Für Ludwig Steiner, damals Sekretär des österreichischen Staatsvertragskanzlers Julius Raab und Botschafter a. D., war die „Bombennacht“ eine Tat Einzelner. Und: Er glaubt, dass Südtirol die Chance auf ein gemeinsames Tirol selbst verpasst hat. Diese sehr provokante These äußert er im Interview mit „eurActiv.de“, einem Portal für europäische Nachrichten, Hintergründe und Kommunikation. Die Frage, ob für Südtirol nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges tatsächlich eine Chance bestand, wieder in ein gemeinsames Tirol zurückzukehren, bejaht er. „Es wäre mehr als ein Versuch wert gewesen…“ „Es wäre mehr nur als ein Versuch wert gewesen, in gemeinsamen Aktionen mit Nord-, Ost- und Südtirol Fakten zu schaffen. Das bereits morsche NS-Regime hätte man auch in Südtirol mit einer revolutionären Aktion verjagen und so einfach die Macht übernehmen können. Damals – in der Zeit des Zusammenbruchs der Deutschen Südarmee – war für eine kurze Zeitspanne ein Machtvakuum entstanden, das ausgenützt hätte werden müssen“, meint Steiner im eurActiv-Interview. Eine Chance, die Südtirol selbst verpasst habe. So sei es von den italienischen Partisanen überrollt worden, gesiegt habe das politische Tagesgeschäft. Die „Feuernacht“ (Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961, A. d. R.) sieht Steiner nicht als „allgemeinen Aufschrei“ der Südtiroler, sondern als die „Tat Einzelner“, die eine massive Verstärkung der Sicherheitskräfte zur Folge gehabt habe. „Letztlich bekamen die konstruktiven Elemente das Sagen ...“Dass es zu einer Lösung des Südtirol-Problems kam, führt Steiner auf die mühsamen Verhandlungen zurück, die zum Südtirol-Paket führten. Ausschlaggebend seien, so Steiner, aber auch die „konstruktiven Elemente“ auf der italienischen Seite gewesen. „Die echten Lösungen für Südtirol mit dem berühmten ‚Paket‘ resultieren aus mühsamen Verhandlungen und auch das muss man einmal klar sagen – darin, dass auf italienischer Seite letztlich konstruktive Elemente wie Alcide Berloffa das Sagen bekamen“. Den Weg hin zum Südtirol-Paket beschreibt Steiner als einen sehr langen, der mit dem Gruber-DeGasperi-Abkommen im Jahr 1946 seinen Anfang genommen habe. Dem Vorwurf, dass es zu wenig substanziell gewesen sei, entgegnet Steiner, dass die Situation eine sehr ernste gewesen sei. „Es gab damals nur ein Entweder-oder. Das hieß, entweder man nimmt, was erreicht wurde, oder man bekommt gar nichts. Es war also eine ‚prendere o lasciare‘-Situation. Und das ‚Erreichte‘ war das damalige Festmachen, dass Südtirol ein internationales und kein inneritalienisches Problem allein ist“. Nur durch diese Feststellung sei es überhaupt zu einer UN-Befassung mit dem Südtirol-Problem und damit langfristig zu einer Lösung gekommen. Eine Lösung, die – so Steiner – jeder der drei Volksgruppen die „Überlebensmöglichkeiten in ihrer eigenen ethnischen Identität“ sicherstellt“ und die Basis für ein „friedliches, gedeihliches Zusammenleben auf Dauer“ möglich gemacht hat. joi