Nicht wenige mögen gedacht haben: Dies ist vor allem Uribes Triumph. „Uribe, Uribe, Uribe“, skandierten die Menschen. Santos kam für einen Moment kaum zu Wort. Ein strahlender Wahlsieger im Schatten des Amtsinhabers.Wenn Santos am 7. August das höchste Staatsamt übernimmt, wird er sich von seinem großen Vorbild emanzipieren müssen. Die Hypothek, als „Erbe Uribes“ ins Amt gekommen zu sein, könnte schwer auf dem künftigen Präsidenten Santos lasten. Gute Voraussetzungen hat er allemal: mit 69,05 das beste Wahlergebnis in der Geschichte der kolumbianischen Demokratie, viel Regierungserfahrung, eine parlamentarische Mehrheit und einen gut geölten Parteiapparat.Mit einem einfachen „weiter so“ wird Santos seine vier Amtsjahre aber kaum überstehen können und wollen. Andererseits könnte ihm jede Abweichung von der Politik Uribes als „Verrat“ am Wählerauftrag ausgelegt werden. Wie in Siegesreden von Regierungschefs üblich, rief Santos zu nationaler Einigkeit auf, versprach Präsident aller Kolumbianer zu werden, sagte Armut und Korruption den Kampf an und stellte die Schaffung von Arbeitsplätzen in Aussicht, an denen die Menschen anständig behandelt und entlohnt werden. Eine Mammutaufgabe angesichts der Tatsache, dass 50 Prozent der 45 Millionen Kolumbianer in Armut leben.Eine vorsichtige Absetzbewegung von Uribe war bei Santos jedoch in der Außenpolitik herauszuhören. Hier solle „Respekt und Diplomatie“ künftig das Sagen haben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aus dem Munde eines Politikers, der als Verteidigungsminister die Bombardierung eines im Nachbarland Ecuador gelegenen Lagers der linken FARC-Rebellen befahl, ist das allerdings ein neuer Zungenschlag.An die ihm spinnefeind gesonnenen linksgerichteten Präsidenten Ecuadors und Venezuelas, Rafael Correa und Hugo Chàvez, wandte er sich so: „Ich lade Sie ein, neue Wege für das Wohl unserer Völker zu beschreiten“. Auch in den gespannten Beziehungen zwischen Regierung und Justiz will Santos mehr Harmonie walten lassen.Nicht Harmonie, sondern noch mehr Feuer und Schwert versprach Santos hingegen den FARC-Rebellen. Uribe hatte der marxistischen Rebellengruppe „Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens“ (FARC) seit seinem Amtsbeginn 2002 schwere militärische Niederlagen beigefügt und damit einen guten Teil seiner Popularität begründet.Die Beteiligung von Santos als Verteidigungsminister an diesen Erfolgen erklärt zum Teil seinen glänzenden Wahlsieg.Allerdings verfügen die „Gummistiefel-Rebellen“ Dank ihrer Beteiligung am Drogenschmuggel über eine gut gefüllte Kriegskasse und sind immer noch eine erheblich destabilisierende Kraft. Am Wahlwochenende starben durch Anschläge und Kämpfe sieben Polizisten, zwei Soldaten und sechs Rebellen. Dass die Regierung Uribe und auch Santos die FARC ausschließlich als „Drogenterroristen“ abtun, erscheint angesichts von 50 Prozent Armut im Lande jedoch gewagt und macht kaum Hoffnung auf ein Ende des vor mehr als 45 Jahren begonnenen Konflikts.