<b>STOL: Herr Rienzner, eine Frage, die sich derzeit angesichts der hohen Strompreise wohl viele stellen: Könnte Südtirol den Strompreis mittelfristig autonom bestimmen?</b><BR />Rudi Rienzner: Ja, das wäre möglich, wenn man es wollte. Wir als Energieverband haben bereits 2017 in einem Rechtsgutachten dargelegt, dass wir in Südtirol eine andere Realität haben als im restlichen Italien, was die Stromverteilung und die Fernheizwerke betrifft, dass also die staatliche Regulierung für Südtirol die falsche ist. <BR /><BR /><b>STOL: Wie hat die Politik damals reagiert?</b><BR />Rienzner: Sie hat unseren Einwand nicht ernst genommen. Dabei hätte man ja schon bei der sogenannten Heimholung der Energie nach Südtirol Nägel mit Köpfen machen können. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56350569_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Inwiefern?</b><BR />Rienzner: Die Heimholung der Stromproduktion und Stromverteilung ist auf der Basis des Autonomiegesetzes erfolgt. Man hätte also im Zuge dieser Heimholung vor einigen Jahren eine eigene Regulierungsbehörde für Südtirol schaffen können, um mittelfristig den Strompreis selbst bestimmen zu können. Das ist aber leider nicht passiert. Ende 2021 und im Frühjahr 2022, als wir gesehen haben, dass die Energiepreise massiv ansteigen werden, haben wir den Vorschlag einer eigenen Regulierungsbehörde sofort wieder auf den Tisch gebracht. 2 Professoren haben für uns ein Gutachten erstellt, das wir auch in der zuständigen Kommission des Landtages vorgestellt haben. Dieses Gutachten besagt, dass eine eigene Regulierungsbehörde für Südtirol möglich ist und dass es ein autonomiepolitisches Versäumnis ist, dass dies bislang noch nicht umgesetzt worden ist. <BR /><BR /><b>STOL: Wenn man diese Regulierungsbehörde errichten würde, wie lange würde es dauern, bis Südtirol autonom über den Strompreis bestimmen könnte?</b><BR />Rienzner: Das würde sicherlich einige Zeit dauern, wahrscheinlich ein paar Jahre. Aber die Notwendigkeit momentan ist derart groß, dass man alles tun müsste, um diese Zeitspanne zu verkürzen. Aber wie schon erwähnt: Wenn man bereits bei der Heimholung der Energie nach Südtirol mit der Errichtung einer eigenen Regulierungsbehörde begonnen hätte, dann könnte man jetzt den Strompreis autonom vom restlichen Italien bestimmen. Nehmen wir die historischen Genossenschaften in Südtirol als Beispiel her: Wir mussten lange dafür kämpfen, dass sie unabhängig sind. Aber es hat sich gelohnt. Sie sind komplett vom Gaspreis entkoppelt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56354611_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Sie sagen, es ist ein autonomiepolitisches Versäumnis, dass man in Südtirol keine eigene Regulierungsbehörde errichtet hat. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund, dass man dies nicht getan hat?</b><BR />Rienzner: Vorab muss ich sagen: Es steckt sicher keine Böswilligkeit dahinter. Es heißt immer, es sei strategisch so gewollt gewesen, man wollte die Gewinne aus dem Energiegeschäft abschöpfen. Ich glaube hingegen, dass schlicht und einfach die fachliche Kompetenz gefehlt hat.<BR /><BR /><b>STOL: Wie meinen Sie das?</b><BR />Rienzner: Die Akteure bei der Heimholung der Energie haben einfach schwache Arbeit geleistet. Es hätten Experten miteingebunden werden müssen, die bestätigen, dass es autonomiepolitisch möglich ist, eine eigene Südtiroler Regulierungsbehörde zu errichten, um in der Folge den Strompreis selbst zu bestimmen. Der Fehler bei der Heimholung der Energie war die fehlende Kompetenz. Und diese fehlende Kompetenz zieht sich leider bis heute durch.<BR /><BR /><b>STOL: Inwiefern?</b><BR />Rienzner: Es wird immer betont, dass es nur mittelfristig möglich ist, eine eigene Regulierungsbehörde zu errichten und nicht kurzfristig. Das stimmt. Aber wenn man nie damit beginnt, dann wird man nie zu etwas kommen. Man hätte schon vor Jahren damit beginnen sollen, dann hätten wir jetzt in Südtirol nicht das Problem dieser horrenden Strompreise. Wir müssen in Südtirol endlich damit beginnen die Energie-Autonomie zu nutzen und die Möglichkeiten auszuschöpfen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56354612_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Sie fordern eine eigene Regulierungsbehörde für Südtirol. Der SVP-Abgeordnete Gert Lanz schrieb auf Twitter, dass er den nächsten der sagt, das Energieproblem sei in Südtirol mit einer eigenen Regulierungsbehörde zu lösen, an die ukrainische Front schicken möchte…</b><BR />Rienzner: Das habe ich gelesen und möchte darauf gar nicht eingehen. Ich habe aber völliges Unverständnis dafür, dass diese Angelegenheit so polarisiert wird. Dass eine eigene Regulierungsbehörde für die Südtiroler von großem Vorteil wäre, das muss doch jedem einleuchten. Und wie verschiedene Rechtsgutachten belegen, wäre dies autonomiepolitisch auch machbar. Dass man diese Forderung aber als Blödsinn abtut, nur um von den eigenen Versäumnissen abzulenken, wie dies die Politik momentan tut, dafür habe ich absolut kein Verständnis. Das ist völlig unvernünftig und widerspricht jeglicher Logik. Und noch etwas stört mich…<BR /><BR /><b>STOL: Nämlich?</b><BR />Rienzner: Der Landeshauptmann muss Landeshauptmann für alle Unternehmen sein und nicht nur für ausgewählte Betriebe. Es kann doch nicht angehen, dass er nur die Angebote eines bestimmten Betriebes anpreist, in diesem Fall die Angebote der Landesenergiegesellschaft. Das Land ist zwar Eigentümer der Landesenergiegesellschaft, aber es gibt einen Verwaltungsrat, der für dieses Unternehmen sprechen müsste, nicht der Landeshauptmann. Das funktioniert überall so. Stellen Sie sich vor, Mario Draghi würde als Regierungschef nur die Vorzüge von Enel hervorheben und die anderen Betriebe nicht erwähnen.