Showdown in der Ukraine: Die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko erwartet in Kiew ihr Urteil wegen Amtsmissbrauchs.Ein Gericht soll am Dienstag entscheiden, ob die 50-Jährige beim Abschluss von Gasverträgen mit Russland während ihrer Amtszeit 2009 ihrem Land geschadet hat. Für die Anklage steht die Schuld fest. Sie fordert sieben Jahre Haft.Internationale Gemeinschaft kritisiert Verfahren scharf Doch international wird das Verfahren als politischer Schauprozess kritisiert. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt Staatschef Viktor Janukowitsch davor, die prominente Gegenspielerin Timoschenko kaltzustellen.Freilich lehnt der von EU und USA bedrängte Janukowitsch, der einige Rechnungen mit Timoschenko offen hat, einen Eingriff in das Verfahren als widerrechtlich ab.Doch vermuten Beobachter, dass der Staatschef auf Zeit spielt. Das Prozessende gegen die seit zwei Monaten in Untersuchungshaft sitzende Timoschenko war immer wieder verschoben worden. „Derzeit wird in der Umgebung des Präsidenten unter Hochdruck eine Lösung gesucht“, meint der Politologe Wladimir Fessenko.Experten sind allerdings überzeugt, dass das seit 24. Juni dauernde Verfahren eigentlich nur mit einem Schuldspruch enden kann.„Janukowitsch könnte Gesicht verlieren“ „Innenpolitisch geht es für Janukowitsch darum, sein Gesicht nicht zu verlieren. Aus diesem Grund kann er Timoschenko nicht einfach freilassen“, sagt Fessenko. Diskutiert werden aber Gesetzesänderungen, so dass die Vorwürfe nicht mehr unter Strafe stünden.Eine Verurteilung wäre aus Sicht des Westens ein Wendepunkt in den Beziehungen zur Ukraine, die bisher unter den Ex-Sowjetrepubliken noch verhältnismäßig viel demokratische Freiheiten hat. Auch wegen der Sorge um die Errungenschaften der Orangenen Revolution von 2004 unter Timoschenko ist der Druck der EU und der USA so deutlich wie nie in den 20 Jahren Unabhängigkeit. Der Westen warnt Janukowitsch davor, sein Land in die Isolation zu führen.Konkrete Druckmittel der EU sind, die in Aussicht gestellten Abkommen für freien Handel, engere Zusammenarbeit und Visa-Erleichterungen auf Eis zu legen.Das Einwirken westlicher Regierungen sei „außerordentlich wichtig und nützlich“, sagt Timoschenkos Tochter Jewgenija Carr. Sie fürchtet, dass ihre Mutter verurteilt wird, „um sie aus dem politischen Leben zu entfernen“.Der Westen stört sich besonders daran, dass sich die Strafjustiz in der Ukraine augenscheinlich einseitig politische Gegner Janukowitschs vornimmt.Der Präsident steht im Verdacht, Timoschenkos Partei als einzige noch ernstzunehmende Oppositionskraft vor den Parlamentswahlen im nächsten Jahr ausschalten zu wollen. Mit Timoschenko auf der politischen Bühne hingegen muss Janukowitsch um eine zweite Amtszeit bei der Präsidentenwahl 2015 fürchten.Anklage wirft Timoschenko vor Land „immensen Schaden“ zugefügt zu haben Die Anklage in Kiew sieht es als erwiesen an, dass die frühere Gasmanagerin Timoschenko beim Abschluss der Lieferverträge mit Russland ihrem Land umgerechnet 137 Millionen Euro Schaden zugefügt hat.Unter internationalem Druck hatte Timoschenko Anfang 2009 mit dem russischen Regierungschef Wladimir Putin die Verträge ausgehandelt. Es ging damals darum, einen wochenlangen „Gas-Krieg“, bei dem auch viele Wohnungen in der EU kalt blieben, zu beenden.Für die Anschuldigungen gebe es keine Beweise, meint hingegen Timoschenko. Die Ukraine stehe am Scheideweg, schrieb sie ihren Anhängern aus dem Gefängnis. „Licht oder Finsternis“, darum gehe es. Sie ruft die „ehrlichen Menschen“ auf, sich gegen den „Diktator“ Janukowitsch aufzulehnen.Doch Massenproteste wie 2004 sind in der Ukraine, wo viele Menschen die Machtspiele der führenden Akteure längst satthaben, nicht in Sicht. apa/dpa