Die serbischen Ängste gelten vor allem der Lage im Kosovo. „Pristina möchte unsere europäischen Angelegenheiten stören“, sagte der für die EU-Integration verantwortliche Vizepremier Bozidar Djelic bei einem Treffen mit Journalisten. Der Kosovo behindere in EU-Kreisen die Fortschritte Serbiens, gleichzeitig arbeite es für die Anerkennung seiner Unabhängigkeit, zitierte die Tageszeitung „Blic“ am Donnerstag einen ungenannten Regierungsbeamten.Die Sorge Serbiens über die Rolle des Kosovo für den serbischen Erweiterungsprozess hat seit den Grenzunruhen Ende Juli zugenommen. Bei Gesprächen in Brüssel Anfang September soll eine Lösung für die strittigen Grenzübergänge – Jarinje und Brnjak – gefunden werden. „Der Kosovo steigert seine Forderungen und Bedingungen“, klagen Regierungsvertreter in Belgrad unter dem Hinweis, dass Pristina den für Serbien heiklen Zeitpunkt der Gespräche im Vorfeld des EU-Berichts für sich nutzen wolle.In einem wesentlichen Streitpunkt zwischen Serben und Kosovaren – der bisher im Nordkosovo von einheimischen Serben blockierten Umsetzung der kosovarischen Zollgesetze – hatten EU-Vertreter offenbar bereits vergangenes Jahr Druck auf Belgrad ausgeübt. Eine Regelung der strittigen Zollfrage sei als Bedingung für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen genannt worden, sagte der serbische Vizepremier. Der Streit um die Umsetzung der kosovarischen Zollgesetze war der Auslöser für die Auseinandersetzung an der Grenze zu Serbien Ende Juli.Für zusätzliche Nervosität in Belgrad sorgt der Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel kommende Woche. Zur Sprache kommen soll nicht nur der EU-Annäherungsprozess, sondern auch der jüngste Grenzstreit mit dem Kosovo. Merkel werde Belgrad auffordern, auf den Nordkosovo zu verzichten, hieß es in serbischen Medien.„Wir müssen klare Signale schicken, dass niemand Serbien in die Situation versetzen soll, zwischen dem Kosovo und Europa zu wählen“, erklärte Innenminister Ivica Dacic im Vorfeld des Besuches. Serbien werde seine Interessen nicht preisgeben, so der Minister. Laut der Präambel der serbischen Verfassung ist der Kosovo ein Bestandteil Serbiens, auch wenn Belgrad jede Kontrolle über die frühere südserbischen Provinz im Juni 1999 verloren hat.Gelingt es Serbien nicht, mit dem Kosovo eine Einigung über Zollfragen, Polizei und Gerichte des von Serben dominierten Nordkosovo zu erzielen, wird Belgrad laut dem Analysten Vladimir Todoric in diesem Herbst keinen Termin für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen bekommen. Womöglich wackle gar der Status als EU-Beitrittskandidat. Serbien steht nach Ansicht des Analysten vor der Aufgabe, die Beziehungen mit dem Kosovo zu normalisieren, um den EU-Annäherungsprozess fortsetzen zu können. Ob dies einer indirekten Anerkennung des Kosovo gleichkommt, sei noch unklar.Die Verunsicherung ist offenbar auch in serbischen Regierungskreisen groß. Während einige Funktionäre beteuern, dass Serbien die Frage des kosovarischen Zollstempels auf jeden Fall zu lösen bemüht sei, behaupten andere, dass ein kosovarischer Zollstempel für Belgrad gar nicht annehmbar sei, da die Unabhängigkeit des jüngsten Staates Europas nicht anerkannt worden sei.Einen Präzedenzfall für die implizite Anerkennung kosovarische Behörden durch Serbien gibt es bereits. Die serbische Agentur für Regionalentwicklung und die kosovarische Behörde für Klein- und Mittelbetriebe hatten Ende Juli in aller Stille die Zusammenarbeit vereinbart. Auf der schriftlichen Einigung, die nun öffentlich bekannt ist, prangen Stempel der beiden Institutionen. Es handle sich dabei um einen klaren Verstoß gegen die Verfassung, sagte der serbische Kosovo-Minister Goran Bogdanovic der Wochenzeitschrift „Nin“ (Donnerstag-Ausgabe).Kosovarische Behörden erhöhen unterdessen den Druck. Diese Woche nahmen sie serbische Linienbusse ins Visier. Ohne Genehmigung des kosovarischen Verkehrsministeriums müssen die Busse der serbischen Transportunternehmen seit einigen Tagen an der Grenze umkehren. Während die größeren Busfirmen solche Genehmigungen nicht besitzen, haben sich einige kleinere Firmen die notwendigen Dokumente offenbar bereits vor einiger Zeit besorgt. Die politischen Ziele und das alltägliche Leben verlaufen nicht unbedingt auf derselben Spur. apa