<b>von Andreas Schwarz</b><BR /><BR />Für die einen, vor allem für den früheren Koalitionspartner und Kanzlerpartei ÖVP, ist sie gelinde gesagt ein rotes Tuch; für die anderen ist sie eine Heldin, die ohne Rücksicht auf Verluste für die gute, die Umweltsache, gekämpft hat.<BR /><BR />Am Sonntag soll die frühere Umweltministerin Leonore Gewessler (47) nun zur neuen Parteichefin der österreichischen Grünen bestellt werden – obwohl sie maßgeblich, apropos Verluste, für den Absturz der Öko-Partei bei fast allen Wahlen der letzten Zeit mitverantwortlich gewesen sein dürfte.<BR /><BR />Das sagen zumindest ihre Gegner mit einiger Genugtuung. Von denen gibt es aber auch intern bei den Grünen einige – mangels Alternative dürfte es an der Bestellung der ehemaligen Umwelt- und späteren Politaktivistin zur Partei-Frontfrau aber keinen Zweifel geben.<BR /><BR />Die Geschichte der in den 1970er- und 80er-Jahren aus der Anti-Atombewegung und dem Widerstand gegen ein Kraftwerk in der Hainburger Au bei Wien entstandenen Grünen ist bewegt: Dem langsamen Aufstieg folgte vor acht Jahren der Absturz von 12,4 auf 3,8 Prozent bei der Wahl – die Grünen flogen aus dem Parlament. Mit dem steirischen Urgestein Werner Kogler (63) an der Spitze folgte die Erholung. Die Grünen zogen wieder in Landesregierungen ein und bildeten als Juniorpartner der ÖVP des Sebastian Kurz erstmals eine Regierung (2019), das sogenannte „beste aus zwei Welten“, das entgegen aller Prognosen fünf Jahre halten sollte.<BR /><BR />Von Tag eins an dabei: Leonore Gewessler, davor Geschäftsführerin der Umwelt-NGO Global 2000, wechselte direkt auf die Ministerbank. Die Steirerin, die sich auch schon mal an Industrieschornsteine gekettet hatte, sorgte von Beginn weg für „Zoff“. In der „unerschütterlichen Überzeugung, mit dem, was sie tat, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen“ („Die Presse“), fällte sie Entscheidungen, die die bürgerlichen Koalitionspartner viele Nerven kostete, etwa die handstreichartige Rücknahme längst beschlossener, wichtiger Straßenprojekte (Lobau-Tunnel etc.). Und an ihrer einsamen Entscheidung, mit dem Koalitionspartner unabgesprochen das EU-Renaturierungsgesetz in Brüssel abzusegnen, hätte sie am Ende fast noch die Koalition gesprengt.<BR /><BR />Nerven kostete sie aber auch die Bürger. Zwar führte sie ein günstiges „Klimaticket“ für in ganz Österreich benutzbare Öffis ein – ein Budgetposten, der ihr heute noch als größte Verschwendung von Steuergeld angelastet wird –, aber die CO<Texttief>2</Texttief>-Bepreisung und ein stetig erhobener grüner Zeigefinger mit angekündigten Zwangsmaßnahmen (Gasheizungsausstieg) kamen in der Bevölkerung alles andere als gut an.<BR /><BR />Und prompt verloren die Grünen wieder Wahlen: Ein Viertel der Stimmen bei der EU-Wahl weg, ein Drittel der Stimmen bei der vergangenen Nationalratswahl weg, aus allen (vormals sechs) Landesregierungen rausgeflogen – das hatte viel mit einer langsam gedrehten Stimmung gegen das Grün-Diktat und viel mit Leonore Gewessler zu tun.<BR /><BR />Leonore Gewessler ficht das nicht an, auch wenn sie zugibt, Fehler gemacht zu haben. Nach dem Wahldebakel im Herbst – die Grünen waren bei den nachfolgenden Regierungsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und NEOS für niemanden eine Option mehr – reiste sie durchs Land, um den „Menschen zuzuhören“. Die Attitüde, als Säulenheilige der Grünen einzig zu wissen, wo es langzugehen hat, wird sie dabei ebenso wie in halblustigen Videos, die die Jungen erreichen sollen, aber nicht los. Eine Aktivistin wie sie bleibt von Selbstzweifeln einfach verschont.