Während seiner ersten Ansprache im symbolischen Zentrum des Aufstands gegen das Regime von Präsident Husni Mubarak unterbrach ihn die Menge immer wieder. Teils ließ sie ihn hochleben, teils skandierten sie ihre Forderungen.„Ich habe meine Legitimität von euch!“, rief Scharaf ins Mikrofon. Der Politiker, den der regierende Militärrat erst am Donnerstag mit der Bildung einer neuen Interimsregierung beauftragt hatte, sagte, sichtlich bewegt, zu den Menschen auf dem Tahrir-Platz: „Es gibt keinen anderen Ort, aus dem man diese Entschlossenheit und Willenskraft schöpfen kann.“An einer Stelle unterbrach ihn ein mächtiger Sprechchor mit den Worten: „Das Volk will den Geheimdienst nicht mehr!“ Scharaf antwortete: „Ich bete darum, dass Ägypten ein freies Land wird, in dem eine eigene Meinung nicht ins Gefängnis führt und in dem die Staatssicherheit den Menschen dient. Helft uns, das zu erreichen!“ Nach der Rede trugen Demonstranten Scharaf auf ihren Schultern über den Platz. Andere riefen ihm zu: „Essam, Tahrir grüßt dich!“Der Tahrir-Platz im Herzen von Kairo war das Zentrum der 18-tägigen Massenproteste, die vor genau drei Wochen zur Entmachtung von Mubarak geführt hatten. Scharaf, der an der Universität Kairo Ingenieurswesen lehrt, war von 2004 bis 2006 Transportminister, hielt aber sonst Distanz zum Regime, das er wegen seiner korrupten Praktiken kritisierte. Am Donnerstag ernannte ihn der Militärrat zum Interims-Regierungschef.Damit entsprachen die seit dem Abgang Mubaraks regierenden Militärs einer wichtigen Forderung der Opposition. Sein Vorgänger Ahmed Schafik war noch Ende Januar von Mubarak eingesetzt worden. Die Proteste gegen Mubarak unterstützte Scharaf von Anfang an. Er war damals auch mehrmals auf dem Tahrir-Platz erschienen. Die Demokratiebewegung, die den Verbleib Schafiks nach dem Rücktritt Mubaraks heftig kritisiert hatte, hatte ihn als möglichen Kandidaten für die Interims-Ministerpräsidentschaft vorgeschlagen.Die Demonstranten forderten am Freitag auf dem Tahrir-Platz weiter die Aufhebung des seit 30 Jahren geltenden Ausnahmezustands und die Freilassung aller politischen Gefangenen. Die Jugendbewegung 6. April, eine der maßgeblichen Kräfte der Protestbewegung, verlangte außerdem die Auflösung der Behörde für Staatssicherheit und die Abhaltung von freien Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in einem Jahr anstatt wie bisher geplant innerhalb von sechs Monaten.dpa