Vittorio Sgarbi, vor 70 Jahren in Ferrara geboren, machte Karriere als Kunstkritiker und Moderator in den TV-Sendern von Silvio Berlusconi; er war Kammerabgeordneter, EU-Parlamentarier und für kurze Zeit Staatssekretär. Derzeit ist er Bürgermeister von Sutri bei Rom und Präsident des Museums für moderne Kunst in Rovereto (MART). Im Herbst will er bei den Wahlen für den Südtiroler Landtag kandidieren. <BR /><BR />In den vergangenen 30 Jahren tauchte Sgarbi immer wieder in Südtirol auf – und ist daher nicht gerade in bester Erinnerung. <BR /><BR /><b>5. November 1994</b><BR /><BR />Im Zuge eines Kulturausfluges nach Südtirol und Trentino besichtigt der Parlamentarier und Fernsehmoderator überraschend das Bozner Siegesdenkmal. Der Vorsitzende des Kulturausschusses der Abgeordnetenkammer gerät dort ins Schwärmen: „Ein wahrlich beeindruckendes Bauwerk.“ Solche Skulpturen seien in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts einzigartig und seien nur unter dem Faschismus hervorgebracht worden. Über einen Abbruch dürfe gar nicht diskutiert werden, sagt Sgarbi. „Das Denkmal darf aber auch nicht die Gefühle der deutschsprachigen Bevölkerung verletzen. Zeremonien sollten darum an diesem Ort nicht stattfinden.“<BR /><BR /><b>18. August 1995</b><BR /><BR />Diesmal ist der Politiker und Buchautor zu Besuch in Bruneck. Den Journalisten gegenüber erklärt er, dass es interessant sei, wenn in Italien auch eine „österreichische Gemeinschaft deutscher Muttersprache“ lebe; die Gemeinschaft in diesem „Teil Italiens“ habe aber kein Recht, sich über eine Europaregion Tirol dem Staat Österreich zu nähern – es sei denn in einem eigenen kleinen Staat. Doch auch dieser wäre – laut Sgarbi – zu sehr österreichlastig.<BR />Unangenehm fällt Sgarbi bei diesem Kurzbesuch noch in einem Hotel in Reischach auf. Dort bittet der Hotelier einen Leibwächter des Gastes aus Rom, kurz zur Seite zu treten. Sgarbi beschimpft daraufhin den Hotelbesitzer. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="878111_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>2. November 1998</b><BR /><BR />Die Landesausstellung über den Maler und Bildhauer Michael Pacher in Kloster Neustift ist seit 31. Oktober geschlossen. Für alle – nur nicht für Sgarbi. Der Abgeordnete will sie sehen, nach einem Polter-Auftritt in Bozen schafft er es tatsächlich, dass Koordinatorin Ursula Schnitzer noch einmal die Schlüssel in die Hand nimmt und Sgarbi durch die Ausstellungsräume führt. Und der Dank? Am folgenden Tag berichtet der Onorevole in seiner Sendung „Sgarbi quotidiani“ (Tägliche Unziemlichkeiten) über seinen Abstecher nach Südtirol und lässt seiner Empörung freien Lauf. „Offensichtlich“, erklärt er, „ist das Alto Adige eine andere Nation als Italien“, und er wettert gegen alle, die es versäumt hatten, ihm eine roten Teppich auszulegen. <BR /><BR /><b>26. Mai 1999</b><BR /><BR />Dieser Auftritt Sgarbis in Südtirol hat sogar ein gerichtliches Nachspiel. Der streitlustige Kunstkritiker kandidiert gerade für das E-Parlament, bei einem Wahlkampfauftritt in Bozen geht er verbal in die Vollen. „Dies ist italienischer Boden, der mit italienischem Blut erobert wurde“, so Sgarbi. Aufgedonnert wird die Rede mit Kraftausdrücken wie „i tedeschi non rompano i coglioni“. Die „tedeschi“ sollten ihre Finger vom Siegesdenkmal lassen: „Es hat den gleichen Wert wie die Werke von Canova und Bernini.“ Mehrfach attackiert Sgarbi auch SVP-Obmann Siegfried Brugger, unter anderem mit dem Satz: „Bozen kann Brugger auf seiner privaten Toilette sagen; für die Italiener ist hier Bolzano.“ Obmann Brugger lässt sich das nicht bieten und verklagt den Parlamentarier wegen „Volksverhetzung und Rufschädigung“. Das Verfahren wird aber im September eingestellt. <BR /><BR /><b>März 2002</b><BR /><BR />In Bozen sorgt die Umbenennung des Siegesplatzes in Friedensplatz für wochenlange Polemik. Da muss sich auch der inzwischen zum Unterstaatssekretär aufgestiegene Sgarbi zu Wort melden. Weil Denkmal und Platz eine Einheit bilden, sei die Namensänderung von Sieges- in Friedensplatz unrechtmäßig, die Anbringung von erklärenden Tafeln aber für sinnvoll. Sgarbi kündigt eine Prüfung durch die Staatsadvokatur an. In der Zeitung „Il Giornale“ legt das Mitglied der Regierung Berlusconi noch kräftig nach. Er bezeichnet die Umbenennung als „unnützes Abenteuer gegen die Geschichte“. Kultur und Geschichte hätten gesiegt: Geschichte, weil „es einen Sieg gegeben hat, der nicht versteckt werden müsse. Kultur wegen des wunderbaren Denkmals, Meisterleistung der faschistischen Architektur“.<BR /><BR /><b>8. März 2011</b><BR /><BR />Diesmal legt sich der Kultur-Kampfhahn mit Luis Durnwalder an. Der Landeshauptmann will nicht zur Feier der Einheit Italiens nach Rom kommen und zudem das Mussolini-Relief am Finanzgebäude in Bozen entschärfen. Im Saal der Gemeinde Bozen in der Gumergasse greift Sgarbi die „ausgrenzende Politik“ Durnwalders an, die Brandrede gipfelt im Satz: „Die Italiener in Südtirol sind inzwischen wie die Juden unter dem Nationalsozialismus“. Und weiter: „Wir sind hier in Italien, das kann keine Institution abstreiten. Wer Italiener ist, soll am 17. März feiern, wer sich als Österreicher fühlt, soll zu Österreich gehen, und wer als Deutscher, zu Deutschland, und wer so fühlt, der soll dann auch das Geld von diesen Ländern verlangen“.