<b>von Andreas Schwarz</b><BR /><BR />Europa ist in den vergangenen zehn Jahren ein anderes Europa geworden: Flüchtlingskrise 2015; unkontrollierter Zuzug von meist männlichen Asylwerbern aus Syrien, Afghanistan, Nordafrika in den Jahren danach; überforderte Schulen, Arbeitsmärkte, Gesellschaften; eine als totale Überfremdung wahrgenommene Veränderung der Lebensrealitäten vor allem in den Städten; islamistischer Terror und fundamentalistische Umdeutungsversuche durch eine radikale Zuwandererschicht (Rufe nach dem Kalifat); Kriminalität vor allem männlicher Jugendlicher aus dem Asylbereich; eine nur mühsam und viel zu spät reagierende Europäische Union ohne Asyl-Plan, gebremst von Menschenrechtsgerichten, die etwa im Bereich Rückschiebungen fernab jeder Realität entscheiden.<BR /><BR />Und ein als Reaktion auf all das nicht zu bremsender Aufstieg von rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Parteien quer durch Europa.<BR /><BR />Auf der Habenseite steht ein knappes Bevölkerungswachstum durch Zuwanderung, ohne die Europa schrumpfen würde. Und ein in träumerischen Kreisen zelebriertes humanitäres Gut-Gefühl (auch wenn neun Zehntel der Asylwerber Wirtschaftsflüchtlinge sind) - eine dünne Habenseite.<h3> 71 Leichen in Kühllastwagen entdeckt</h3>Am Beginn dieser Entwicklung, die natürlich viel differenzierter zu zeichnen wäre, standen zwei Ereignisse in Österreich und in Deutschland. Nicht als Ursache, aber jedenfalls als Auslöser: Im Sommer 2015, als die Flüchtlingsbewegung vor allem aus dem Bürgerkriegsland Syrien immer heftiger an die Tore Europas drängte, fand in Wien eine Westbalkankonferenz mit EU-Spitzenvertretern statt. <BR /><BR />Am selben Tag, dem 27. August, wurden auf einer Autobahn zwischen der ungarischen Grenze und Wien in einem abgestellten Kühllastwagen die Leichen von 71 Menschen entdeckt, Syrer, Iraker, Afghanen. Das Entsetzen und der mediale Aufschrei waren enorm.<h3> 700.000 flüchteten ins gelobte Europa</h3>Fast zeitgleich schickte Ungarns zunehmend autokratischer Ministerpräsident Viktor Orbàn Flüchtlinge ohne jede Unterstützung zum Bahnhof in Budapest – ab in den Westen mit ihnen! Am 31. August stürmten dann Zehntausend Flüchtlinge Züge nach Deutschland und Österreich, noch einmal Zehntausende machten sich zu Fuß auf den Weg, und beide Staaten öffneten angesichts der drohenden humanitären Katastrophe ihre Grenzen. <BR /><BR />Angela Merkel, deutsche Kanzlerin, sagte, unterstützt von Österreichs Kanzler Werner Faymann, den folgenschweren Satz: „Wir schaffen das.“ Dann brachen alle Dämme, rund 700.000 Menschen flüchteten nach und durch Österreich ins gelobte Europa.<BR /><BR />Der „Wir-schaffen-das-Satz“ hat Europa in der Tat verändert, und er hat auch Österreich, das Land an der Quelle der Flüchtlingskrise 2015, nachhaltig verändert. Gesellschaftlich, politisch.<BR /><BR />Einer Welle der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, der Aufnahme vor allem syrischer Familien in privaten Haushalten, folgte sehr schnell die Erkenntnis: Die Welle an Flüchtlingen ist kaum noch zu stoppen. Allein 2015 wurden in Österreich mehr als 88.000 Asylanträge gestellt (nach einem kontinuierlichen Rückgang waren es 2022 mehr als 112.000), in Relation zur Bevölkerung neben Schweden die meisten in Europa.<h3> Auftrieb für die FPÖ</h3>Bei den Wien-Wahlen einen Monat später erreichte die rechtspopulistische FPÖ mit ihrem Anti-Ausländerkurs bis dahin unerreichte 31 Prozent der Stimmen! <BR /><BR />Und während sich in der SPÖ ein Umbruch anbahnte – der Unternehmer Christian Kern als Zukunftshoffnung der Sozialdemokraten löste im Mai 2016 den schnarchfaden „Wir-schaffen-das“-Mitschaffer Werner Faymann als SPÖ-Chef und Kanzler ab - machte in der ÖVP der blutjunge Außenminister Sebastian Kurs mit seinem Anti-Merkel-Kurs Furore: „Schließen der Balkan-Flüchtlingsroute“ war das Motto des Shooting-Stars der Volkspartei, dem weite Kreise der Bevölkerung folgen konnten. <h3> Schulen überfordert</h3>Faktum abseits dieses politischen Umbruchs ist jedenfalls: Österreichs Schulen sind mit dem Flüchtlingsstrom, der zuletzt stark eingeschränkt wurde, maßlos überfordert. Allein in Wien kamen 2024 pro Monat durch den inzwischen gestoppten Familiennachzug 350 Kinder vor allem aus Syrien an – das sind 10 neue Klassen/Monat. <BR /><BR />Nur die Hälfte der Geflüchteten in Österreich ist beschäftigt, wobei die Beschäftigten hauptsächlich Männer sind und in Branchen mit hohem Bedarf (Gastronomie, Hotellerie) tätig sind.<BR /><BR />Im Bereich der Kriminalität haben Taten mit Hieb- und Stichwaffen sowie Sexualdelikte stark zugenommen – die Gruppenvergewaltigung einer 13-Jährigen in Wien durch junge Männer aus Afghanistan sorgte für einen Schock, und sie blieb nicht die einzige.<BR /><BR />All das sorgt, wie auch anderswo in Europa auch, für einen Rechtsruck: Bei den Wahlen im Herbst 2024 erreichte die Freiheitliche Partei, die nach dem Ibiza-Skandal des Jahres 2019 fast pulverisiert war, mit 28,8 Prozent der Stimmen erstmals Platz eins in Österreich. Und ein dreiviertel Jahr später – ÖVP, SPÖ und NEOS bildeten Anfang 2025 eine Regierung ohne den Wahlsieger.<h3> „Islamisierung“ Europas</h3>Das ist Integrationsproblemen geschuldet, einer gefühlten und in manchen Vierteln tatsächlich erlebten „Islamisierung“ Europas. Von dieser können auch wieder eingeführte Grenzkontrollen und mühsam durchsetzbare (oder nicht durchsetzbare) Abschiebungen von abgelehnten oder straffällig gewordenen Asylwerbern nicht ablenken. <BR /><BR />Die letzten zehn Jahre haben Österreich verändert, haben Europa verändert, in der Tat – und die Veränderung wurde in den Institutionen noch nicht annähernd verstanden.