<b>Herr Steger, seit 4 Monaten Obmann der SVP. Wie hat sich ihr Leben verändert?</b><BR />Dieter Steger: Man spürt die Verantwortung. Ich halte jede Woche Sprechstunden für Mitglieder und habe auch sonst unzählige Kontakte mit Menschen, die ihr großen und kleineren Probleme an den Parteiobmann herantragen. Der Aufwand ist größer und nicht immer kann ich eine Lösung anbieten, aber ich bemühe mich und tue es gern.<BR /><b><BR />Bei Ihrer Wahl haben Sie die SVP als breite Autobahn beschrieben, die auch klare Leitplanken hat. Welche haben sie inzwischen gesetzt?</b><BR />Steger: Ich habe klar gemacht, dass ich keine ideologische Ausrichtung der SVP will, weil Ideologie immer trennt. Wir haben eine konservative und eine sozialdemokratische Seite. Wenn wir zusammenbleiben wollen, dann muss es Verständnis für beide Seelen geben. Das heißt nicht Beliebigkeit, sondern Toleranz. Die zweite Leitplanke ist, dass alles, was uns als deutsche und ladinische Minderheit schwächt, nicht akzeptiert wird. Entscheidend ist da auch das Zwischenmenschliche. Ich toleriere nicht, dass Menschen bewusst schlecht geredet werden. Jeder soll sich einbringen und nicht das Messer hinter dem Rücken spüren.<BR /><BR /><b>Und funktioniert es?</b><BR />Steger: Da müssen sie andere fragen. Ich habe aber schon das Gefühl, dass die Zeit der Grabenkämpfe vorbei ist. Und ich werde nicht zulassen, dass sie wieder aufflammen. Zank und Streit führen nur zum Abstieg.<BR /><BR /><b>Leifers, St. Martin Lana: Die erste Runde der Gemeindewahl ging an die SVP. Die Nagelprobe kommt aber erst im Mai 20025. Wie will die SVP ihre über 100 Bürgermeister verteidigen?</b><BR />Steger: Ich spüre, dass uns die Monate der Ruhe gut getan haben. Im Herbst starte ich in die Gemeinden. Die Zusammenarbeit zwischen Bürgermeistern und Ortsgruppen hat nicht überall gleich gut funktioniert, doch sollten Letztere erste Ansprechpartner unserer Gemeindeverwalter sein. Teil 2 ist unsere Landesregierung, die sich wirklich reinhängt und bei den Leuten ist. Wenn dieses Zusammenspiel funktioniert, kann man gemeinsam komplexe Probleme lösen. Dann werden auch Botschaften, die unsere Kandidaten vermitteln können, einfacher. Und, mit Verlaub, wir haben gut verwaltete Gemeinden. Ja, wir haben Fehler gemacht, aber auch Beträchtliches geleistet.<BR /><BR /><b>In Leifers ist für die SVP ein Italiener in Stadtrat aufgerückt. Wird die SVP für die Gemeindewahl auch in Bozen Italiener auf ihre Kandidatenliste holen?</b><BR />Steger: Einzelfälle gab es und kann es geben. Wir bleiben aber die Partei der deutschen und ladinischer Minderheit.<BR /><BR /><b>Sucht die SVP Kandidaten?</b><BR />Steger: Natürlich suchen wir – wie alle Parteien – noch Kandidaten für die Gemeindewahl. Dabei ist jeder, der zu unseren Werten steht und sich einbringen möchte, willkommen. Ziel ist es, die Hauptarbeit zur Kandidatenfindung im Herbst und Winter zu erledigen und nicht erst im letzten Moment.<BR /><BR /><b>In der Schule gehen mit der ersten eigenen Klasse für Kinder, die nicht Deutsch können in Bozen, die Wogen hoch. Sie haben applaudiert, Landesrat Philipp Achammer spricht von Sonderklassen, die verboten seien. Ist die SVP gegen die Flut an Kindern mit Sprachdefiziten an deutschen Schulen machtlos? </b><BR />Steger: Ich habe zu diesem Thema bereits gesagt, was zu sagen ist (siehe „Dolomiten“-Ausgabe vom 28. August, Anm. d. Red.) und dabei bleibt es. Zumal jeder frei entscheiden kann, ob er sein Kind in die deutsche Schule einschreibt, müssen wir nach neuen, mutigen und innovativen Lösungen suchen. Landesrat Achammer ist da seit Jahren am Ball und bemüht sich. Probleme gibt es in einigen Gemeinden, das Thema ist aber in der gesamten Partei sehr gefühlt. Es kann nicht sein, dass muttersprachlich deutsche Kinder an deutschen Schulen Nachteile haben, wie es derzeit leider mancherorts passiert. Da braucht es Lösungen. Unsere Kinder haben ein Recht auf guten, erfolgreichen Unterricht. Und den gibt es nur, wenn unsere Grund- und Mittelschulen in den Städten und im Unterland nicht zur Sprachschulen degradiert werden. <BR /><b><BR />Die Stimmung gegenüber dem Tourismus in Südtirol schwappt ins Negative, Stichwort „Tourists go home“. Wird das dramatisiert oder fühlen sich die Südtiroler Recht überrollt?</b><BR />Steger: Der Tourismus hat viel Wohlstand gebracht und bleibt eine Säule unserer Volkswirtschaft. Aber er hat auch negative Effekte: Hotspots, Kurzzeitvermietung die Wohnraum entzieht und Verkehr. Das ist das zweite große Thema, das ich im Herbst in die Partei bringe. Hotspots sind zu begrenzen, das Phänomen Airbnb mit hohen Steuern zu belegen und wir müssen wohl noch einmal diskutieren, ob die gesamte Ortstaxe beim Tourismus bleiben soll. Wenn die Südtiroler nicht mehr mitgehen, hat der gesamte Sektor ein Problem.<BR /><b><BR />Um beim Tourismus zu bleiben. Die Mobil-Card ist umstritten. Ist es richtig, dass Touristen um 60 Cent durchs Land gondeln und gratis in Museen dürfen, während Südtiroler zahlen und oft keinen Platz im Bus kriegen?</b><BR />Steger: Diese Karte ist nicht mehr vermittelbar. Ich sage das, obwohl es stimmt, dass vom Tourismus auch für jene gezahlt wird, die nicht fahren. So wie die Karte heute aber ist, bringt sie uns mehr Probleme als Nutzen. Das gefährdet die Tourismusgesinnung, weshalb wir gemeinsam einen neuen Weg gehen müssen. Fakt ist, dass die Mobil-Card von der Bevölkerung nicht angenommen wird. Viele Gäste sind bereit, für Öffis und Museen den Marktpreis zu zahlen.<BR /><BR /><b>Viele Südtiroler können sich das Wohnen nicht mehr leisten. Jetzt feilt die Landesregierung an einem Maßnahmenpaket...</b><BR />Steger: Das in der Partei diskutiert wurde und erneut diskutiert wird. Es gibt kein Patentrezept. In jedem attraktiven Lebensraum ist Wohnen teuer, aber wir wollen die Situation Schritt für Schritt zum Besseren wenden. Einer der Schritte ist das Wohnen mit Preisbindung. Und wir müssen das Mietangebot erhöhen. Da kommt die Gemeindeimmobiliensteuer GIS ins Spiel: Kurzzeitmieten sind zu be-, Langzeitmieten zu entlastet. Dass es heute umgekehrt läuft, ist absoluter Wahnsinn. Dazu wollen wir im Herbst mit einem Gesetz Akzente setzen. Wir müssen für die Südtiroler leistbares Wohnen schaffen.<BR /><BR /><b>Mit dem neuen Führungskräftegesetz erhalten Spitzenbeamte in Land, Landtag und Gemeinden teilweise 50.000 bis 80.000 Euro mehr Lohn. Ist das einem normalen Angestellten gegenüber zu rechtfertigen, die mit dem Gehalt kaum über die Runden kommen?</b><BR />Steger: Darüber, wie viel Spitzenbeamte verdienen sollen, kann man lange diskutieren. Das wahre Problem ist aber nicht deren Gehalt, sondern dass die normalen Gehälter zu niedrig sind. Bozen ist mit seinen hohen Lebenskosten nicht Palermo.<BR /><BR /><b>Also?</b><BR />Steger: Also sind wir in Rom schon lang dahinter, auf dass den Leuten mehr Netto vom Brutto bleibt, indem z.B. Überstunden steuerlich nicht belastet werden. Die Generation der Baby-Boomer geht in Pension. Warum sollten Senioren, die gerne möchten, nicht zu einem niederen Steuersatz weiterarbeiten können? Und auch wenn es einige nicht gern hören: Es braucht eine gute Industriepolitik. Wir brauchen innovative und saubere Industriebetriebe im Land. Sie zahlen gut und wir können damit ein bisschen gegen die Abwanderungen kluger Köpfe ansteuern.<BR /><BR /><b>Von Bozen nach Rom. Die SVP hat alles auf eine Karte gesetzt und ging in der Landesregierung mit Lega und Fratelli d'Italia eine Koalition ein, um die Autonomie zu reformieren. Jetzt scheint das Ganze zu stocken. Was passiert, wenn Rom nicht liefert? Krise in Bozen?</b><BR />Steger: Der Landeshauptmann ist in Verhandlung mit der Regierung in Rom. Noch würde ich nicht von Verzug sprechen. Ich gehe davon aus, dass zumindest der erste Teil des Reformpaketes im Herbst durch den Ministerrat geht, um dann seinen Weg durchs Parlament zu nehmen. Dieser erste Teil betrifft die Grenzen der Gesetzgebung des Landes, die gelockert werden. Es geht ums Einvernehmen, damit das Autonomiestatut nicht einseitig abgeändert werden kann und um eine neue Rolle für Durchführungsbestimmungen. Dieser erste Teil ist prioritär. Ich erwarte mir aber auch einen konkrete Zeitrahmen, innerhalb dem der 2. Teil zu den Kompetenzen abgewickelt wird, denn die Zeit ist nicht unendlich.<BR /><BR /><b>In Rom wird trefflich über ein neues Staatsbürgerschaftsgesetzt gestritten. Forza Italia zeigt Öffnung gegenüber einer „Ius Scholae, also einem an den Schulbesuch koppelten Verleih der Staatsbürgerschaft. Der Landeshauptmann hat dies begrüßt. Wo stehen Sie in der Debatte?</b><BR />Steger: Derzeit ist das eine rein ideologische Diskussion, an der ich mich nicht beteilige, solange im Parlament kein konkreter Gesetzestext aufliegt, zu dem man sich äußern könnte.<BR /><BR /><b>Arno Kompatscher ist mandatsbeschränkt, darf 2028 nicht mehr als Landeshauptmann antreten. Wann geht das Hauen und Stechen in der SVP um seine Nachfolge los?</b><BR />Steger: Arno Kompatscher ist unser Landeshauptmann in vollen Kräften und wird es auch in den kommenden 4 Jahren sein. Es besteht absolut kein Anlass, in der SVP eine Personaldiskussion zu diesem Thema abzuführen.<BR /><BR /><b>Als Obmann zählen Sie zu den „papabili“. Lust auf den Top-Job im Palais Widmann?</b><BR />Steger: Ich möchte keine Personaldiskussion zu diesem Thema.