<b>von Carla Norrlöf, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität von Toronto</b><BR /><BR />Könige herrschen durch die Gnade ihrer Geburt und göttlichen Segen. Sie herrschen auch durch Furcht. Als in diesem Monat Millionen von Demonstranten unter dem Motto „Keine Könige“ auf die Straße gingen, postete Donald Trump daraufhin ein KI-generiertes Video seiner eigenen Krönung, nur um am nächsten Tag zu beteuern, dass er kein König sei. Also was nun?<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1232604_image" /></div> <BR /><BR />Die junge Podcasterin Brilyn Hollyhand nimmt die Frage wörtlich und stellt fest, dass es in den USA keine Könige gäbe und dass Trumps Videos nur eine spielerische Trollerei seien. Die eigentliche Frage ist jedoch, ob Trump die Art von Befugnissen anstrebt, die in der Vergangenheit Monarchen vorbehalten waren.<h3> Immunität und exekutive Macht</h3>Gemäß dem Urteil des Obersten Gerichtshofs in der Sache Trump gegen die Vereinigten Staaten genießen Präsidenten absolute Immunität für Handlungen, die unter die zentralen verfassungsmäßigen Befugnisse des Präsidenten fallen, und mutmaßliche Immunität für andere Amtshandlungen, was die Kontrolle geballter exekutiver Macht noch schwieriger macht. <BR /><BR />Vor diesem Hintergrund sagen Kritiker, dass Trump bereits wie ein König regiere, indem er die Kontrolle über unabhängige Institutionen beanspruche, bestehendes Personal durch vertrauenswürdige Gefolgsleute ersetze, durch Zölle und andere Mittel willkürlich Strafen verhänge und allgemein eine Atmosphäre der Furcht schaffe.<BR /><BR />Trumps Anhänger jedoch sehen in diesen Maßnahmen eine starke, entschlossene Führung durch einen Präsidenten, der bei der letzten Wahl immerhin eine Mehrheit der Stimmen erzielte. Sie sehen einen CEO, der Hürden aus dem Weg räumt, um Ergebnisse zu erzielen.<BR /><BR />Doch auch wenn Trump auf dem Papier kein König ist, erinnert seine Strategie an die Machtmittel, die einst von Königen ausgeübt wurden – vor allem von Heinrich VII., jenem Tudor-Monarchen, der seine Herrschaft konsolidierte, indem er rivalisierende Adlige schwächte, die Kontrolle über das Steuerwesen zentralisierte und den Regierungsapparat umgestaltete.<h3> Finanzielle Kontrolle als Machtinstrument</h3>So nutzte Heinrich beispielsweise verdeckte Geldbeschaffungsmaßnahmen, Anleihen, Zwangsspenden und Geldstrafen, um Gelder ohne die Zustimmung anderer für königliche Prioritäten zu verwenden. <BR /><BR />In ähnlicher Weise hat die Trump-Regierung fristgebundene Auslandshilfen in Milliardenhöhe eingefroren und damit eine Befugnis (über Haushaltsentscheidungen) ausgeübt, die eigentlich dem Kongress zusteht. <BR /><BR />Obwohl ein Bundesrichter die Regierung im September anwies, die Gelder freizugeben, gestattete der Oberste Gerichtshof anschließend, dass ein Großteil der Ausgabensperre bis zum Ende des Haushaltsjahres weiterläuft.<BR /><BR />Trumps Anhänger würden sagen, dass derartige Ausgabensperren für bereits bewilligte Ausgaben legal seien und dazu dienen, einer Exekutive, die verschwenderische oder falsch ausgerichtete Ausgaben stoppen möchte, zum Jahresende Flexibilität zu verschaffen. <BR /><BR />So gesehen sei Trumps Blockade dieser Gelder eine weitere entschlossene Maßnahme im Namen seiner Wähler. Und da der Kongress jeden derartigen Ausgabenstopp per Gesetz nach wie vor unterbinden könne, unterläge seine Macht durchaus der Kontrolle.<h3>Umbau der Verwaltung – Loyalität statt Leistung</h3>Doch hat die Regierung auch wichtige Stellen neu eingestuft, Schutzregelungen zugunsten von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes zurechtgestutzt und Befugnisse von Laufbahnbeamten auf Loyalisten verlagert. Behördenjuristen schreiben Richtlinien um, Wissenschaftler entschärfen Gefahrenberichte, und Ethikbeauftragte überarbeiten Stellungnahmen, bis sie den politischen Vorgaben entsprechen.<BR /><BR /> Streitigkeiten, die früher im Rahmen von Anhörungen oder von Überprüfungen durch Generalinspekteure geklärt wurden, werden heute unter Ausschluss der Öffentlichkeit beigelegt, so dass man kaum etwas darüber erfährt.<h3>Das Ende des Leistungsprinzips</h3>Der Sinn eines auf dem Leistungsprinzip beruhenden Systems besteht darin, zu verhindern, dass die Regierung wie ein Königshof funktioniert, an dem Loyalität wichtiger ist als Kompetenz. Wenn loyale Insider gegenüber erfahrenen Fachleuten bevorzugt werden, spiegeln Entscheidungen eher persönliche Beziehungen als Fachwissen wider, und die Aufsicht ist tendenziell lasch. <BR /><BR />Unter Trump besetzen kommissarisch agierende Amtsträger zunehmend Posten, die eigentlich die Zustimmung des Senats erfordern, Anhörungsfristen wurden von 60 auf 30 Tage gekürzt, und Bekanntgaben erfolgen manchmal überhastet.<h3> Befürworter und Kritiker im Widerstreit</h3>Auch hier würden Trumps Anhänger sagen, dass diese Veränderungen verkrustete bürokratische Strukturen aufbrechen, Obstruktionisten ersetzen und es der gewählten Führung ermöglichen, die Agenda umzusetzen, mit der sie in den Wahlkampf gezogen sei. Andere wiederum sehen darin eine Konsolidierung der Macht, die, selbst wenn sie legal ist, eher monarchischen Charakter hat. Regeln bestehen, damit die Inhaber von Machtpositionen öffentlich Rechenschaft ablegen müssen.<BR /><BR /> Aus diesem Grund sind Behörden eigentlich verpflichtet, zuerst Vorschläge für Maßnahmen zu unterbreiten, dann öffentliche Stellungnahmen einzuholen und schließlich ihre Entscheidungsgründe offenzulegen. Doch die einzelnen Schritte werden inzwischen derart stark komprimiert, dass sie kaum noch funktionieren. Der Prozess bleibt erhalten, aber er hat mehr Alibifunktion, als dass er ein Instrument zur Rechenschaftslegung ist.<h3> Macht durch Vakanzen und Loyalisten</h3>Ähnlich wie Heinrich VII. Schlüsselpositionen mit Loyalisten besetzte oder Ämter einfach brachliegen ließ, haben die langen Vakanzen bei den US-Generalinspekteuren Ermittlungen verlangsamt, während Interimschefs, denen es an festem politischen Rückhalt mangelt, davon absehen, die Einhaltung der Vorschriften durchzusetzen. <BR /><BR />Die Gesetze zur Informationsfreiheit bleiben zwar bestehen, verlieren aber durch längere Wartezeiten und die häufigere Ablehnung von Anträgen an Durchschlagskraft. Dies erinnert an die Tudor’sche Gewohnheit, rechtliche Formen intakt zu halten, sie aber ihrer Substanz zu berauben.<h3> Rechtliche Grenzen und politische Realität</h3>Das Recht soll der Macht Grenzen setzen. Doch werden diese Grenzen unweigerlich durchlässig, wenn sich die Exekutive auf umfassende Immunität für amtliche Handlungen, Begnadigungen für Verbündete und vorgeschobene Strafverfahren gegen Gegner stützen kann. <BR /><BR />Auch wenn Protest legal und öffentlich sichtbar bleibt: Die Wahrung dieser Rechte hängt von einer gleichmäßigen Anwendung ab. Werden Verbündete deutlich milder behandelt als Kritiker, gilt faktisch nicht mehr gleiches Recht für alle, und Unternehmen, NGOs oder Vertreter lokaler Wahlbehörden passen ihr Verhalten dann womöglich an, um Konflikte zu vermeiden.<h3>Erosion der Kontrollmechanismen</h3>Noch haben die USA Leitplanken in Gestalt von Gerichten, die der Exekutive gelegentlich die Grenzen aufzeigen, von Bundesstaaten und Städten, die sich wehren, von Reportern, die Missstände aufdecken, von Bürgern, die auf die Straße gehen, und von einem Kongress, der seine verfassungsmäßigen Befugnisse wieder geltend machen könnte.<BR /><BR /> Aber wenn sie vernachlässigt werden, erodieren diese Kontrollmechanismen. Im England Heinrichs VII. wurden Institutionen mit ehrwürdigen Namen von innen heraus ausgehöhlt. Das Gleiche kann in einer modernen Republik passieren, wenn die Bürger die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente nicht nutzen.<h3>Neue juristische Entwicklungen</h3>Jüngste Gerichtsentscheidungen nagen an diesen Schutzmechanismen – nicht nur, indem sie Immunität für amtliche Handlungen gewähren, sondern auch, indem sie Beweisregeln einschränken, die Abberufung von Amtsträgern erleichtern, den Ermessensspielraum der Behörden begrenzen und einstweilige Anordnungen nutzen, um Gelder so lange einzufrieren, bis sie verfallen. <BR /><BR />Doch auch wenn Trump mehr Macht erhalten hat, ist er nicht gekrönt worden. Ein Präsident ist kein König: Er kann weder ohne Wahlen herrschen, noch ohne Bewilligung Geld ausgeben, noch Gerichte auflösen oder subnationalen Regierungen ihre Befugnisse entziehen.<h3> Ein fortdauernder Machtkampf</h3>Die Debatte wird weitergehen zwischen jenen, die Trumps Taktiken als legitimes Mittel betrachten, um Blockaden zu überwinden und Versprechungen einzuhalten, und jenen, die darin eine Strategie sehen, um Transparenz und Aufsicht zu beseitigen und die Institutionen in ihrer Form intakt zu lassen, aber in ihrer Funktion zu verändern. <BR /><BR />Es geht weniger um Kronen und Titel als vielmehr darum, ob die Präsidentschaft zum einzigen Ort wird, wo nationale Entscheidungen getroffen werden. Dieser Kampf spielt sich jetzt in Haushaltsfragen, Ernennungsentscheidungen und vielen anderen Prozessen innerhalb der Zivilverwaltung ab. Letztlich wird es weniger darauf ankommen, ob Trump sich selbst als König sieht, sondern ob der Kongress, die Gerichte, die Wirtschaft und die Wähler dies tun.