Österreichs Amtsträger hätten „einseitige und empörender Aussagen“ zur Situation in der Ukraine getätigt, hieß es in einer am Wochenende verbreiteten Erklärung des russischen Außenministeriums. Diese Vorwürfe sind aber ins rechte Licht zu rücken.<BR /><BR />Karl Nehammer (ÖVP) warf die russische Diplomatie vor, Bundeskanzler eines „scheinbar neutralen Österreich“ zu sein, er habe sich einer „emotionalen antirussischen Rhetorik“ bedient; Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) habe „absurde Anschuldigungen“ gegen Russland erhoben – das werde für die künftigen Beziehungen „berücksichtigt“ werden. <BR /><BR />Das Außenministerium in Wien wies die Attacke auf das neutrale Österreich scharf zurück: „Österreich ist militärisch gesehen ein neutraler Staat. Aber wir sind politisch niemals neutral, wenn es um die Achtung des Völkerrechts geht.“ Österreich werde nie schweigen, wenn die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit eines Staates angegriffen werde. <BR /><BR />Kanzler Nehammer konterte den russischen Vorwurf, er habe gesagt, die Neutralität sei Österreich von Russland aufgezwungen worden: „Ich habe … im Parlament erklärt, dass russische Soldaten Österreich befreit haben und die Nazis besiegt haben.“ Gleichzeitig sei es „aber auch ein Faktum, dass Österreich 10 Jahre danach frei“ wurde, „indem es sich zur immerwährenden Neutralität bekannt hat - und das war eine Bedingung der Sowjets damals“.<h3> Neutralitätsdebatte nimmt Fahrt auf</h3>Und prompt ist die Neutralität dieser Tage wieder ein Thema: Wie weit darf Österreich bei der Verurteilung einer internationalen Aggression gehen? Wie weit darf es Sanktionen mittragen? Und während Völkerrechtler dazu ganz unterschiedliche Standpunkte einnehmen, entspinnt sich in Österreich – wieder einmal – eine Debatte über den Sinn der Neutralität. <BR /><BR />Andreas Khol, Urgestein der Regierungspartei ÖVP und ehemaliger Parlamentspräsident, plädiert wie der frühere Streitkräftekommandant Günter Höfler für einen NATO-Beitritt. „Ein neutraler und bündnisfreier Staat bleibt allein, wenn er angegriffen wird“, sagte Khol, das Beispiel Ukraine zeige, dass nur Bündnis-Mitglieder geschützt werden. ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer legte nach: Die Neutralität und ihre Ausgestaltung müsse ernsthaft diskutiert werden.<BR /><BR />Solche Vorstöße hat es in der Vergangenheit auch schon gegeben, und sie haben immer eine geradezu hysterische Neutralitätsverteidigung seitens der SPÖ hervorgerufen. „Die Neutralität stärkt als Eckpfeiler der österreichischen Außenpolitik unsere Sicherheit“, betonte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Wochenende, und die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures pochte ebenfalls auf die „Beibehaltung einer aktiven Neutralitätspolitik“. Österreich sei umgeben von NATO-Mitgliedern, die würden es schon schützen, hatte die SPÖ schon früher diese Trittbrettfahrer-Mentalität in Worte gefasst, als sie vehement gegen die Anschaffung von Abfangjägern auftrat.<BR /><BR />In der Praxis ist die österreichische Neutralität – die Neutralitätserklärung war 1955 tatsächlich Voraussetzung dafür, dass Österreich den Staatsvertrag erhielt und frei von den Besatzungsmächten wurde – ohnehin schon erodiert. Österreich nimmt an EU-Missionen teil und stellt, wenn es ein UN-Mandat gibt, Ausbildungskontingente. <BR /><BR />Dass die Neutralität in der gegenwärtigen Situation ernsthaft in Frage gestellt oder gar ein Beitritt zur NATO ins Auge gefasst würde, ist allerdings auszuschließen. Die russische Drohung gegen Schweden und Finnland wegen deren NATO-Ambitionen ist noch frisch, und der rhetorische Ausfall gegen Österreich noch frischer.