Ganz oben auf der To-Do-Liste des Neo-Landesrates steht ein anderer Punkt, wie er im ausführlichen Interview verrät. <BR /><BR /><b>Vom Ruhestand in die Politik – haben Sie Ihre Entscheidung schon bereut?</b><BR />Dr. Hubert Messner: Nein! Zugegeben, ich habe mich im Vorfeld der Wahlen durchgerungen, dieses politische Kapitel anzugehen, aber es macht mir Freude und ich bin der Überzeugung, dass ich wirklich etwas bewegen kann. Mir liegt das Südtiroler Gesundheitswesen einfach sehr am Herzen.<BR /><BR /><b> Die Erwartungshaltungen an Sie sind besonders groß. Spüren Sie den Druck?</b><BR />Messner: Die Erwartungshaltung sowohl der Bevölkerung als auch der Mitarbeiter im Betrieb sind riesig. Ich bin mir dessen vollkommen bewusst. Aber ich nehme die Herausforderungen an und ich weiß damit umzugehen. Es muss aber auch klar sein, dass wir nicht alle Baustellen auf einmal angehen können. <BR /><BR /><b> Von denen gibt es einige...</b><BR />Messner: Ich vergleiche den Sanitätsbetrieb gerne mit einem großen Containerschiff. Aktuell haben sich einige Container verschoben und das Schiff ist dadurch etwas in Schieflage geraten. Nun gilt es, gemeinsam alle Container wieder richtig auszurichten und das Schiff zurück auf Kurs zu bringen. Vielleicht muss man den auch etwas korrigieren.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995533_image" /></div> <BR /><BR /><b> Was ist denn die größte und dringendste Baustelle?</b><BR />Messner: Die Demotivation und Unsicherheit, die im Gesundheitspersonal um sich gegriffen hat. Viele stellen sich die Sinnfrage, besonders seit bzw. nach der Pandemie. Was da passiert ist, hat viel mit den Menschen gemacht. Sie haben gearbeitet bis an die Grenzen ihrer Kräfte – und nun das Gefühl, man hat vergessen, was sie geleistet haben. <BR /><BR /><b> Die mangelnde Wertschätzung beklagen aber Ärzte und Gesundheitspersonal insbesondere innerhalb des Betriebes...</b><BR />Messner: Das stimmt. Es gibt zum einen das gesellschaftliche Phänomen. Aber ja, wir haben uns auch als Betrieb von unseren Mitarbeitern entfernt – und auch deswegen einige verloren. Ich spüre diesen Frust. Deshalb ist es wichtig, dass wieder Menschlichkeit in die Führungsstruktur zurückkehrt. Aber man muss mir auch die Zeit lassen, zu arbeiten.<BR /><BR /><b> Als Mediziner sind Sie es gewohnt, rasch Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Notfälle dulden schließlich keinen Aufschub. Geht es Ihnen in der Politik da nicht zu langsam?</b><BR />Messner: Als Quereinsteiger, gebe ich zu, erscheinen mir manche Diskussion mühsam. Jeder will und muss sich einbringen, und das macht das Arbeiten schwerfälliger. Andererseits bin ich es auch als Mediziner gewohnt gewesen, zu planen, mich vorzubereiten und Dinge Schritt für Schritt umzusetzen. Dieses Verhalten werde ich beibehalten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995536_image" /></div> <BR /><BR /><b>Oben auf Ihrer Liste dürften die langen Wartezeiten stehen...</b><BR />Messner: Wir werden das nur in den Griff bekommen, wenn wir die wohnortnahe Betreuung stärken und so die Krankenhauslastigkeit zurückfahren können. Schritt eins ist eine gute Ausbildung unserer Hausärzte. Wir werden das Projekt der „Facharztausbildung Hausarzt“ ganz entschieden angehen. Ende des Jahres sollten die Facharztausbildungen nach österreichischem Modell vom Gesundheitsministerium neu evaluiert werden. Dann können wir hoffentlich die Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner auch beginnen. Die jungen Ärzte wollen das .... <BR /><BR /><b>... sie wollen aber auch eine Anstellung statt eines Stipendiums während der Hausarztausbildung ...</b><BR />Messner: Und das machen wir! Die auszubildenden Ärzte sollen mit einem Arbeitsvertrag starten können, schließlich handelt es sich ja nicht mehr um Studenten, sondern um fertig ausgebildete Ärzte, die sich spezialisieren. Mit diesem Arbeitsvertrag geht die Möglichkeit einher, ab dem ersten Jahr auch Patienten zu betreuen. Auch Zusatzverdienste etwa durch Bereitschaftsdienste wollen wir ermöglichen. Zudem müssen wir – gerade für Ärztinnen – die Möglichkeit einer Ausbildung in Teilzeit schaffen. Die Forderungen der Jungärzte in der Petition sind für mich vollkommen nachvollziehbar. Und ich erhoffe mir auch mit der neuen Fakultät für Medizin einen Anreiz für unsere Studenten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995539_image" /></div> <BR /><BR /><b>Zurück zur wohnortnahen Betreuung. Nur mit einer Ausbildungsoffensive wird dies nicht zu schaffen sein?</b><BR />Messner: Ein weiterer Ansatz ist die Gruppenmedizin. Es gibt bereits Beispiele, wir werden sie verstärkt fördern. Wenn 3, 4 Ärzte in einer Gemeinschaftspraxis zusammenarbeiten, dann kann man sich absprechen und für die Patienten ist immer jemand da. Zudem müssen wir die Ausstattungen der Praxen aufrüsten, etwa indem wir Ankäufe von diagnostischen Geräten zur Hälfte finanzieren. Und wir müssen dafür sorgen, dass ein Arzt Arzt sein kann, für die Bürokratie in einer Praxis müssen Assistenten da sein. Auch hier müssen wir ausbilden – und den Ärzten die Möglichkeit geben, die Personalkosten vollkommen von der Steuer abschreiben zu können. Wenn wir das Territorium so aufrüsten, dann können 80 Prozent der Gesundheitsleistungen vor Ort erbracht werden. <BR /><BR /><b> Klingt nach einer Mammutaufgabe? Auch weil etablierte Hausärzte bei so viel Neuerungen wohl kaum alle mitspielen...</b><BR />Messner: Ich bin ein Optimist, Ja. Aber ich gebe mich keinen Illusionen hin. Diese Umstrukturierung wird kommen, denn sie ist eine Notwendigkeit. Der Patient muss im Mittelpunkt unseres Systems stehen – und ich muss das garantieren. Aber es wird sicher Überzeugungsarbeit brauchen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-63436659_quote" /><BR /><BR /><b>Bleiben Abend- und Nachtstunden, Wochenenden... </b><BR />Messner: Deswegen braucht es neben der Notaufnahme, die nur noch für Notfälle sein darf, und dem Hausarzt noch territoriale Zentren – geöffnet 7 Tage die Woche, rund um die Uhr – für nicht schwerwiegende Krankheitsbilder, die diagnostiziert und behandelt werden müssen, eines pro 20.000/30.000 Einwohner. In der Emilia Romagna macht man bereits beste Erfahrungen damit. Das Beispiel zeigt, dass Notaufnahmen dadurch um 40 Prozent entlastet werden konnten. <BR /><BR /><b> Und die Kosten?</b><BR />Messner: Ich bin überzeugt, dass wir so unterm Strich sogar sparen können. Notaufnahmen sind ein großer Kostenpunkt und bieten andersherum ein großes Einsparpotenzial. Zusätzliche Ressourcen haben wir wahrscheinlich nicht viel zur Verfügung.<BR /><BR /><b> Eine andere Baustelle ist die Digitalisierung...</b><BR />Messner: Wir sind dabei, landesweit ein neues Krankenhausinformatiksystem zu implementieren. Das läuft in der Tat noch nicht rund, man sagt mir, da gibt es noch viele Kinderkrankheiten und eine ganze Liste an Problemen. Auch scheint die Assistenz durch die Herstellerfirma mangelhaft zu sein. Ich werde mir den Vertrag anschauen – und im Fall reagieren...<BR /><BR /><b> Bleibt die Baustelle Generaldirektion. Wer wird der oder die Neue an der Spitze?</b><BR />Messner: Wir müssen noch ein paar Gespräche führen. Ende des Monats fällt eine Entscheidung. Das ist dringend. Wir arbeiten bereits zu lange im Notbetrieb.<BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />In Villnöß geboren und aufgewachsen, erwarb Hubert Messner (70) im Jahr 1978 das Doktorat der gesamten Heilkunde in Innsbruck. 1983 erhielt er die Facharztbescheinigung für Kinderheilkunde an der Universität Modena, 1985 folgte das Diplom für Neonatologie in Mailand. Nach mehreren Ausbildungen im medizinischen und Management-Bereich war er maßgeblich am Aufbau der Neonatologie und Neugeborenen-Intensivstation am Krankenhaus Bozen beteiligt, die er von 2007 bis 2017 als Primar führte. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995542_image" /></div> <BR /><BR />Messner war Mitglied in mehreren Gesundheitsgremien, wie des Ethischen Komitees des Gesundheitsbezirkes Bozen, der Fachgewerkschaft der Chefärzte, des Sanitätsrats sowie der Ärztekammer. I<BR />m Oktober 2023 schaffte er mit 30.600 Vorzugsstimmen als insgesamt Zweitmeistgewählter den Sprung in den Landtag. Seit Februar ist er als Landesrat für Gesundheitsvorsorge und Gesundheit Mitglied der Landesregierung. Seine große Leidenschaft gehört dem Sport. <BR />Er unternahm immer wieder Expeditionen, die ihn meistens in entlegene Eiswüsten führten. So 1993 nach Grönland, 1995 und 1996 zum Nordpol, 2000 zum Nanga Parbat. Messner wohnt heute mit seiner Frau Cristina und den 3 Söhnen in Girlan.<BR />