Obwohl selbst Absolvent der Yale Law School, ist Vance ein eifriger Fußsoldat in Präsident Donald Trumps Krieg gegen die Eliteuniversitäten des Landes, der darin besteht, diesen Forschungsgelder zu entziehen, sie ihrer ausländischen Studenten zu berauben und zu versuchen, sich in Lehrinhalte und -methoden einzumischen.<BR /><BR />Um „Amerika wieder groß zu machen“, ist Trump derzeit aktiv dabei, einige der Institutionen zu zerstören, die die USA überhaupt erst groß gemacht haben. Doch was ist der Grund für diesen wütenden Angriff auf Institutionen, die neben vielen anderen Vorteilen auch medizinische und technologische Durchbrüche fördern?<BR /><BR />Der Vorwurf, Harvard und andere Spitzenunis seien Brutstätten des Antisemitismus, ist schon ein starkes Stück, kommt er doch von einem Präsidenten, der erklärte, unter den fackeltragenden Neonazis, die grölend „Die Juden werden uns nicht ersetzen!“ deklamierten, befänden sich erkennbar „einige sehr gute Leute“. In der Tat scheint sich die Antisemitismus-Definition von MAGA auf Kritiker der gegenwärtigen israelischen Regierung zu beschränken. Nach dieser Ansicht müssten Gegner von Benjamin Netanjahu oder Antizionisten also Antisemiten sein.<BR /><BR />Zweifellos gibt es unter den pro-palästinensischen studentischen Demonstranten – und womöglich auch unter ihren Lehrkräften – einige tatsächliche Antisemiten. Aber das ist kaum ein Grund, die Hochschulen kaputtzumachen. Das erklärte Ziel, den Antisemitismus an den Ivy-League-Universitäten auszurotten, ist nichts weiter als ein Vorwand, um die Linken und Liberalen der Akademie anzugreifen, von denen viele tatsächlich Juden sind. Und wenn das Universitätssystem der USA unter dem Druck zusammenbricht, werden höchstwahrscheinlich die Juden dafür verantwortlich gemacht.<h3> Hass auf Intellektuelle als Merkmal des radikalen Populismus</h3>Der Hass auf Intellektuelle, insbesondere auf Wissenschaftler, war schon immer ein Merkmal des radikalen Populismus. In den 1930er Jahren äußerte Adolf Hitler: „Wir [die Deutschen] leiden heute an einer Überbildung. Man schätzt nur das Wissen. Die Neunmalweisen aber sind Feinde der Tat.“<BR /><BR />Die Nazis assoziierten die Wissenschaft mit jüdischen „Kosmopoliten“, weil sie nationale und kulturelle Unterschiede überwindet. Stattdessen zogen sie es vor, die Forschung durch die reduktionistische Brille der Ethnie zu betrachten. Wie der nazifreundliche deutsche Physiker Johannes Stark 1934 schrieb, sollten die führenden wissenschaftlichen Stellen im nationalsozialistischen Staat nicht mit volksfremden Elementen, sondern ausschließlich mit nationalbewussten deutschen Männern besetzt werden.<BR /><BR />Die Abneigung der MAGA-Welt gegen Diversity- und Inklusionsprogramme und auch das Ziel, die Universitäten von „anti-amerikanischen“ Elementen zu säubern, sind u. a. dieser Art Denken geschuldet. Die Feindseligkeit gegenüber ausländischen Studenten, die dem amerikanischen Hochschulwesen enorme wirtschaftliche und kulturelle Vorteile bringen, ist nicht nur fremdenfeindlich, sondern schadet zudem der Soft Power der USA enorm.<BR /><BR />Womöglich aber hat dieser Vorstoß mehr mit gesellschaftlichen Ressentiments zu tun als mit Rassenvorurteilen, auch wenn sich beide Aspekte, insbesondere in den USA, oft überschneiden. Die amerikanische Gesellschaft ist, wie andere in der westlichen Welt auch, im letzten Jahrhundert zunehmend meritokratisch geworden. Ein hoher sozialer Status hängt weniger von der familiären Herkunft oder gar vom finanziellen Wohlstand ab als von höherer Bildung.<h3> Angriff von MAGA auf die Hochschulbildung</h3>Jedoch ist ein hoher Bildungsstand nicht bloß eine Frage des akademischen Abschlusses. Eine gewisse Kultiviertheit in den Künsten ist ebenso erforderlich wie die Liebe zum Lesen und ein Wissensdurst, der vorzugsweise in mehr als einer Sprache gestillt wird. Trump ist sehr reich und hat einen Bachelor der renommierten Wharton School der Universität von Pennsylvania. Aber er ist nicht dafür bekannt, besonders belesen oder kenntnisreich zu sein, außer vielleicht als Dealmaker – und selbst dieser Ruf wurde durch seine spektakulären geschäftlichen Misserfolge getrübt.<BR /><BR />Der Angriff von MAGA auf die Hochschulbildung erinnert mich an eine Geschichte, die der verstorbene belgische Sinologe und Essayist Simon Leys erzählt hat. Leys saß eines Tages in einem einfachen australischen Café und störte sich nicht an dem lauten Müll, der aus dem Radio kam. Es schien auch sonst niemand zuzuhören. Plötzlich aber wurde aus irgendeinem Grund eine schöne Klarinettensonate von Mozart gespielt. Das erregte die Aufmerksamkeit der Leute, und ein Mann schaltete daraufhin entschlossen den Sender um. Leys folgerte, dass die Unkultivierten das Schöne nur zu gut erkennen und es daher ausblenden müssten. Er schrieb: „In jedem Bereich menschlichen Strebens ist inspiriertes Talent eine unerträgliche Beleidigung für die Mittelmäßigkeit.“<BR /><BR />Doch hat dieser Angriff noch eine andere Seite, die Leys bei all seinem feinen Geschmack und seiner Gelehrsamkeit nicht erfasst. Persönliche Mittelmäßigkeit ist nicht der einzige Grund, warum Trump, Vance und einige ihrer glühendsten Anhänger die Bildungselite verabscheuen. Auch hier geht es um die Frage der sozialen Schicht. Akademische Abschlüsse oder selbst ein guter Musikgeschmack reichen nicht aus, um einen hohen sozialen Status zu erreichen. In den letzten Jahren wurde außerdem ein gewisses Maß an Konformität mit bestimmten Ansichten in ethnischen, Sexualitäts- und Geschlechterfragen verlangt. „Progressiv“ zu sein war nicht bloß ein Zeichen geistiger Überlegenheit, sondern auch moralischer Rechtschaffenheit.<BR /><BR />Dies hat dazu geführt, dass sich selbst an einigen der besten Universitäten eine der akademischen Freiheit abträgliche Intoleranz ausbreitete. Wenn Politik als eine Form der Theologie gefasst wird, trennt Glaubensfestigkeit die Brüder von den Ungläubigen. Konservative und sogar MAGA-Anhänger haben nicht ganz unrecht, wenn sie sich von der moralischen Selbstgefälligkeit gebildeter städtischer Eliten beleidigt fühlen, die sich für bessere Menschen halten als Hillary Clintons „beklagenswerten Haufen“, die waffenvernarrten Christen und die grobschlächtigen Geschäftsleute, die nie ein gutes Buch gelesen haben.<BR /><BR />In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, könnten die US-Universitäten von Trumps Krieg gegen sie profitieren. Und sei es nur aus Selbsterhaltungstrieb: Sie müssen etwas von dem Moralismus ablegen, der die Campuskultur durchdrungen hat, und sich wieder auf ihre grundlegende Aufgabe des Erkenntnisgewinns und der Vermittlung von Wissen konzentrieren, ohne die es uns allen viel schlechter gehen wird.<BR /><BR /><b>Zum Autor</b><BR />Ian Buruma ist Autor zahlreicher Bücher, darunter zuletzt <a href="https://mitpressbookstore.mit.edu/book/9780300248920" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Spinoza: Freedom's Messiah (Yale University Press, 2024).</a>