Sich in Zeiten der eigenen Schwäche Hilfe zu holen, ist ein Zeichen von Stärke. Dabei geht Landesrätin Eva Pawlata, zuständig für Soziales, Inklusion und Frauen, in die Offensive, wenn es darum geht Personen aus einem Abhängigkeitsverhältnis zu lösen.<BR /><BR /><b>Sie waren ja lange – vor der Regierungsverantwortung, die Sie jetzt haben – im Bereich Gewaltprävention tätig. Wie sehen Sie die Entwicklung?</b><BR />Eva Pawlata: Ich war rund 6 Jahre lang im Gewaltschutzzentrum Tirol tätig, zuletzt als Geschäftsführerin. In dieser Zeit habe ich viele Fälle von Gewalt an Frauen und Kindern erlebt. Ein besonderes Anliegen ist es mir, auf die strukturelle Gewalt aufmerksam zu machen. Wenn von Gewalt gesprochen wird, meint man meist das Offensichtlichere: Schlagen, Verletzen, Bedrohen – also körperliche und psychische Gewalt. Was aber die Strukturen, die in unserer Gesellschaft herrschen, für Mädchen und Frauen bedeuteten, ist oft weniger klar. Dabei geht es um die ungleiche Verteilung von Einkommen und Ressourcen, ungleiche Zugänge zu Bildungs- und Berufswegen sowie Rollenbilder und Machtverhältnisse. Diese Formen von Benachteiligungen von Frauen gilt es aufzuzeigen und aufzubrechen, denn sie sind die Wurzeln von Diskriminierungen und Gewalt.<BR />Ich denke, dass sich in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren hierzulande einiges getan hat – auch dank diverser öffentlichkeitswirksamer Initiativen. Dennoch gibt es im Bereich der Gewaltprävention und der Gleichstellung noch viel zu tun. Dies gilt für Gewalt gegen Frauen genauso wie für Gewalt gegen Kinder und Jugendliche oder andere Betroffene.<BR /><BR /><b>Im Bereich Gewaltprävention hat das Land Tirol bereits viele Maßnahmen umgesetzt. Welche weiteren Schritte wollen Sie setzen?</b><BR />Pawlata: Die Idealvorstellung ist, dass wir es durch entsprechende Maßnahmen schaffen, Gewalt vor oder im Entstehen zu erkennen und frühzeitig unterstützend einschreiten können. Häufig schaukelt sich Gewaltausübung hoch: Wenn rechtzeitig reagiert wird, kann möglicherweise verhindert werden, dass aus verbalen Beschimpfungen schwere Körperverletzungen werden. Hierfür ist es essenziell, dass alle Systempartner gemeinsam an einem Strang ziehen, denn Gewaltprävention ist eine Gemeinschaftsaufgabe.<BR />Von Seiten des Landes fördern wir eine Vielzahl von Einrichtungen, die Maßnahmen zur Gewaltprävention umsetzen. Dazu zählen aktuell etwa Workshops zu Catcalling, Sexting und Cybergewalt, Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse, Beratungsangebote zu sexualisierter Gewalt, Trainingsprogramme zu opferschutzorientierter Täterarbeit sowie Multiplikatoren-Schulungen.<BR />Um speziell traditionell verankerte Rollen- und Aufgabenzuschreibungen von Frauen und Männern aufzubrechen, werden Projekte und Maßnahmen gefördert, die sich kritisch mit den geschlechtsspezifischen Stereotypen auseinandersetzen und zur aktiven Antidiskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität anregen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="905953_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihr Aufgabengebiet der Gewaltprävention hängt ja auch mit Ihren Regierungsverantwortlichkeiten wie Gleichstellung und Kinderschutz zusammen. Wie kann hier ein Netzwerk erzeugt werden, um regional und nicht nur in einem Großraum wie Innsbruck Betroffenen zu helfen?</b><BR />Pawlata: Für mich bedeutet Politik zu machen immer auch ressortübergreifend zu arbeiten. Gerade der Bereich der Gewaltprävention hängt eng mit den Themen Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Kinderschutz zusammen. So sind präventive Maßnahmen gegen Gewalt etwa auch deshalb so wichtig, weil Gewalt oft ein Kreislauf ist: Wer selbst als Kind oder als Jugendliche/r Gewalt erfahren hat, übt potenziell auch eher selbst wieder Gewalt aus. Eine gewaltfreie Erziehung ist daher der Schlüssel, um diesen Gewaltkreislauf zu durchbrechen.<BR />Als Koordinierungsstelle und Drehscheibe aller in den Bereichen Gewaltprävention und Gewaltschutz tätigen Institutionen wurde die Gewaltpräventionsstelle des Landes Tirol eingerichtet. Im Vorjahr fanden landesweit „Runde Tische“ zur Gewaltprävention statt, an denen Vertreterinnen und Vertreter der verschiedensten Einrichtungen teilnahmen. Das erste Mal war ich noch in meiner Funktion als Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums dabei. Bei der Abschlussveranstaltung dann als Landesrätin.<BR />Die Hilfs- und Unterstützungslandschaft im sozialen Bereich ist in Tirol grundsätzlich gut aufgestellt und auch in allen Bezirken vertreten. Wir sind explizit darum bemüht, das Angebot auch außerhalb des Ballungsraumes Innsbrucks auszubauen. So haben wir etwa erst vor Kurzem beschlossen, zusätzlich zu den zwei bestehenden Frauenhäusern in Innsbruck und einem geplanten im Tiroler Oberland, ein weiteres im Tiroler Unterland umzusetzen.<BR /><BR /><b>Gewaltprävention betrifft ja nicht nur eine bestimmte Schicht, sondern ist ein Problem unabhängig von einer sozialen Stellung. Wie wichtig ist es, dass Betroffene sich frühzeitig melden, wenn hier körperliche und psychische Unterdrückungen erfolgen?</b><BR />Pawlata: Häuslicher Gewalt liegt im Regelfall ein ungleiches Machtverhältnis zugrunde. Neben körperlicher und psychischer Gewalt können auch emotionale und finanzielle Abhängigkeiten bestehen. Für viele Frauen ist es daher schwierig, sich aus diesen Verhältnisses zu lösen. Sie können es sich etwa gar nicht leisten, sich von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen, weil sie sich die Miete und den Lebensunterhalt nicht alleine finanzieren können. Dies hat wiederum damit zu tun, dass sie in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen oder in Teilzeit arbeiten. Diese Frauen bleiben dann oft über viele Jahre in gewaltvollen Beziehungen – teilweise mit ihren Kindern, die ebenso die häusliche Gewalt miterleben.<BR />Wir setzen daher den Fokus auf Sensibilisierung und Aufklärung: Wenn Gewalt gegen Frauen gesehen und gehört wird, können Betroffene Mut entwickeln, Hilfe anzunehmen – ebenso wie potenzielle Täter. Daneben muss das entsprechende Hilfs- und Unterstützungsangebot für betroffene Personen flächendeckend ausgebaut werden: also Frauenhäuser und Not- bzw. Übergangswohnungen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59823689_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Bestimmte Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis haben eine Furcht, sich anzuvertrauen und offizielle Stellen aufzusuchen. Wie kann man diese erreichen, dass sie sich diesen Schritt trauen?</b><BR />Pawlata: Gerade beim Thema Gewalt, sei es Gewalttätigkeit oder Gewalterfahrungen, braucht es – neben Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit – möglichst niederschwellige Angebote: Das heißt, ohne große bürokratischen Hürden, vertraulich, kostenlos und idealerweise möglichst nahe an den Betroffenen. Damit kann die Hemmschwelle, Hilfe in Anspruch zu nehmen, deutlich gesenkt werden.<BR />Eine wichtige Säule der Gewaltprävention ist auch die TäterInnenarbeit. Erst kürzlich wurde in Kitzbühel eine neue Beratungsstelle von „Mannsbilder“ eröffnet, dessen Aufbau das Land Tirol zu großen Teilen förderte. Dort erhalten Männer und Burschen kostenlose und vertrauliche Beratungen bei Schwierigkeiten in allen Lebenssituationen – auch bei Gewalt.<BR /><BR /><b>Die Gleichstellung, vor allem von Frauen, hängt ja auch mit Abhängigkeiten zusammen. Wie kann man diesen Betroffenen helfen, aus diesem Abhängigkeitsverhältnis herauszukommen?</b><BR />Pawlata: Sich aus Abhängigkeitsverhältnissen in einer Partnerschaft zu lösen, kann für Betroffene sehr schwierig und oft auch ein längerer Prozess sein. Bei einer emotionalen Abhängigkeit geht es vor allem darum, die betroffene Person psychosozial zu unterstützen: Ihr auch zu zeigen, dass sie mit dieser Situation nicht alleine ist und sich nicht schämen muss. Bei einer finanziellen Abhängigkeit müssen vor allem Alternativen aufzeigt werden, die ein eigenständiges Leben ermöglichen.<BR />Grundsätzlich gilt: Sich in Zeiten der eigenen Schwäche Hilfe zu holen, ist ein Zeichen von Stärke. <BR /><BR /><b>Sie haben auch den Bereich Kinderschutz zu verantworten. Neben der körperlichen Gewalt sind ja auch Anfeindungen, Unterdrückung und „Erpressung“ durch Sozial-Media-Accounts ein Problem. Wie will hier das Land Tirol vorgehen? Braucht es auch hier eine Prävention, damit es hier nicht zu diesen Entwicklungen kommt?</b><BR />Pawlata: Gewalt im Netz oder Cybergewalt, die vielfach über soziale Medien stattfindet, ist ein ernst zunehmendes Problem, von dem speziell junge Frauen stark betroffen sind. In einer österreichweiten Studie aus dem Jahr 2018 gaben ein Drittel der befragten Mädchen und Frauen an, innerhalb eines Jahres mindestens einmal Gewalt im Internet erfahren zu haben; bei den 15- bis 18-Jährigen waren sogar fast zwei Drittel betroffen. Häufig wird Cybergewalt auch von einem (Ex-)Partner ausgeübt und zählt demnach zu einer Form der häuslichen Gewalt.<BR />Vonseiten des Landes Tirol planen wir heuer noch die Umsetzung einer speziellen Kampagne, die auf das Thema „Hass im Netz“ aufmerksam macht.<BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR /><BR />Eva Pawlata ist am 10. Februar 1976 geboren und in Rum bei Innsbruck wohnhaft. Sie absolvierte das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck. 2006 startet sie ihre berufliche Laufbahn beim Gewaltschutzzentrum Tirol, seit 2016 ist sie Geschäftsführerin. Seit 25. Oktober 2022 ist sie Mitglied der Tiroler Landesregierung.<BR /><BR />PRIVATES<BR /><BR /><b>Mein Motto lautet:</b> Hinterfrage alles, aber gib dann auch mal Ruhe.<BR /><b>Wie würden Sie sich selbst beschreiben:</b> verlässlich, loyal, neugierig, nicht nachtragend, aber sich vieles merkend.<BR /><b>Eine Freude macht man mir</b>, wenn man mir zuhört und versucht zu verstehen, was ich sagen möchte, aber dann auch in den Diskurs geht. <BR /><b>Das ist für mich wichtig</b>, dass ich Menschen um mich habe, denen ich vertrauen kann.<BR /><b>Überhaupt nicht leiden kann ich</b>, wenn man unehrlich ist und keine Verantwortung für eigene Fehler übernehmen kann; wenn Konflikte nicht aufgelöst werden und dauerhaft schwelen.<BR /><b>Wenn ich mich entspannen möchte</b>, dann höre ich Podcasts, lese oder gehe auf den Berg. <BR /><b>Auf Urlaub fahre ich am liebsten nach</b>, jedenfalls dorthin, wo es warm ist und am liebsten mit unkomplizierter Begleitung – dann ist der Urlaubsort eigentlich egal. <BR /><b>Mit meinem ersten Gehalt…</b> habe ich mir möglicherweise eine Levis 501 gekauft.<BR /><b>Am liebsten esse ich:</b> Steak, Käse und die Lasagne meiner Mutter<BR /><b>In meiner Kindheit war mein Traumberuf:</b> Ich wollte mal Bäuerin werden.<BR />