Strasser hatte Anfang 2011 einen Abänderungsantrag zweier vorgeblicher Lobbyisten an das Büro Karas übermittelt und mehrmals nachgehakt, weshalb ihm die Anklage nun Bestechlichkeit vorwirft. Karas sagte aus, er habe noch nie eine solche Einflussnahme eines Abgeordneten für einen Antrag erlebt. Entlastendes gab danach ein von Strasser mit der Prüfung des Beratungsvertrags der Lobbyisten betrauter Anwalt zu Protokoll.Kern der Karas-Aussage waren die Vorkommnisse im Vorfeld des Beschlusses der Anleger-Entschädigungsrichtlinie der EU. Strasser war damals von zwei britischen Journalisten kontaktiert worden, die sich als Lobbyisten ausgaben und ihn baten, einen wirtschaftsfreundlichen Abänderungsantrag dazu einzubringen. Strasser ließ den Antrag an seine Fraktionskollegen Othmar Karas und Hella Ranner weiterleiten. Die Anklage wirft Strasser nun Bestechlichkeit vor, weil in den versteckt mitgefilmten Gesprächen mit den beiden Journalisten auch von einem jährlichen Honorar von 100.000 Euro die Rede war.Strassers Verteidiger Thomas Kralik hatte zu Prozessbeginn argumentiert, der damalige Delegationsleiter der ÖVP im EU-Parlament habe den Antrag nur an die zuständigen Abgeordneten weitergeleitet, weil er wissen wollte, „ob das Sinn macht oder ein Blödsinn ist“. Tatsächlich habe Strasser nämlich „von Anfang an den Braten gerochen“, die Lobbyisten von der erfundenen Firma „Bergman & Lynch“ aber für Geheimdienstmitarbeiter gehalten.Karas konnte diese Darstellung allerdings nicht bestätigen – im Gegenteil: Der Vizepräsident des EU-Parlaments, selbst im Februar und März 2011 wegen eines Skiunfalls in Spitalsbehandlung, berichtete von acht Anrufen und vier Emails, mit denen sich Strasser und seine Mitarbeiter in seinem Büro für den Antrag stark gemacht hätten. „Ich habe noch nie von einem Abgeordneten direkt eine solche Einflussnahme und Kontaktaufnahme erlebt“, sagte Karas. Außerdem gehe aus keinem einzigen Email hervor, dass Strasser nur die Prüfung, nicht aber das Einbringen des Antrags gewünscht hätte.Bestätigt wurde diese Darstellung auch von Ulrike H., damals im Büro Karas für den Richtlinienentwurf zuständig. Strassers Bitte sei gewesen, zu prüfen, „ob der Antrag sinnvoll wäre und ob er, wenn er Sinn macht, eingebracht werden könnte“, gab sie im Zeugenstand an. Auch Karas Büroleiterin Andrea W. sagte, man sei damals verwundert gewesen, weil Strasser so oft nachgefragt und sich persönlich die Handynummer von Ulrike H. besorgt habe.Entlastendes gab danach der Rechtsanwalt Markus St. zu Protokoll, der von Strasser mit der Prüfung des Beratervertrags beauftragt wurde, den ihm die beiden vorgeblichen Lobbyisten vorgelegt hatten. Er gab an, von Strasser insbesondere auch darum gebeten worden zu sein, den Vertrag auf „problematische Formulierungen“ in Bezug auf seine parlamentarische Tätigkeit abzuklopfen.Von Strassers angeblichem Geheimdienst-Verdacht wurde Markus St. allerdings offenbar nicht informiert – auch nicht, als der Anwalt Strasser mitteilte, dass im britischen Firmenbuch keine Lobbyingagentur namens „Bergman & Lynch“ aufscheint. Allerdings gab der Anwalt zu Protokoll, sich darüber gewundert zu haben, dass Strasser den Vertrag Ende Februar 2011 immer noch nicht unterzeichnet hatte: „Aus dem schließe ich, dass ihm etwas nicht gepasst hat.“Fortgesetzt wird der Prozess am kommenden Dienstag mit der Befragung der früheren EU-Abgeordneten Hella Ranner. Sie hat das Parlament übrigens kurz nach Strasser wegen einer angeblichen Spesenaffäre verlassen. Ranner soll zur Tilgung privater Schulden auch das Spesen-Pauschale für EU-Abgeordnete genutzt haben, was sie selbst bestreitet. Nicht wie geplant am 13. Dezember aussagen werden die beiden britischen Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell. Sie sollen nun am 11. Jänner mittels Videokonferenz befragt werden.apa