Themen, von der Gesundheits- über die Transport- bis hin zur Tourismuspolitik, erhält man meist die neuesten Informationen, die dann, in Berichte verpackt, an interessierte Stellen in Südtirol weitergeleitet werden. Leider sind nicht alle Konferenzen so interessant wie sie klingen – aber nach einigen Wochen lernt man, Relevantes von Irrelevantem zu filtern. Trotzdem bieten alle Konferenzen zumindest eines: die Möglichkeit sich auszutauschen, ‚Networking‘ zu betreiben, also andere Teilnehmer kennenzulernen – denn wer weiß, vielleicht ist auch ein wichtiger Kontakt für später dabei. Und wenn es manchmal schwierig ist, die Konferenz zu erreichen, kann das an verschiedenen Gründen liegen: Man befindet sich in einer fremden Stadt und muss sich, ausgestattet mit einem Stadtplan, erst mal zurecht finden! Es kann aber auch passieren, dass sich gerade die Staats- und Regierungschefs zur Ratssitzung treffen – und die Straßen rund um das Zentrum des Europaviertels von Polizei und Drahtzaun abgeriegelt sind. Schwierig sich frei zu bewegen wird es auch, wenn Milchbauern gegen Reformen protestieren oder Klimaschützer den Zugang zu einem Konferenzgebäude erst dann frei machen, wenn die Polizei mit Pfefferspray eingreift.Allgemein ist Brüssel aufregender, als manch einer vermuten wird. Da die Erwartungen an Brüssel als Stadt ja meist nicht sehr hoch gesteckt sind, bietet die belgische Hauptstadt umso mehr positive Überraschungen. Ein relativ sonniger Herbst wie es 2009 der Fall war, ist zwar eher die Ausnahme, denn Regentage gibt es genug in Belgien, doch auch an das wechselhafte Wetter kann man sich gewöhnen. Brüssel bietet nämlich einige Alternativen: das naturhistorische Museum mit seiner beeindruckenden Dinosaurier-Ausstellung ist genauso ein Tipp, wie die vielen Kinos, die Filme in Originalsprache zeigen (mit französischen/flämischen Untertiteln). Und bei schönem Wetter kann man es wunderbar auf der Place Saint Catherine oder der Place Jourdan aushalten, wo auf dem Sonntagsmarkt frische Miesmuscheln und Austern angeboten werden. Miesmuscheln in allen Varianten, besonders „moules et frites“, sind das Nationalgericht Belgiens, dicht gefolgt von Pommes Frittes und Schokolade, sowie Hunderte Sorten an belgischem Bier.Wenn man in Brüssel auch alleine ankommt – Anschluss findet man bald. Praktikanten, die niemanden kennen und nur für einige Monate bleiben, gibt es genug. Und bei den organisierten Treffen, zum Beispiel dem österreichischen Praktikantenstammtisch, ist jeder gern willkommen.Neben dem Heer an Praktikanten, gibt es in Brüssel eine unüberschaubare Menge an Nicht-Brüsselern, was maßgeblich dazu beiträgt, dass es unmöglich ist, sich in Brüssel fremd oder als Ausländer zu fühlen; denn in Brüssel ist jeder und keiner Ausländer und fast alle sind Europäer.Was ist ein Praktikum in Brüssel mit Sicherheit? Zu schnell vorüber. In Brüssel scheint die Zeit schneller zu vergehen, darüber sind sich alle Praktikanten einig. Aber dass auch rasch vorbeiziehende drei Monate viel bringen, ist ebenso klar: Es ist der Einblick in die Südtiroler Landesverwaltung einerseits, und in den Ablauf der Tätigkeiten der EU- Institutionen andererseits. Man versteht, wie Entscheidungen geformt werden und auch was Lobbytätigkeit ist, wird einem in Brüssel bewusst. Vor allem lernt man konkrete, aktuelle Sachverhalte kennen, die einem auf der Uni nicht beigebracht wurden. Man findet den Weg durch den Dschungel der Abkürzungen, hat natürlich in den Sälen des Parlaments oder des Ausschusses der Regionen gesessen und findet mitunter auch ein Thema für die Abschlussarbeit oder ein interessantes Arbeitsangebot für die Zeit nach dem Praktikum. Das Praktikum ist also mehr als empfehlenswert – für all jene, die bereit sind, den Sprung ins kalte Wasser der Arbeitswelt in einer fremden Stadt zu wagen.“Kathrin Oberrauch