Cynthia Beatt versteht die Welt nicht mehr. Im vergangenen Jahr wurde ein Film der in Berlin lebenden britischen Regisseurin noch in Tel Aviv gezeigt. Und in diesem Jahr steht die 62-Jährige auf einer israelischen Liste mit den Namen von 342 „pro-palästinensischen Radikalen“, denen die Einreise verweigert wird.„Ich bin eine völlig friedliche Person. Ich verstehe das alles gar nicht“, sagt die Wahlberlinerin. Sie hat Israel nie zuvor besucht. An politischen Ärger mit Israel kann sie sich nicht erinnern.„Boykott Israel“Die Lufthansa habe ihr mitgeteilt, dass sie nicht mit nach Tel Aviv genommen werde, sagt Beatt. Sie war die Einzige aus einer Gruppe von Deutschen, die am Freitag in Berlin nicht an Bord der Maschine gehen durfte. Auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle konnten 200 Männer und Frauen nicht einchecken. In Genf waren es 30. Proteste entluden sich gegen die Lufthansa und andere Fluggesellschaften. „Boykott Israel“, riefen Zurückgelassene in Paris.Was ist passiert? Israel wollte am Freitag mehrere hundert Menschen nicht einreisen lassen, die ins Westjordanland weiterfahren wollten. Die Männer und Frauen wurden vorab ohne Differenzierung als Hooligans, pro-palästinensische Radikale, extrem linke Aktivisten oder Extremisten abgestempelt. Beweise? Fehlanzeige. „Ich bin richtig beleidigt, dass ich so diffamiert werde“, sagt Regisseurin Beatt.Allerdings dürfte das Programm der palästinensischen Organisatoren die israelischen Sicherheitskräfte alarmiert haben. Demnach sind in den kommenden Tagen Proteste gegen die Sperranlage zum Westjordanland und Siedlungen geplant.Jahrelang war es üblich, dass Reisende nach Israel vor Antritt des Fluges auf europäischen Airports von israelischem Sicherheitspersonal befragt wurden. Heute können Touristen in Israel eigentlich problemlos einreisen. Anders sieht das bei einigen ausgewiesenen Kritikern aus. Der jüdische Linguistik-Professor Noam Chomsky aus den USA saß beispielsweise im Mai vergangenen Jahres an der Grenze in Jordanien fest. Auch Mitglieder der internationalen Flottille für den Gazastreifen sind unerwünscht.Zuerst hieß es, Israel wolle die unerwünschten Personen sofort nach Ankunft auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wieder in ihre Herkunftsländer abschieben. Dann teilte das israelische Innenministerium jedoch europäischen Fluggesellschaften mit, dass die Einreise der auf einer Liste festgehaltenen Personen nach einem Gesetz von 1952 verboten sei. Diese Reisenden würden sofort abgeschoben und die Fluggesellschaften müssten die Kosten dafür tragen.„Es besteht eine Verpflichtung, den Einreisegesetzen und behördlichen Anordnungen der Zielstaaten Folge zu leisten“, sagte ein Sprecher der Lufthansa am Freitag in Frankfurt.Über Twitter Frust und Wut ausgelassenIm sozialen Netzwerk Twitter ließen sich Frust und Wut jener Passagiere, die nicht reisen durften, in Echtzeit verfolgen. „Das Westjordanland ist ein riesiges Gefängnis wie Gaza“, twitterte ein Mann. „Das ist das erste Mal, dass ich eine schwarze Liste sehe“, zitiert ein Zurückgelassener in Paris den Mitarbeiter einer Fluggesellschaft.Israel Ministerpräsident Netanjahu hat sich den Vorwurf von Hysterie verbeten. Jedes Land habe das Recht, Provokateure und Personen, die die öffentliche Ordnung stören wollen, nicht einreisen zu lassen, sagte er. Allerdings musste sich der Regierungschef wegen des Großaufgebots von hunderten Sicherheitskräften auf dem Flughafen Ben Gurion viel Spott gefallen lassen.Die Invasion von Quallen sei für Israel eine weitaus größere Gefahr, schrieb die Tageszeitung „Jediot Achronot“. „Einmal pro Woche fühlt Netanjahu die Notwendigkeit, einen Feind auszumachen, ihn bis zu alarmierender Größe aufzublasen, ihn heroisch zu bekämpfen und ihn mit einem Knockout noch vor dem Schabbat zu bezwingen“, höhnte das Blatt. Auch ein namentlich nicht genannter Minister wurde zitiert. Der sei verärgert, weil Israel so aussehe, als ob es Kritiker verfolge.apa/dpa