Bei einem Besuch in der Redaktion von „Dolomiten“, STOL und s+ plauderte Landeshauptmann Mattle auch über Persönliches – vom ersten Südtirol-Erlebnis über die wichtigsten Tiroler in der Geschichte bis zu einem besonderen Ehrenamt, das er nach wie vor ausübt. <BR /><BR /><b>Sie sind fast auf den Tag genau seit einem Monat Landeshauptmann. Wie ist dieses Amt?</b><BR />Landeshauptmann Anton Mattle: Ich empfinde große Dankbarkeit und Freude für das Vertrauen, das mir so viele Tirolerinnen und Tiroler geschenkt haben. Und für das klare Votum, mit dem mich der Tiroler Landtag in dieses Amt gewählt hat. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner haben wir ein ambitioniertes Programm erstellt. Dieses gilt es Punkt für Punkt abzuarbeiten. Mir ist bewusst, dass das Amt des Landeshauptmannes von Tirol mit großer Verantwortung verbunden ist. Ich werde mit dieser Verantwortung achtsam umgehen und Tag für Tag das Beste für Land und Leute geben. Für diesen Weg spüre ich viel Unterstützung.<BR /><BR /><b>Welches Problem beschäftigt Sie aktuell besonders intensiv?</b><BR />Landeshauptmann Mattle:Es sind die vielen überlappenden Krisen, die die Bevölkerung und die Politik aktuell vor große Herausforderungen stellt. Keiner weiß, was auf Tirol und die Welt noch zukommen wird. Diese Verunsicherung ist bei den Menschen spürbar, deshalb ist es unsere Aufgabe, für Stabilität zu sorgen und Tirol ein Stück weit zu erneuern. Als Tiroler Landesregierung sind wir bereit, neue, bisher unerschlossene Wege – wie etwa bei der Kinderbetreuung oder beim Wohnen – zu gehen.<BR /><BR /><b>Haben Sie tatsächlich ein Rezept gegen die Wohnungsnot, die auch in Südtirol ein großes Problem ist?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Das Rezept muss vielfältig sein. So müssen wir dort Wohnraum verdichten, wo es möglich ist. Die Schaffung von Wohnraum auf bestehenden eingeschossigen Gebäuden birgt auch ein gewisses Potential. Weiters planen wir eine Stabsstelle, die Wohnungsbesitzer bei der Vermietung unterstützen sollen. Das strenge Mietgesetz führt oft dazu, dass man Wohnungen oft lieber leer lässt als diese zu vermieten. Am Lande haben wir auch noch leerstehende Gebäude, die wir nutzen sollten.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="836318_image" /></div> <BR /><BR /><b>Der Neubau der Lueg-Brücke auf der Brennerautobahn führt bereits jetzt zu Staus und Protesten: Wie geht es hier weiter?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Aktuelle Staus sind auf andere Faktoren zurückzuführen, weil die Luegbrücke nach wie vor in jede Fahrtrichtung zweispurig befahrbar ist. Aber es ist klar, dass die ASFINAG als Autobahnerhalter die in die Jahre gekommene Strecke erneuern muss. Ebenso muss der Straßenerhalter auch dafür sorgen, dass bei Bauarbeiten die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehres erhalten und das Baustellenmanagement grenzüberschreitend gedacht wird.<BR /><BR /><b>Ist trotzdem ein Verkehrskollaps zu befürchten?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Es gab und gibt entlang der Brennerautobahn immer wieder einspurige Bereiche. Gerade bei Tunnelarbeiten, wie zurzeit am Grenztunnel am Brenner, ist diese temporäre Maßnahme nicht vermeidbar. Im Oktober wurden an der Luegbrücke bereits Bauarbeiten durchgeführt, dort war es nicht so schlimm wie befürchtet. Sollte es zu den von der Asfinag angekündigten Einspurigkeiten über einen längeren Zeitraum kommen, dann wird das zu gewissen Zeiten ein Problem für die Region werden.<BR /><BR /><b>Ist diese Brücke ein Einzelfall oder gibt es weitere problematische Abschnitte?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Die Brennerautobahn ist mittlerweile fast 60 Jahre alt, auf Tiroler Seite sind davon rund 35 Prozent Brückenbauten. Beim damaligen Bau der Strecke waren es ein paar Zehntausend Lkw pro Jahr, die über die Autobahn gefahren sind. Heute überqueren mehr als 2,5 Millionen Lkw jährlich den Brenner. Wir warnen schon seit Jahren, dass auch die Infrastruktur an der Grenze der Belastbarkeit steht.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57113814_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Ihr Amtsvorgänger Günther Platter hat mit Tempolimits, Verboten und Blockabfertigung gegen die Transitbelastung auf der Brennerstrecke gekämpft: Welche Akzente werden Sie hier setzen?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Tirol hat schon sehr früh an Maßnahmen gearbeitet, um die Verkehrsbelastung zu reduzieren. Es gab sehr viel Druck aus der Bevölkerung und von Initiativen, die zurecht aufgestanden sind und sich zur Wehr gesetzt haben. Damit wurden auch Erfolge erreicht: Die Luftqualität wird besser und die Fahrzeugflotten, die den Brenner überqueren, zählen durch diese Vorgaben zu den modernsten in Europa. Aber der Zuwachs an Verkehr stellt uns weiterhin vor große Herausforderungen. Ich will die Gemeinsamkeiten der Regionen entlang des Brennerkorridors hervorstreichen und Maßnahmen, wie ein intelligentes Verkehrsleitsystem, über die Tiroler Grenzen hinweg ausweiten.<BR /><BR /><b>Was heißt das konkret?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Das bedeutet den Verkehr mit Künstlicher Intelligenz zu leiten, also eine Begrenzung der Durchfahrt wenn benötigt. Dosiermaßnahmen müssen aber auf den gesamten Korridor von München nach Verona umgesetzt werden, nur somit können wir die Versorgungs- und Verkehrssicherheit gewährleisten. <BR /><BR /><b>Der Wolf wird in ganz Tirol mehr und mehr zum Problem: Wo sehen Sie die Lösung?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Eine nachhaltige Lösung kann nur auf europäischer Ebene herbeigeführt werden. So lange die FFH-Richtlinie uns vor Ort in den Regionen den Handlungsspielraum nimmt und jeder Abschuss wieder aufgehoben werden kann, kommen wir nicht weiter. Wir müssen den Nationalstaaten und Brüssel klarmachen, dass ein romantischer Umgang mit dem Wolf nicht richtig ist. Es geht um den Erhalt unserer Almwirtschaft, die Zukunft der ländlichen Regionen und den Erhalt unseres Kulturgutes.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="836321_image" /></div> <BR /><BR /><b>Das Bundesland hat bereits Tiere zum Abschuss freigegeben, aber es wurde noch kein Wolf geschossen: Wie geht es weiter?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Bislang wurde versucht, mittels Bescheide Problemwölfe zu entnehmen. Wir gehen nun einen Schritt weiter und wollen mit einer Novelle des Tiroler Jagdrechtes schnelle und unbürokratische Maßnahmen bis hin zur Entnahme auf dem Verordnungsweg ermöglichen. In Kärnten konnte auf diesem Weg der erste Wolf entnommen werden. In der Koalition haben wir uns auch für eine Eingreiftruppe zur Umsetzung behördlicher Aufträge wie der Besenderung oder der Entnahme ausgesprochen, um gezielt gegen Problemtiere vorzugehen. Unser Ziel bleibt aber nach wie vor, den europäischen Schutzstatus zu senken.<BR /><BR /><b>Wie ist Ihr Verhältnis zur SVP und zu Obmann Philipp Achammer?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Ich kenne Philipp Achammer schon seit vielen Jahren und konnte mit ihm in den letzten beiden Jahren als Wirtschaftslandesrat bereits enger zusammenarbeiten. Als Tiroler Volkspartei verbindet uns mit der SVP eine grenzüberschreitende Freundschaft und Verbundenheit. Natürlich freue ich mich sehr auf die Zusammenarbeit auch auf parteilicher Ebene. Wir haben viele Gemeinsamkeiten aber auch gemeinsame Herausforderungen und ein reger Austausch hilft uns in der Zusammenarbeit.<BR /><BR /><b>Und zu Landeshauptmann Arno Kompatscher?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Dasselbe gilt auch für Landeshauptmann Arno Kompatscher, den ich sehr schätze. Er ist ein Verfechter eines Europa der Regionen und war immer schon eine treibende Kraft der Zusammenarbeit innerhalb der Euregio. <BR /><BR /><b>Sind die Kontakte zwischen ÖVP und SVP ausreichend?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Die Kontakte sind gut, ich bin aber dafür noch enger zusammenzuarbeiten. Uns verbinden gemeinsame Werte und das Selbstbewusstsein gegenüber den Hauptstädten Wien und Rom. Der intensive Austausch hilft uns, Themen und Anliegen des Gegenübers besser zu verstehen.<BR /><BR /><b>Früher gab es regelmäßigen Austausch zwischen dem Tiroler Landeshauptmann und dem Südtiroler Landeshauptmann. Gibt es diesen noch?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Mein erster „Auswärtstermin“ hat mich nach Trient zur EUSALP und nach Bozen zu Landeshauptmann Kompatscher geführt. Südtirol ist viel mehr als nur ein Nachbar, Südtirol ist ein Verbündeter und Freund. In diesem Sinne werde ich an die freundschaftlichen Beziehungen meines Vorgängers Günther Platter anschließen und weiterhin den engen Kontakt suchen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57113816_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Wenn Südtirol mit der österreichischen Regierung geredet hat oder Schützenhilfe aus Wien brauchte, lief das immer über den Tiroler Landeshauptmann. Ist das immer noch so?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Südtirol hat sich zu einem starken und selbstbewussten Land entwickelt. Von außen betrachtet ist das Südtiroler Modell in vielerlei Hinsicht ein Erfolgsmodell und Vorbild für viele andere Regionen in Europa und der Welt. Aber es gibt eben keine Garantie, dass das ewig so ist. Der Landeshauptmann von Tirol wird deshalb auch in Zukunft, wenn es notwendig ist, den Südtirolerinnen und Südtirolern zur Seite stehen.<BR /><BR /><b>Zum Schluss noch einige persönliche Fragen: Was war Ihre erste Erfahrung mit Südtirol?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Unsere Familie hatte keinen Pkw, so war es nichts mit Fahrten etwa nach Südtirol. Zum ersten Mal in Südtirol war ich bei einem Ministrantenlager mit unserem Pfarrer, in der Nähe von Brixen. Ich kann mich sehr gut an den Besuch des Doms erinnern. <BR /><BR /><b>Und Ihr liebster Ort in Südtirol?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Ich bin ein Oberländer! Daher ist es auf jeden Fall Meran. <BR /><BR /><b>Welche Südtiroler Spezialität schätzen sie am meisten?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Die Knödel lasse ich weg. Der Speck reicht. <BR /><BR /><b>Und welchen Wein trinken Sie dazu?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Mein Vater war ein großer Fan des Vernatsch. Der musste aber immer in Südtirol gekauft werden. Zum Speck gehört a gscheider Vernatsch.<BR /><BR /><b>Wer sind die drei wichtigsten Tiroler in der Geschichte?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Ich interessiere mich sehr für Geschichte und lese sehr gerne passende Bücher. Für mich sind die größten Tiroler der Bauernführer Michael Gaismair, Andreas Hofer und – die völlig unterschätzte – Margarethe Maultasch. Sie stand ja den Wittelsbachern in Bayern viel näher, aber mit ihr beginnt Tirols lange Geschichte mit den Habsburgern. Ich bin auch ein großer Fan von Gustav Thöni, er war der Star meiner Kindheit. Es war etwas vom Größten, von ihm eine Autogrammkarte zu bekommen. <BR />Ganz starke Persönlichkeiten sind natürlich Silvius Magnago und Eduard Wallnöfer. Meine größte Wertschätzung hat auch der Schriftsteller Bernhard Aichner, nicht nur wegen seiner Bücher, die ich als Leseratte genieße. Im Jahr 1999 war Aichner als Reporter in Galtür und er hat brillant beschrieben, wie die Journalisten nach der Lawinenkatastrophe die Bevölkerung belagert haben.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="836324_image" /></div> <BR /><b>Was haben Sie lieber: Sport oder Watter?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Sport. Als Galtürer natürlich Wintersport. <BR /><BR /><b>Krawatte oder T-Shirt?</b><BR />Im Arbeitsleben Anzug und Krawatte, in der Freizeit gerne T-Shirt. <BR /><BR /><b>Berg oder Meer/See?</b><BR />Landeshauptmann Mattle: Berg. Schließlich bin ich auch Bergretter und Stellvertretender Landesleiter der Bergrettung Tirol.<BR /><BR />