Der scheidende Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm hat ein völliges Versagen der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Rechtsterrorismus eingeräumt. Seine eigenen Mitarbeiter bezichtigte er am Donnerstag vor dem Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags, ihn hintergangenen zu haben.Die Aktenvernichtung in seinem Amt unmittelbar nach dem Auffliegen der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) im November 2011 sei mehr als ein halbes Jahr vertuscht worden. Er selbst sei „hinters Licht geführt“ und seiner Behörde sei ein „schwerwiegender Ansehensverlust“ zugefügt worden. Der Grund für das Schreddern von sieben Akten zur Neonazi-Szene in Thüringen blieb weiter unklar.Dass die NSU jahrelang unentdeckt blieb, bezeichnete Fromm als „schwere Niederlage“ für Geheimdienste und Polizei. Den Sicherheitsbehörden warf er mehr vor, den Rechtsextremismus stiefmütterlich behandelt zu haben. Die Terrorgruppe wird für zehn Morde verantwortlich gemacht.Der 63-jährige Verfassungsschutzchef hatte am Sonntag seinen Rücktritt zum 31. Juli erklärt, nachdem er von der Aktenvernichtung zu dem brisanten Zeitpunkt erfahren hatte. Entscheidend sei für ihn der Versuch gewesen, „diesen Fehler zu vertuschen“. Neben der Aktenvernichtung gebe es keine weiteren konkrete Gründe für die Entscheidung, sagte Fromm. „Ich möchte einen personellen Neuanfang ermöglichen.“Für das Schreddern der brisanten Unterlagen lieferte Fromm nur einen möglichen Erklärungsansatz: Der fehlende direkte Bezug zur Terrorgruppe NSU in den Akten. Der Verfassungsschutzpräsident sagte aber auch: „Ich weiß nicht, ob es dafür irgendwann eine nachvollziehbare Erklärung geben wird.“Vor Fromm hatte der Untersuchungsausschuss in geheimer Sitzung den Referatsleiter vernommen, in dessen Verantwortungsbereich die Vernichtung von Unterlagen stattfand. Wer dafür verantwortlich ist und welchen Grund es dafür gab, blieb nach stundenlanger Befragung unklar.„Diese “Aktion Konfetti„ ist noch mysteriöser geworden“, sagte der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland anschließend. Unionsobmann Clemens Binninger (CDU) sagte, dass die Art und Weise, wie im Bundesamt für Verfassungsschutz Akten geführt, gespeichert oder gelöscht würden, „eher an eine Lotterie als an ein seriöses Prinzip erinnert“.Auch nach Akteneinsicht und der Aussage Fromms sahen FDP und Grüne den Verdacht nicht endgültig ausgeräumt, dass der Verfassungsschutz versucht haben könnte, Nazi-Terroristen als V-Leute anzuwerben. Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) stellte aber klar, dass es keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür gibt.Grund für den Verdacht sind Lücken in einer Computerdatei zu den V-Leute-Aktionen und das Schreddern der maßgeblichen Papierakten. Die Datei sei 1999 eingerichtet worden, sagte Fromm vor dem Ausschuss. Nicht alles, was vor 1999 war, sei in die Werbungsdatei genommen worden. Zuvor war das Trio abgetaucht.Zur weiteren Aufklärung der Aktenvernichtung setzte Innenminister Friedrich seinen Unterabteilungsleiter für Verfassungsschutz, Hans-Georg Engelke, als Sonderermittler ein. Ein Teil der vernichteten Akten wurde inzwischen wieder rekonstruiert. Die Einsicht von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses in insgesamt 45 Ordner mit Geheimakten ergab am Mittwoch keine Hinweise darauf, das V-Leute der NSU angehörten oder zu ihrem Umfeld zählten.Als Konsequenz aus den Aussagen von Fromm vor dem Untersuchungsausschuss fordern SPD und Union Reformen der Sicherheitsbehörden. Unionsobmann Binninger sagte: „Der Auftritt von Herrn Fromm hat deutlich gemacht, dass die Sicherheitsarchitektur an ihre Grenzen gekommen ist.“dpa