„Für die Öffentlichkeit, auch die Fachöffentlichkeit, ist der Umgang Südtirols mit dem Archäologischen Museum und Museen generell in den Vordergrund gerückt, also die Frage nach einem Südtiroler Kulturverständnis“, schreibt der deutsche Museumsexperte. <BR /><BR /><BR />Hier die Überlegungen von Georg Ulrich Großmann: <BR /><BR /> Die Diskussion um die zukünftige Präsentation des „Ötzi“ im Besonderen und des Bozener Archäologiemuseums im Allgemeinen wird auch von der internationalen Museumslandschaft mit Neugier verfolgt. Allerdings greift die Debatte zu kurz, wenn man allein nach einem neuen Standort für das Archäologiemuseum sucht, denn man muss die Bozener Museumslandschaft als Ganzes betrachten. <BR /><BR />Die derzeitig geplante äußerst fragwürdige Verbindung eines Shopping-Komplexes auf dem Virgl mit einem durch diesen Komplex hindurch zugänglichen Museum hat eine besondere Aufmerksamkeit erlangt, durch die Fragen der Entwicklung der Museen in Bozen ganz in der Hintergrund getreten sind. <BR /><BR />Für die Öffentlichkeit, auch die Fachöffentlichkeit, ist der Umgang Südtirols mit dem Archäologischen Museum und Museen generell in den Vordergrund gerückt, also die Frage nach einem Südtiroler Kulturverständnis. Tatsächlich geht es aber auch sehr viel pragmatischer um die Entwicklung und Zukunft der Museen in Bozen, letztlich um das Fördern oder Aushungern dieses wichtigen Teils der Kultur. <BR /><BR /><embed id="dtext86-52898037_quote" /><BR /><BR />Diese eingeschränkte Betrachtungsweise hat ihre Ursache in einer durchaus positiven Erkenntnis: Kultur, auch wenn sie mit öffentlichen Geldern gefördert werden soll, ist ein Wirtschaftsfaktor und gilt heute als „weicher“ Faktor, weil ein kulturell interessanter Standort Besucher anzieht, die vor oder nach einem Museumsbesuch auch zu Konsumenten werden können. Davon profitieren beide, Wirtschaft und Kultur. <BR /><BR />Das Virgl-Projekt stellt diese Erkenntnis aber auf den Kopf. Hier wird die Kultur, und dabei nur ein besonders lukrativ erscheinender Ausschnitt, letztlich in Geiselhaft genommen, um ein neues kommerzielles Unternehmen zu fördern, dass ohne diese Förderung offenbar nicht funktioniert, denn sonst würde der Investor die Verbindung zwischen „Ötzi“ und Shopping-Mall gar nicht ins Spiel gebracht haben. Schon dass sollte zu denken geben. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="736754_image" /></div> <BR />Das Archäologiemuseum hat sich in den letzten Jahren mehr oder weniger zu einem reinen „Ötzi“-Museum gewandelt, selbst sie offizielle „Südtirol-Information“ wirbt mit dem Begriff „Ötzi-Museum“. Man gewinnt kaum den Eindruck, dass Ötzi als Einstieg in die gesamte Vor- und Frühgeschichte genutzt wird, das Museum ist nur noch auf „Ötzi“ zugeschnitten, was sich zweifellos ganz wesentlich aus dem zu geringen Platzangebot erklären lässt. <BR /><BR />Die besonderen Ausstellungsbedingungen des Leichnams erlauben bekanntermaßen nur eine mit kleinen Sichtöffnungen versehe Kühlkammer. Dadurch entstehen die langen Besucherschlangen, die sich in einem größeren Haus leichter verteilen ließen und nicht mehr dazu führen müssten, dass die Warteschlangen die anderen Ausstellungsräume verstellen und immer wieder bis weit auf die Straße reiche. <BR /><BR />Ob man dies Problem auch mit Zeitkarten verkleinern könnte, sei dahingestellt, in jedem Fall ist eine Vergrößerung der Ausstellungsfläche sinnvoll. Doch eine Vergrößerung an einem Ort fernab des jetzigen Standorts verspielt die Chancen, die Bozen als Kultur- und insbesondere als Museumsstandort bietet. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="736757_image" /></div> <BR /><BR />Aus guten Gründen hat beispielsweise Hilmar Hoffmann, seinerzeit Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main, ab 1977 das kulturelle Image der Stadt mit einer Museumsmeile aufbessern wollen, mit mehreren bedeutenden Museen wie an einer Perlschnur aufgereiht an beiden Ufern des Mains. Museumsmeile wurde das Konzept nicht genannt, weil man Meilen laufen oder fahren muss, um von einem zum nächsten zu kommen, sondern alle relevanten Standorte innerhalb einer zentralen Meile liegen und bequem zu Fuß erwandert werden können. Für Frankfurt ging es dabei um eine Aufwertung der kulturellen Bedeutung der Stadt insgesamt, nicht unmittelbar der Geschäfte und Kaufhäuser. <BR /><BR />Profitiert haben davon besonders kleinere Museen, Spezialmuseen und letztlich auch die Wirtschaft. Da Beispiel hat Schule gemacht und auch in anderen Städten hat man Museumsstandorte durch Neugründungen und Erweiterungen aufgewertet, selbst wenn kaum ein Besucher an einem Tag von einem Museum ins nächste gehen wird.<BR /><BR /> Letztlich geht es aber auch um die Aufwertung der Innenstädte, ein Thema, dass sich vielerorts in Europa immer mehr aufdrängt, seit der Bau neuere Einkaufszentren an den Ortsrändern die vielen Innenstädten den Ruin gebracht hat, zum Schaden der Städte insgesamt. Wer sehen will, die „erfolgreich“ wirtschaftliche Verlagerung aus der Innenstadt hinaus auf die dann nicht mehr grüne Wiese ist, muss sich nur einmal französische Klein- und Mittelstädte ansehen. Viele von ihnen sind tot und ihre Reanimierung ist ein teures und mühsames Unterfangen, falls es überhaupt gelingt.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="736760_image" /></div> <BR /><BR />Welche Chancen hat ein Archäologiemuseum in der Bozener Innenstadt? Eigentlich hätte man die Frage klären müssen, bevor man mit Österreich übereinkam, nicht den Sterbeort des Ötzi (Nordtirol), sondern den Auffindungsort seines Leichnams (Südtirol) zum Maßstab für den Verbleib zu nehmen. Das bis dahin außerhalb Südtirols nur in Fachkreisen bekannte Museum wurde zu einem Standort von internationaler Berühmtheit, 300.000 Besucher geben sich normalerweise die Klinke in die Hand. Erfahrungsgemäß stammt maximal die Hälfte der Besucher aus der Region, in diesem Fall aus Nord- und Südtirol sowie dem Trentino, die andere Hälfte sind Ferntouristen. Sie sind es vor allem, die in der Saison die Schlange vor dem Museum ausmachen. <BR /><BR />Grundsätzlich greifen die Überlegungen zu kurz, wenn sie nur wirtschaftliche Interessen mit dem Archäologie-Museum in Verbindung bringen. In unterschiedlicher Trägerschaft hat Bozen mehrere überaus spannende Museen, namentlich das Stadtmuseum gehört dazu. Für eine moderne Museumsentwicklung muss man diese inhaltlich zusammengehörenden Museen, ganz unabhängig ihrer Trägerschaft, auch zusammendenken. <BR /><BR />Es macht Sinn, die Museen nebeneinander zu präsentieren, womöglich mit gemeinsamer Eintrittskarte, konzeptioneller Zusammenarbeit und gemeinsamer Werbung. Es gibt nicht die Geschichte hier vor 5000 Jahren und dort in den letzten 800 Jahren, der Bogen spannt sich von der Vorgeschichte bis in die Gegenwart und Bozen könnte diesen Bogen für Südtirol hervorragend darstellen. <h3> Eine altstadtnahe Museummeile</h3>Ein richtiger Standort im Rahmen einer altstadtnahen Museummeile brächte eine entscheidende Aufwertung der angrenzenden Viertel und wäre die Verbindung zum Stadtmuseum. Die Achse Zwölfmalgreiner Platz bis Grieser Platz spielt eine zentrale Rolle; die neu entstehende Tiefgarage am Siegesplatz und somit die Erreichbarkeit mit dem Auto sollten unbedingt gewährleistet sein. <BR /><BR />Die Museumsmeile bzw. der Museumspool Stadtmuseum sollten weiterhin in unmittelbarer Nähe zueinander liegen und leicht zu erreichen sein, die Stadt Bozen muss sich dabei auch um die Aufwertung des Stadtmuseums mit seinen hervorragenden landeskundlichen beständen kümmern. Aber auch Naturmuseum und Archäologiemuseum passen thematisch gut zusammen. Das eine erzählt und präsentiert die faszinierende Naturgeschichte unseres Landes, seine Geologie, seine Lebensräume für Fauna und Flora. <BR /><BR />Ein solcher kultureller Bogen lässt sich vor dem Hintergrund der Bozener Innenstadt gut darstellen und vor den Toren des Museums bestens erfahren, ein abgehobenes Museum, vor dessen Türen Shops liegen und der Parkplatz, der schnelles Wegfahren aus Bozen fördert, hilft der Stadt nicht und den Besuchern auch nicht. Ein Zusammenwirken der Museen in der Bozener Innenstadt und eine Museumsentwicklung im Bereich der jetzigen Standorte wäre eine Chance für die Museen und die Stadt Bozen, die ich der Südtiroler Kultur nur wünschen kann.<BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR />Prof. Dr. G. Ulrich Großmann, Nürnberg/Wien, Generaldirektor a.D. des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (1994-2019), Co-Autor des Buches „Kunstdenkmäler in Tirol“. Darmstadt 2004 (mit Anja Grebe);<BR />Autor/Mitautor von Büchern und Aufsätzen zu den Burgen Runkelstein, Hocheppan, Maretsch und Trient<BR />