Und das Ergebnis in Niederösterreich ist symptomatisch für den Zustand der ÖVP: Selbst in ihren Kerngebieten musste sie Stimmen an die rechtspopulistische FPÖ, ja sogar an die SPÖ abgegeben, die in Niederösterreich noch nie etwas zu reden hatte. von Andreas Schwarz<BR /><BR />Sie kam dennoch mit einem blauen Auge davon und stellt weiterhin weit die meisten Bürgermeister im Land – die Freiheitlichen konnten fast nirgendwo die Macht übernehmen.<BR /><BR />Das ist eine kleine Erholung für die ÖVP vor allem auf Bundesebene, die bei Wahlen zuletzt nur 2 blaue Augen davon trug und trotzdem gerne weiter regieren möchte – nach dreieinhalb Jahrzehnten an der Macht (entweder als kleiner Koalitionspartner der SPÖ oder als Kanzlerpartei) nun zur Not mit der FPÖ des Herbert Kickl, dem selbsternannten „Volkskanzler“.<BR /><BR />Zur Erinnerung: Der hatte die ÖVP bei den Nationalratswahlen Ende September auf Platz 2 verwiesen; Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS zur Vermeidung eines Kanzlers Kickl platzten; nun verhandelt man mit der FPÖ – auf dass man am Ende den Vize-Kanzler stellen kann.<BR /><BR />Aber der Weg dorthin ist mühsam, wie sich mehr und mehr zeigt demütigend – und endet möglicherweise in einer Sackgasse und Neuwahlen.<h3>Am Nasenring</h3>Die Wende, die die ÖVP vom „Nie mit Kickl“ vor und in den Monaten nach der Wahl zu den nunmehrigen Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ hingelegt hat, war schon ein Gesichtsverlust der Sonderklasse - der neue Parteichef Christian Stocker musste ihn tragen. Danach führte FPÖ-Chef Kickl , als er doch noch den Regierungsbildungsauftrag vom Bundespräsidenten erhielt, die ÖVP quasi am Nasenring vor – die Volkspartei müsse wissen, wer Erster und wer Zweiter geworden sei, dass sie das Land an die Wand gefahren habe, und dass man ihr eigentlich nicht vertraue, aber in Gottes Namen sei die FPÖ bereit, aufrichtig zu verhandeln.<h3>Stolpersteine</h3>Danach wurde auch stramm verhandelt, ein Budgetpfad erstellt, ehe sich ÖVP und FPÖ Ende vergangener Woche begannen, Unfreundlichkeiten auszurichten. Und das nicht wegen inhaltlicher Differenzen – die ÖVP war auch bereit, sich bei Themen wie dem Raketenabwehrsystem Sky Shield und anderen zu verbiegen. Aber dann richtete Obmann Stocker über ein Gespräch mit Medienvertretern aus, dass die FPÖ vom rechten Rand mehr in die politische Mitte rücken und gemäßigtere Position einnehmen müsse, sonst werde sich eine Koalition nicht ausgehen. Die Reaktion aus dem blauen Lager kam prompt und heftig: Gleich 4 Landesparteichefs verwiesen den ÖVP-Chef in scharfem Ton in die Schranken („muss zur Kenntnis nehmen, wie die Wahl ausgegangen ist“, etc.). Und zu allem Drüberstreuen wurde am Sonntag bekannt, dass die FPÖ in den Verhandlungen eine Bankenabgabe auf Übergewinne von Geldinstituten fordert – ein No-Go für die Wirtschafts- und Bankenpartei ÖVP.<BR /><BR />Heißt also: Alles will sich die Volkspartei nicht gefallen lassen. Und ein Reststolz ist auch noch da – immerhin lag man bei der Nationalratswahl nur 1,6 Prozentpunkte hinter der FPÖ, und bei der eingangs erwähnten Gemeinderatswahl gelang es der FPÖ nicht, die Bürgermeisterämter zu stürmen.<BR /><BR />Neuwahlen wären nach jetzigem Stand kein Gewinnprojekt für die ÖVP und ein Durchmarsch für die Freiheitlichen. Aber in der ÖVP gibt es Kreise, die immer noch darauf setzen, dass im Falle von Neuwahlen ein neuer Parteichef – Sebastian Kurz? – das Ruder herum reißen könnte und die Karten neu mischt. Vielleicht sogar ohne blaues Auge. Und jedenfalls besser, als sich von dem politischen Rächer Herbert Kickl demütigen zu lassen.