Doch viele Menschen blicken auf den Termin mit Sorge. Zwar hat der seit dem Umsturz regierende Militärrat unter Mubaraks langjährigem Verteidigungsminister Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi die Symbolfiguren des alten Regimes aus ihren Ämtern entfernt. Etliche von ihnen stehen inzwischen sogar vor Gericht.Dutzende Parteien wurden zugelassen, in den Staatsmedien findet man inzwischen auch kritischen Journalismus. Und dennoch sind viele Ägypter vor der Wahl skeptisch.Denn viel hat sich im Vergleich zu frühere Wahlen nicht geändert. Korrupte Kandidaten verteilen wieder Geschenke in ihren Wahlkreisen. Ausländische Beobachter sind nicht zugelassen.Wahltermin fraglichEine Frage, die viele Ägypter umtreibt, ist, ob die Wahl überhaupt pünktlich stattfinden wird. Einige Beobachter befürchten, dass der Militärrat oder Angehörige der ehemaligen Regierungspartei kurz vor dem ersten Wahltag neue Ausschreitungen provozieren könnten.Damit ließe sich dann eine Verschiebung der Wahl aus Sicherheitsgründen rechtfertigen. Ganz falsch liegen sie mit dieser Furcht nach Einschätzung westlicher Diplomaten nicht.Denn eine unabhängige Untersuchung der Zusammenstöße vor dem Fernsehgebäude in Kairo hat kürzlich gezeigt, dass der Tod von 27 koptischen Christen bei einer Demonstration am 9. Oktober das Ergebnis einer gezielten Störaktion bewaffneter Provokateure war, die sich unter die Demonstranten gemischt hatten.Die Richter, die den Urnengang überwachen sollen, haben schon gedroht, am Wahltag nicht zu erscheinen, falls Armee und Polizei ihre Sicherheit nicht gewährleisten sollten.„Ich glaube aber nicht, dass die Parlamentswahl deshalb verschoben wird. Denn die Menschen warten auf diese Wahl und sie wären schockiert, wenn viele Richter nicht erscheinen würden“, sagt Ayman Nour, der bei der Präsidentenwahl 2005 gegen Mubarak angetreten war und dafür mehrere Jahre im Gefängnis saß.Die Wahl damals war überhaupt die erste mit mehreren Kandidaten. Mubarak bekam 88,6 Prozent der Stimmen, Nour, Chef der liberalen Ghad-Partei, 7,6 Prozent. Drei Monate später wurde Nour zu fünf Jahren Haft verurteilt, nachdem ihm vorgeworfen worden war, Unterschriften für seine Registrierung gefälscht zu haben.Angst vor islamisch geprägter Regierungskoalition Die Linken und die Liberalen haben Angst, dass am Ende des Wahlprozesses, der vom 28. November bis zum 10. Jänner dauern soll, eine islamisch geprägte Regierungskoalition steht, die den Alkoholausschank weitgehend einschränkt und die Rechte der Frauen noch weiter beschneidet.Auch befürchten sie, dass sich die Partei der Muslimbrüder und die noch radikaleren Islamisten-Parteien, falls sie wirklich die stärkste Fraktion bilden sollten, hinterher nicht mehr von der Macht vertreiben lassen.„Die Muslimbrüder haben die Religion mit der Politik vermischt und dabei sowohl die Religion als auch die Politik beschädigt“, zitierte die Kairoer Tageszeitung „Al-Ahram“ vor einigen Tagen den Vorsitzenden der linken Partei Tagammu, Rifaat al-Said.„Sie sprechen im Namen des Himmels und wenn sie einmal an der Macht sind, dann werden sie sagen: 'Jetzt herrscht der Islam'“. Damit wäre jeder politische Konkurrent, der sie von der Macht verdrängen will, ein „Ungläubiger“.Hoffnung liegt auf Jugendlichen und neuen GruppierungenDen Gegenpol zu den religiösen Parteien bieten neue Gruppierungen aus dem liberalen und sozialdemokratischen Spektrum, die sich nach der Entmachtung Mubaraks erstmals um eine Parteilizenz bemüht hatten.Zu ihnen gehört die „Partei der Freien Ägypter“, die der Milliardär Naguib Zawiris gegründet hat. Zawiris (Sawiris), ein koptischer Christ, tritt für eine strikte Trennung von Religion und Staat ein.Zur Wahl stellen sich auch einige junge Aktivisten, die während der Proteste gegen Mubarak bekanntgeworden waren. Etliche der Organisatoren der Massendemonstrationen haben sich jedoch inzwischen aus dem politischen Leben zurückgezogen.Wie ein Pop-up-Fenster auf dem Computermonitor sind die ehemaligen Parteigänger der „Nationaldemokratischen Partei“ (NDP) Mubaraks wieder aufgetaucht. Ihre Partei wurde zwar verboten.Doch einige von ihnen schlüpften unter das Dach neugegründeter Parteien, andere treten als unabhängige Kandidaten an. Diese Ex-NDP-Politiker, die im öffentlichen Diskurs heute „Überreste“ genannt werden, spekulieren darauf, dass die Schwierigkeiten der vergangenen Monate – steigende Kriminalität und hohe Inflation – viele Wähler dazu bringen werden, auf „Bewährtes“ zu setzen.Aber: Jugend spricht bereits von „Konterrevolution“ Die Jugendbewegung 6. April, die zu den wichtigsten Architekten der „Revolution“ gehörte, spricht inzwischen schon von „Konterrevolution“. Um die Wähler vor den „Überresten“ des alten Regimes zu warnen, will sie Listen vor den Wahlen mit den Namen ehemaliger NDP-Kader verteilen – verbunden mit der Aufforderung, diese Kandidaten bloß nicht zu wählen. apa/dpa