Der erfahrene EU-Parlamentarier Dorfmann kennt selbst eine Schwachstelle im politischen Betrieb der EU, die seit Jahren nicht ausgebessert wird. <BR /><BR /><b>Sind sie vom Skandal überrascht?</b><BR />Herbert Dorfmann: Ja, absolut. Ich kenne ja fast alle Beschuldigten seit Jahren und ich hätte es ihnen ehrlich gesagt nicht zugetraut..<BR /><BR /><b>Sie hatten beruflich Kontakt mit Kaili?</b><BR />Dorfmann: Ja, sie war im EU-Parlament auch Präsidentin des STOA-Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, in dem ich bis vor wenigen Monaten Mitglied war. Ich kenne sie persönlich und sie hat den Ausschuss-Vorsitz höchst professionell absolviert. Sie ist nicht jemand, die im EU-Parlament ihre Arbeit nicht gemacht hat. Mit einem solchen Vorwurf würde man ihr Unrecht tun. Sie war sehr aktiv im Parlament. Umso mehr wundert mich dieser Skandal. Ich hätte ihr das, was ihr jetzt vorgeworfen wird, nicht zugetraut. Das gilt auch für den Ex-EU-Abgeordneten Antonio Panzeri.<BR /><BR /><b>Im EU-Parlament gibt es ein Lobby-Register, in dem aufscheint, mit wem sich jeder EU-Abgeordneter getroffen hat. Wo sehen Sie nach diesem Skandal Korrekturbedarf?</b><BR />Dorfmann: Ich kenne die Geschichte auch nur aus den Medien. Das Parlament wird morgen wieder zusammenkommen. Dann wird die Präsidentin Roberta Metsola darüber berichten. Dabei werden wir auch entscheiden müssen, was mit der Kollegin Kaili passiert. Ich gehe davon aus, dass sie offiziell als Vizepräsidentin abgesetzt wird. Davon abgesehen, hat dieser Skandal mit dem Lobbyregister wenig zu tun, denn hier geht es um einen Staat, der versucht hat, Einfluss zu nehmen, nicht um schwindlige Vereine. Man kann einem Botschafter oder einem Diplomaten ja nicht verbieten, das EU-Parlament zu betreten. Aber dennoch gibt es eine Schwachstelle. Die EVP-Fraktion im EU-Parlament versucht seit Jahren, Nichtregierungsorganisationen zu zwingen, ihre Einkünfte offenzulegen, da wir befürchten, dass Dinge laufen, die nicht in Ordnung sind. Aber die Sozialisten und die Liberalen haben sich immer vehement dagegen gewehrt. Das habe ich stets als absurd empfunden, zumal viele NGO’s ja auch Geld von der EU und damit Steuergeld erhalten.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57360000_quote" /><BR /><BR /><b>Glauben Sie, dass dies ein Einzelfall oder ein Symptom für ein grundsätzliches Problem ist?</b><BR />Dorfmann: Ich hoffe, dass es ein Einzelfall ist und es dabei bleibt. Aber das Parlament wird sicher auch davon lernen müssen. Vor allem auch was die Assistenten von EU-Parlamentariern angeht, die ja im EU-Parlament eine wichtige Rolle haben können. Sie bereiten etwa ganz maßgeblich Texte vor und dieser Skandal zeigt deutlich, dass man auch die Assistenten in die Verantwortung bringen muss. Offenbar besteht die Gefahr, dass jene, die Einfluss auf das EU-Parlament nehmen wollen, nicht den direkten Weg über EU-Parlamentarier gehen, sondern den indirekten über ihre Assistenten, was manchmal auch einfacher und weniger gefährlich ist, weil diese in der zweiten Reihe stehen. Scharfe Regeln werden hier nötig sein. Wir EU-Parlamentarier werden jedenfalls unsere Lehren aus diesem Skandal ziehen müssen.<BR /><BR /><b>Welche Reaktion des EU-Parlaments erwarten Sie sich jetzt?</b><BR />Dorfmann: Grundsätzlich gilt, dass wir in einem Rechtsstaat leben und dass damit die Unschuldsvermutung gilt. Das gesagt, sollten Abgeordnete, die in den Skandal verwickelt sind, zurücktreten. Zum Rücktritt zwingen kann das EU-Parlament sie nicht. Aber ich hoffe schon, dass die Vizepräsidentin Kaili so anständig ist, ihr Mandat zurückzulegen. Das wäre das Mindeste. Was wir EU-Parlamentarier tun können ist, sie abzusetzen und zwar relativ einstimmig, um ein klares Signal zu setzen. Ich hoffe auch, dass die in den Skandal involvierten Assistenten unverzüglich entlassen werden. Und dann muss die gesamte Handhabung rund um die Nichtregierungsorganisationen neu geregelt werden. Hier kommt auch das Lobby-Register ins Spiel. Man muss sehen, unter welchen Voraussetzungen NGO„s ins Register eingetragen werden und es ist, wie schon erwähnt, offenzulegen, wie diese sich finanzieren, woher ihr Geld kommt. Das ist ein entscheidender Punkt. Ich hoffe, dass die Linksparteien im Parlament diese Lehre endlich verstehen. Es braucht hier Transparenz.<h3> „Wenn kriminelle Energie im Spiel ist“</h3><b>Sie sind seit einigen Jahre</b><b>n EU-Abgeordneter. Welche Erfahrungen haben Sie mit Lobbyisten?</b><BR />Dorfmann: Das europäische Parlament hat sehr strikte Regeln, was den Umgang mit Lobbyisten oder Interessensvertretern betrifft und ich halte diese Regeln auch für richtig. Geschenke mit einem Wert von über 150 Euro müssen der Präsidentin des EU-Parlaments gemeldet werden. Diese teilt uns dann mit, ob wir diese behalten können oder ob wir sie beim Parlament abgeben müssen. Das gleiche Prinzip gilt auch für Einladungen, etwa für Gespräche oder einen Vortrag, irgendwo hinzufahren. Solche Fahrten müssen wir melden. Die Regeln sind strikt und wenn man diese einhält, was ich immer mache, dann ist weitgehend dafür gesorgt, dass solche Skandale nicht vorkommen. Aber wenn kriminelle Energie im Spiel ist, nützt das schönste Gesetz nichts. Wer sich nicht an das Gesetz hält, muss bestraft werden.<BR /><BR />Herbert Dorfmann (SVP) ist seit 3 Legislaturperioden Abgeordneter des EU-Parlaments.<BR />